Marcel Proust: Gesammelte Romane & Erzählungen. Marcel Proust
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Название: Marcel Proust: Gesammelte Romane & Erzählungen

Автор: Marcel Proust

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027208821

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СКАЧАТЬ ziemlich vulgäres Vergnügen daran – wenn man so sagen kann –, soziale Blumensträuße zu winden, ganz heterogene Elemente zu gruppieren, hier und da aufgegriffene Personen zusammenzutun. Dies amüsante Experimentieren mit Soziologie (wenigstens fand Swann es amüsant) hatte nicht auf die Dauer bei allen Freundinnen seiner Frau die gleiche Rückwirkung. »Ich habe die Absicht, die Cottard und die Herzogin von Vendôme zusammenzuladen,« sagte er lachend zu Frau Bontemps mit der lüsternen Miene des Feinschmeckers, der Nelken in einer Sauce durch Cayennepfeffer zu ersetzen probiert. Dies Projekt, das den Cottard, in des Wortes alter Bedeutung, recht kurzweilig vorkam, sollte zum Unglück Frau Bontemps sehr verdrießen. Sie war erst jüngst von den Swann der Herzogin von Vendôme vorgestellt worden und hatte das ebenso angenehm wie natürlich gefunden. Dies den Cottard zu erzählen und sich dadurch ins Licht zu setzen, war mit das Köstlichste an ihrem Vergnügen. Aber wie frisch Dekorierte, sobald sie ihre Auszeichnung empfangen haben, es gern sähen, daß die Quelle der Orden versiege, wäre es Frau Bontemps sympathisch gewesen, wenn nach ihr niemand aus ihrer Klasse der Fürstin vorgestellt worden wäre. Innerlich verfluchte sie Swanns verderbten Geschmack, einer nichtigen Ästhetenschrulle nachzugeben und dadurch den Sand, den sie den Cottard mit ihrem Bericht über die Herzogin von Vendôme in die Augen gestreut hatte, wegzublasen. Wie sollte sie jetzt fertigbringen, ihrem Manne zu erzählen, der Professor und seine Frau würden auch ihr Teil an dem Genuß haben, den sie ihm als so einzig angepriesen hatte? Wenn die Cottard wenigstens wüßten, daß sie nicht ernstlich, sondern nur zum Spaß eingeladen waren. Allerdings war es den Bontemps gerade so ergangen, aber Swann hatte von der Aristokratie die ewige Manier des Don Juan übernommen, der von zwei armen Frauen jeder einredet, nur sie sei die ernstlich geliebte, und hatte zu Frau Bontemps von der Herzogin von Vendôme als von jemandem gesprochen, mit dem zusammen zu speisen für sie, Frau Bontemps, durchaus angezeigt sei. »Ja, wir gedenken die Fürstin zusammen mit den Cottard einzuladen,« sagte Frau Swann ein paar Wochen später, »mein Mann meint, daß diese Konjunktion etwas Amüsantes ergeben könnte.« »Konjunktion«, sagte sie; wie sie nämlich von dem »Kleinen Clan« her gewisse Lieblingsgewohnheiten der Frau Verdurin behalten hatte, zum Beispiel, laut zu sprechen, um von allen Getreuen gehört zu werden, so wandte sie auch gewisse Ausdrücke an, die im Kreise Guermantes beliebt waren, dessen Anziehungskraft sie von weitem und unbewußt erfuhr, wie das Meer die des Mondes, ohne sich ihm darum spürbar zu nähern. »Ja, die Cottard mit der Herzogin von Vendôme, finden Sie das nicht komisch?« fragte Swann. »Ich glaube, es wird dabei für Sie nur Ärger herauskommen; man soll nicht mit dem Feuer spielen«, antwortete Frau Bontemps wütend. Übrigens wurde sie mit ihrem Mann ebenfalls zu diesem Diner geladen und ebenso der Fürst von Agrigent. Frau Bontemps und Cottard pflegten auf zweierlei Art von diesem Abend zu erzählen, je nach den Leuten, an die sie sich wandten. Zu den einen sagte Frau Bontemps einerseits und Cottard andererseits, wenn man sie fragte, wer zugegen war, in lässigem Ton: »Nur der Fürst von Agrigent, es war ganz intim.« Andere riskierten, besser informiert zu sein (einer fragte Cottard sogar einmal: »Waren nicht auch die Bontemps da?« »Die hab ich ganz vergessen«, antwortete Cottard errötend dem Ungeschickten, den er von da an zu den Lästerzungen rechnete). Für diese letzteren nahmen die Bontemps und die Cottard, ohne miteinander zu Rate zu gehen, eine Version an, deren Aufbau bei beiden derselbe war, nur die jeweiligen Namen wurden vertauscht. Cottard sagte: »Nun ja, es waren nur die Herren des Hauses, Herzog und Herzogin von Vendôme da – (dann, mit einem leisen Schmunzeln) Professor Cottard und Frau und ferner, weiß der Teufel, warum! – denn sie paßten dahin wie die Faust aufs Auge – Herr und Frau Bontemps.« Frau Bontemps sagte genau dasselbe Sprüchlein, nur nannte sie Herrn und Frau Bontemps mit selbstzufriedenem Ton zwischen der Herzogin von Vendôme und dem Fürsten von Agrigent, und die räudigen Schafe, die, wie sie vorwurfsvoll hinzufügte sich selbst eingeladen hatten und ungünstig abstachen, das waren die Cottard.

      Von seinen Besuchen kam Swann oft erst kurz vor dem Essen heim. Um diese Zeit, sechs Uhr abends, hatte er früher immer sich unglücklich gefühlt; jetzt fragte er sich nicht mehr, was Odette wohl vorhabe, kümmerte sich wenig darum, ob sie ausgegangen sei oder Besuch habe. Bisweilen erinnerte er sich; daß er vor Jahren einmal versucht hatte, einen Brief von Odette an Forcheville durch den Umschlag hindurch zu lesen. Aber diese Erinnerung war ihm nicht angenehm, und statt dem Schamgefühl, das er damals empfand, tiefer nachzuspüren, ließ er es lieber bei einem leisen Zucken der Mundwinkel bewenden, zu dem allenfalls noch ein Kopfschütteln kam, das bedeutete: »Was mir das schon ausmacht?« Jetzt urteilte er gewiß anders über die Hypothese, bei der er sich damals oft beruhigt hatte: nur die Einbildungen seiner Eifersucht verdunkeln das in Wahrheit unschuldige Leben Odettes. Diese im großen und ganzen recht wohltuende Hypothese, die während der Dauer seiner Liebeskrankheit seine Schmerzen gemindert hatte, weil sie sie als eingebildet erscheinen ließ, war jetzt für ihn nicht mehr zutreffend; jetzt meinte er, daß seine Eifersucht richtig gesehen und Odette, gerade, wenn sie ihn mehr geliebt habe, als er geglaubt, ihn auch mehr betrogen habe. Ehedem, während er so sehr litt, hatte er sich geschworen, sobald er Odette nicht mehr liebe und nicht mehr zu fürchten habe, sie zu erzürnen oder glauben zu machen, daß er sie zu sehr liebe, wolle er sich die Befriedigung verschaffen, mit Odette zusammen einfach aus Liebe zur Wahrheit und wie einem historischen Faktum dem nachzugehen, ob, ja oder nein, Forcheville bei ihr geschlafen habe an jenem Tage, als er, Swann, läutete und ans Fenster klopfte, ohne daß ihm aufgemacht wurde, und als sie Forcheville schrieb, es sei ein Onkel sie besuchen gekommen. Aber das interessante Problem, zu dessen Aufklärung er nur erst warten mußte, bis seine Eifersucht aufhörte, hatte gerade, als das geschah, alles Interesse für ihn verloren. Nicht sofort allerdings. Auf Odette selbst fühlte er schon keine Eifersucht mehr, als noch jener Nachmittag, an dem er vergeblich an die Tür des kleinen Hauses in der rue Lapérouse geklopft hatte, weiter dieses Gefühl in ihm erweckte. Wie manche Krankheiten, die ihren Sitz, ihre Ansteckungsquelle weniger in gewissen Personen als in gewissen Orten, in gewissen Häusern haben, schien die Eifersucht weniger Odette selbst zum Gegenstand zu haben als den Tag und die Stunde der verlorenen Vergangenheit, in der Swann an alle Zugänge von Odettes Haus geklopft hatte. Es war, als habe dieser Tag und diese Stunde allein einige letzte Teilchen des Menschen, der da liebte (der Swann ehemals war), festgehalten, als fände er sie nur noch in ihnen wieder. Längst kümmerte er sich nicht mehr darum, ob Odette ihn betrogen habe und noch betrüge. Und doch hatte er Jahre hindurch früheren Bedienten von Odette immer wieder nachgeforscht, so lange bestand in ihm die schmerzhafte Neugier fort, ob an jenem schon so weit zurückliegenden Tage um sechs Uhr Odette mit Forcheville geschlafen habe. Dann war auch diese Neugier verschwunden, ohne daß deshalb seine Nachforschungen aufhörten. Immer noch suchte er zu erfahren, was ihn nicht mehr interessierte, denn sein altes Ich verfuhr, im äußersten Verfall, der es betroffen hatte, noch mechanisch nach längst abgeschafften Voreingenommenheiten, und Swann konnte sich doch die Bangigkeit schon gar nicht mehr vergegenwärtigen, die einst so stark gewesen war, daß er sich nicht hatte vorstellen können, je von ihr frei zu werden, daß nur der Tod der Geliebten (der Tod, der, wie später in dieser Erzählung ein grausamer Gegenbeweis erhärten wird, in nichts die Schmerzen der Eifersucht mindert) ihm imstande schien, die ganz versperrte Straße seines Lebens wieder zu bahnen.

       Aber eines Tages die Begebenheiten in Odettes Leben, denen er seine Leiden verdankte, aufzuklären, war nicht Swanns einziger Wunsch; er hatte noch den andern in Reserve, sich zu rächen, wenn er Odette nicht mehr liebte, nicht mehr fürchtete; diesen zweiten Wunsch zu erfüllen, bot sich nun gerade Gelegenheit: Swann liebte eine andere Frau, die ihm keinen Anlaß zur Eifersucht gab, auf die er aber doch eifersüchtig war; denn er war nicht mehr fähig, seine Art zu lieben zu erneuern, und die, welche sich an Odette gewandt, diente ihm auch für eine andere. Damit Swanns Eifersucht wieder erwachte, brauchte diese Frau nicht untreu zu sein, es genügte, daß sie aus irgend einem Grunde fern war, auf einer Gesellschaft zum Beispiel, und sich dort anscheinend gut unterhielt. Das reichte hin, um die alte Bangigkeit in ihm zu erwecken, diesen jämmerlichen, widerspruchsvollen Auswuchs seiner Liebe, durch den Swann von der Wirklichkeit sich entfernte; das kam über ihn wie ein Bedürfnis, das tatsächliche Gefühl dieser jungen Frau für ihn herauszubekommen, die verborgene Sehnsucht ihrer Tage, das Geheimnis ihres Herzens; denn zwischen Swann und die, die er liebte, häufte seine Bangigkeit spröden, veralteten Argwohn, der seine Ursache in Odette oder vielleicht schon in einer Vorgängerin von Odette hatte und den gealterten Liebenden seine Geliebte von heute nur durch das alte Kollektivphantom СКАЧАТЬ