Alexander von Ungern-Sternberg: Historische Romane, Seesagen, Märchen & Biografien. Alexander von Ungern-Sternberg
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Читать онлайн книгу Alexander von Ungern-Sternberg: Historische Romane, Seesagen, Märchen & Biografien - Alexander von Ungern-Sternberg страница 52

СКАЧАТЬ sagte Georg, im feuchten Gange weitertappend, »Furcht gerade fühle ich nicht! Aber ich möchte über den Alten zürnen, daß er sich erlaubt hat, mit uns seinen Scherz zu treiben.«

      »Du kennst ihn schlecht, wenn du ihm dergleichen zutraust, Georg. Er handelt bei seinem geringsten Tun und Lassen nach den Gesetzen, die ihm die tiefste und erhabenste Weisheit vorschreibt. Wenn du ihm nähertreten willst, so mußt du ihm blind gehorchen und ohne Rückhalt ihm vertrauen. So bin ich sein Schüler geworden, und ich bereue es nicht.«

      »Halte mich hier!« rief Georg, »mir schwindelt. Was ist das für eine dunkle Tiefe, in die wir hinabschauen?« –

      »Das ist der See Genezareth.«

      »Ein See?« –

      »Dessen Tiefe noch kein Senkblei ermessen hat.«

      »Wie grausenvoll! Welch eine Stille, kein Laut regt sich! Alles schwarz, alles ohne Klang und Farbe! Hier könnte ich nicht lange aushalten.«

      »Was die Nacht liebt, findet sich auch hier zurecht!« sagte Olivier, und seine Stimme klang leise und geheimnisvoll. Dennoch weckte diese gedämpfte Stimme ein Echo, und es war, als sprächen drüben über dem See einige umherwandelnde Personen.

      »Sind wir nicht allein hier?« fragte Georg.

      »Ein Eingeweihter ist nie allein,« entgegnete der Gefragte. »Wenn ihn nicht die lebenden Genossen umgeben, so tun dies die verstorbenen. Gib mir die Hand und folge mir diese engen Stufen hinab, die uns zum Ufer des Sees führen. Fasse mit der andern Hand das Seil, das an der Felswand angebracht ist, doch greife daran so leicht wie möglich, es ist naß und sein Anschlagen an die Steine bringt an diesem Orte der Stille ein dumpfes Donnern hervor.«

      Als sie unten angelangt waren, bestiegen sie einen Nachen, und Olivier setzte ein Ruder in Bewegung. Die Leuchte wurde mitten in den Kahn gesetzt, und zwar so sicher geschützt, daß sie nicht umfallen und auslöschen konnte; denn die Gefahr wäre groß gewesen, wäre dies geschehen. Auf dem dunkeln Gewässer dahinfahrend, war es Georg, als sähe er darauf Phantome seltsamer Art schwimmen. Bald waren es bleiche Totenantlitze, die mit geschlossenen Augen aus der dunkeln Flut tauchten und aufgerichtet dahinglitten, bald waren es blutige Hände, die aus der Tiefe heraufgriffen. Der einsame und spärliche Lichtstrahl gab nur ungewisse Umrisse dieser Schrecknisse zu erkennen. Das Niedertauchen der Ruderstange und das Abfallen der Tropfen von der gehobenen Schaufel verursachte ein Geräusch, als flüsterten und wimmerten Stimmen aus der Nacht herüber. Endlich gelangte der Nachen an ein steiniges Ufer, und die Jünglinge stiegen aus. Olivier befestigte das Fahrzeug. Ein roh gearbeitetes Portal zeigte sich, einige Stufen führten in die Höhe, und eine mit Eisen beschlagene Pforte, auf der eine Inschrift angebracht war, gab den Blicken einen neuen Gegenstand der Beachtung. Olivier bückte sich zu Boden, einen Gegenstand suchend; er fand ihn, es war ein Schlüssel, mit dem er die Pforte öffnete. Ein kalter Zugwind, vermischt mit Moderdüften, wehte ihnen entgegen. Eine Halle, von sechs Säulen getragen, bot ihren mit regelrechten Steintafeln gepflasterten Boden den Eintretenden. Seltsam hallten die Tritte wider, doch war der Schall hier begrenzter, und es ließ sich deutlich unterscheiden, daß ein geschlossener Raum sie erzeugte.

      »Hier«, sagte Olivier, indem er sich an eine Säule lehnte, »siehst du den uralten Bau der Templer, wie ihn Hugo von Payens, der Gründer und erste Meister des schottischen Ordens, gebaut hat. Mit Robert Bruce durchs Land ziehend, fand er hier an dem äußersten Ende Schottlands, unter den Felsen, die das Meer bespült und die Nacht in Schrecken einhüllt, die passende Stätte, um den Brüdern der Nacht zu entgehen, die ihm nachstellten. Hierher rettete er den Kern des Ordens, die wenigen Getreuen, die ihm anhingen, und hierher brachte er auch die heiligen Symbole, die die Weisheit der Brahminen als ein kostbares Erbe uns hinterlassen hat. Der Orden der Templer ist aufgelöst, wenigstens ist das, was in der Welt noch dafür gilt, ein elendes Gaukelspiel, ein armseliges Scheinbild: der echte wahre Orden existiert jedoch noch hier. Hier sind seine Schätze, seine Trophäen, seine Gesetzestafeln. Alle zehn Jahre, stets im ersten wachsenden Monat der zweiten Jahreshälfte, kommen aus allen Teilen der Erde, aus Nord und Süd, von Aufgang und Niedergang die Brüder, die alten, ehrwürdigen Templer, um hier ihr Gelübde zu erneuen. Denn wisse, der Sarkophag, den ich dir gleich zeigen werde, enthält die Asche eines edlen Märtyrers, ein treuer Bote brachte sie uns, von dem Holzstoß gesammelt, auf dem die Wüteriche ihn gerichtet. Diese teuren Überreste ruhen neben denen Hugo von Payens, des Stifters des Ordens. Diesen Sitz haben die Jesuiten für sich umgeschaffen.«

      Als Olivier diese Worte gesprochen, trat er in eine Seitenhalle, und seinen Genossen mit sich fortziehend, schritten beide über ein aus Marmor gearbeitetes, riesiges menschliches Skelett, das auf dem Boden lag.

      »Komm, komm!« rief der Jüngling, »erschrick nicht! Was du siehst, diente rohen, wilden Jahrhunderten zu notwendigen Prüfungen. Ein Templer mußte mit den Schrecknissen des Grabes so vertraut sein wie mit der Zelle, in der er täglich arbeitet und schläft.«

      Auf einem Würfel von schwarzem Basalt erhob sich der Sarkophag, von dem Olivier eben gesprochen hatte.

      Sechs verhüllte weibliche Gestalten saßen auf den Stufen desselben. Olivier drückte auf eine Feder, die sechs Figuren versanken in den Boden, und statt ihrer erschienen ebenso viele geharnischte Männer, zugleich hob sich langsam der Deckel des Sarkophags, und eine Gestalt, in lange Gewänder gehüllt, erstand aus der Tiefe der nächtlichen Behausung.

      Olivier beugte sein Haupt. Georg stand da und wußte nicht, ob er seinen Augen trauen sollte. Langsam verschwanden die Gebilde wieder, und das Grab nahm seine frühere Gestalt wieder an. »Erkläre mir alles das!« flüsterte Georg, doch ein bedeutsamer Wink und das ernste Auge des Gefährten hießen ihn seine Neugier aufgeben. Beide traten jetzt in eine zweite, größere Halle, und diese war augenscheinlich zu Zusammenkünften eingerichtet. Auf einem Altar thronte ein Gegenstand, der sorgsam verhüllt war. Die Sitze aus Stein, in einem Halbkreise um den Altar, schienen jeden Augenblick gewärtig, eine ehrwürdige Schar nächtlicher Pilger in sich aufzunehmen. Grabesstille herrschte auch hier. An den Wänden standen kolossale Steinbilder, aber auch sie waren verhüllt.

      »Du hast jetzt erschaut, was du erschauen darfst,« sagte Olivier, »laß uns jetzt den Rückweg antreten. Vielleicht kehrst du bald wieder hierher zurück, aber dann in anderer Gesellschaft als der meinigen.«

      »Den Rückweg, Olivier?« fragte Georg. »Wie willst du den finden?«

      »Folge mir getrost. Wie gerne hätte ich dir noch mehr gezeigt, aber ich darf nicht. Hast du nicht bemerkt, wie er das Haupt verneinend schüttelte, als ich ihn im geheimen fragte?«

      »Du hast mir schon genug des Wunderbaren gezeigt!« rief Georg. »Mein Himmel, nie hätte ich mir früher träumen lassen, daß es dergleichen gebe! Welch eine Welt ist das! Wieviel Erhabenes, Großes und zugleich wieviel Schrecken! Es war doch eine große Zeit, die der unseren vorherging!«

      »Wir sind geschaffen, sie wieder herbeizuführen!« rief der Jüngling begeistert. »Gib mir die Hand drauf, daß du mit mir arbeiten willst, die Zeit der edlen Helden, der starken Märtyrer neu hervorzurufen! Schwöre mir das, hier beim Grabe Hugo von Payens!«

      »Ich schwöre es dir,« rief Georg. »Wir wollen unserer Väter würdig sein.«

      »Es ist genug!« sagte Olivier. »Wir sind jetzt verbunden in Leben und Tod. Wie sich auch unsere Lebenspfade wenden, wir bleiben einig. Am Grabe der Bekenner haben wir es beschworen.«

      Mit diesen Worten wendete er sich rasch zur Seite, öffnete eine niedrige Pforte, und hier zeigte sich eine enge Wendelstiege, die aufwärts führte, doch gelangte sie nicht im Walde zur Oberwelt, sondern durch eine enge Felsenschlucht, in der Nähe des Weges, der СКАЧАТЬ