Alexander von Ungern-Sternberg: Historische Romane, Seesagen, Märchen & Biografien. Alexander von Ungern-Sternberg
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Читать онлайн книгу Alexander von Ungern-Sternberg: Historische Romane, Seesagen, Märchen & Biografien - Alexander von Ungern-Sternberg страница 14

СКАЧАТЬ ein, dann fing ein entfernter Hund zu bellen an, aus einer andern Gegend antwortete ihm ein Kamerad, dann ließ sich in der Nähe ein heiserer Kettenhund vernehmen, und nicht lange, so bellten alle Hunde im Dorfe, zwischendurch hörte man das elegische Knarren eines Ziehbrunnens und dann die hüpfenden Töne des wieder niederfahrenden Eimers. Eduard sah jetzt mehrere Männergestalten, die langsam um die Ecke bogen und sich dem Hause mit dem hellen Fensterchen näherten; sie waren im Streit mit einander, ein ältlicher Mann, wie es schien, wollte die drei jüngern zurückhalten, er hatte den einen derselben am Arm, den andern am Rockschoß, den dritten bei der Hand gefaßt, und von den vielen Worten, die er bald bittend bald drohend ausstieß, konnte Eduard nur folgende vernehmen: »So nimm doch Rath und Vernunft an, Caspar; wir können ja offenbar weit mehr ausrichten, wenn wir den Schulzen wecken und ihn herbringen, damit er mit eigenen Augen den Spitzbuben bei ihr entdeckt!« – »Einfältiges Zeug, rief einer der jungen Leute, ich soll wohl warten bis der träge Schulze sich aus den Federn hebt, die Nachtmütze abwirft und in die Kleider fährt, unterdes könnte wohl allerlei geschehen, was du und der Schulze nicht wieder gut machen können, nein, nein, laßt mich los, es ist am besten, ich verlasse mich auf meinen starken Arm und diesen Knüttel; mag nachher geschehen was da will, hab' ich nur erst mein Mütchen gekühlt, und dem Burschen drinnen bewiesen, daß es geraten ist, ein ehrliches Mädchen und dazu meine Braut in Frieden zu lassen.« Eduard begriff jetzt die ganze Intrige; ihm wurde für Robert bange, wenn er die drei kräftigen Gestalten betrachtete, die jetzt auf das Haus leise zuschritten, nachdem sich der Alte von ihnen getrennt hatte und zurückgeblieben war. Sie gingen behutsam vorwärts und indem einer sich als Wache am Fenster hinstellte, drangen die zwei andern in den dunkeln Hofraum, um von dort wahrscheinlich in die Haustür zu gelangen. Eine Zeitlang blieb es ganz stille, die Gestalt am Fenster gab nicht das mindeste Zeichen von Bewegung, und aus dem Stübchen tönte von Zeit zu Zeit eine lachende Stimme. Plötzlich fing ein Hund zu bellen an, man hörte Jemanden stolpern und fallen, dann fluchen, zu gleicher Zeit ward eine Tür aufgestoßen, und mehrere Stimmen wurden laut. Der Vorhang am Fenster flog fort, das Fenster ward aufgerissen und ein heftiges, anhaltendes Geschrei, Gepolter, Zank und Handgemenge tönte auf den ruhigen Kirchhof hinaus. Der Bauerbursche, der sich als Bräutigam genannt, lehnte weit aus dem Fenster heraus und rief seinem Kameraden zu, hereinzukommen um das Mädchen einzufangen, welches im Gedränge entschlüpft sei, und sich wahrscheinlich irgendwo versteckt halte. Der Aufgeforderte sprang auch sogleich ohne weiters mit einem Satze ins Fenster hinein. Jetzt sah man viele schwarze Gestalten sich im Handgemenge durcheinander bewegen, das Licht wurde umgestoßen und fiel zu dem Fenster hinaus in das Gesträuch vor demselben, ein Häuflein Stroh fing sogleich Feuer und bald schlugen die lichten Flammen hinauf. Ein noch heftigeres Geschrei ertönte, – in dem Moment sah Eduard eine schlanke Gestalt sich mit graziöser Biegung aus dem Fenster stürzen und mitten durch die Flammen durchspringen. Es war Robert, der sich vor den derben Fäusten nicht anders zu retten wußte; er eilte jetzt mit glimmenden Rockstößen die Straße hinab, von einer Menge Hunde verfolgt die ihm nachbellten. Die Bauern hatten genug zu tun, die Flamme wieder zu dämpfen; als dies geschehen war, standen sie verblüfft da und guckten in den Mond, denn weder Robert noch das Mädchen waren in ihrer Gewalt. Murrend und scheltend gingen sie endlich miteinander fort, und noch von fern hörte man sie zanken. Nach und nach hörte man jetzt im Dorfe die Haustüren öffnen, hier und da auch die Fenster, es wurde in der Ferne und Nähe gesprochen, gefragt, allmählich hörte dies auf und die tiefe klare Stille der Mondnacht lag wieder mit glänzender Weiße über dem Schauplatz so wunderlicher Ereignisse.

      »Du hast da,« sagte Robert zu unserm Freunde, als sie am andern Tage im ärmlichen Wirtshause bei einem Schoppen schlechten Landweins beisammen saßen, »ein Histörchen mit angeschaut, das, glaub' ich, im Sinn des Boccaz angefangen und beendet wurde, denn bei einer guten Novelle dieses Meisters dürfen die Prügel eben so wenig fehlen als die Küsse. Nur hätte ich von deiner Kraft und Freundschaft etwas anderes erwartet, als ein ruhiges Hocken auf der Kirchhofmauer, indes ich die Schattenseite eines Idylls kennen lernte.« Eduard brachte einige Entschuldigungen vor, doch Robert unterbrach sie und sagte lachend: »Laß daß, mir sind diese Kraftäußerungen ganz gelegen, ich werde jetzt um so begieriger den Zartheiten nachgehen, wie sie in den Salons uns geboten werden; mein Wunsch ist nur, daß Du auch die Kleine kennen lernst, um deren willen diese Lärmtrommel geschlagen wurde. Sie ist nicht sonderlich schön, und ich habe mich eigentlich nur in ihr Lachen verliebt; das versteht sie meisterlich, eine reihe Zähne und ein Grübchen kommen dabei zum Vorschein, wie sie nie reizender gebildet worden. Überhaupt wie selten versteht ein Mädchen schön zu lachen, die meisten schneiden unleidliche Grimassen. Das eigentliche süße Lachen muß den ganzen Körper lieblich durchschütteln, und Wange, Kinn, Busen und Hals mit hastig aufgeblühten Rosen überschütten; am reizendsten lachen in der Regel Blondinen, denn bei denen treibt das Blut jenen durchsichtigen Rosenschleier sogleich über die zarte blendende Haut, und sie erröten bis unter die goldnen Locken hinauf. Wer anmutig zu lachen versteht, der wird nie alt; ich habe eine bejahrte Frau gekannt, die durch ihr frisches Gelächter sich in die früheste Jugend hinauflachte und so viele altlachende junge Mädchen beschämte. Das Lachen ist recht eigentlich ein Volkslied, es muß aus dem innern Menschen, gleichsam wie die wahre Poesie herauftönen, die Regeln der Schönheit und des vornehmen Anstandes werden nie ersetzen können, was von der Natur versagt worden. Ich hab' ein sehr gescheutes Mädchen gekannt, die sehr geistreich lachte, das heißt, nur bei passender Gelegenheit, und wieder ein halbblödsinniges Geschöpf, das alle Augenblicke und stets über nichts lachte, dabei aber die süßeste Jugend entfaltete, und ich zog sie unbedingt der erstern vor.«

      Beide gingen jetzt die Gasse hinauf, zu dem Häuschen an der Kirchhofmauer. Wie ganz alltäglich und prosaisch erschien der Platz am Tage. Robert klopfte gähnend an die kleine Pforte, sie wurde von einem feisten Bauerburschen aufgetan, den der Bräutigam als Wache bei dem Mädchen gelassen hatte. Marie, so hieß diese, begrüßte ihre Gäste mit einem verschämten Lächeln. Eduard band sich sein neues Halstuch ab und knüpfte es ihr um den hübschen Hals; sie fand alles, was man tat und sagte, äußerst lächerlich, und machte tausend ungeschickte Bewegungen. Es wurde abgemacht, daß Eduard wenigstens eine Woche im Dorfe bleiben sollte, ein Stübchen in der Nähe war bald gefunden. Als das Gespräch eben am lebhaftesten war, erschien plötzlich der Bräutigam und fing auf seine Weise zu fluchen und zu lärmen an, zugleich zeigte sich eine verknöcherte alte Ehrenwächterin, die sich ihres Amtes mit großem Eifer annahm. Die Freunde entfernten sich mißmutig, und es wurden Pläne geschmiedet, wie man die Kleine mitten aus ihrer Ehrenwache entführen könne.

      Eduard, der sich noch immer nicht mit Leichtigkeit in gewisse Ansichten des Lebens finden konnte, ging gewöhnlich seinen Weg für sich und zeigte nur zu deutlich den innern Zwiespalt. Er wollte diese ländliche Einsamkeit, die ihm wie ein plötzliches Geschenk zu Teil geworden, mit ernsten und würdigen Beschäftigungen hinbringen, doch eine verworrene Unbehaglichkeit hatte sich seines Gemüts schon in dem Grade bemeistert, daß er es für bequem fand, sich Roberten immer mehr und mehr hinzugeben. »Ist es nicht töricht,« sagte er einmal zu ihm, »daß wir unser Leben und dessen schnell vergängliche Blüte alten grauen Irrtümern, verjährten Meinungen, zahmen und mißgestalteten Gesetzen, albernen Grillen zum Opfer bringen, die nichts für sich haben, als daß ein paar tausend Menschen, die gerade der Zufall mit uns in Eine Zeit warf, jene Irrtümer, Meinungen, Lehren und Gesetze als Norm und Regel aufgestellt haben. Zwängen wir nicht auf diese Weise den jungen aufsprossenden Baum früh in ein steifes Gerüst, damit er mit den übrigen Bäumen und Pflanzen im Garten ein seltsam geregeltes Ganze ausmache. Du aber, mein Robert, stehst in diesem holländischen Garten als ein selbstständig keck auffliegendes Bäumchen da, dessen Saat wohl ein wundervoller Zugvogel aus fremden Ländern holte und fallen ließ; mit einem gewissen übermütigen Wahnsinn weinst und lachst Du deine hellen Blüten heraus, Du erzwingst mit Hast einen Frühlingshimmel über Dir und bist zufrieden, wenn auf diese schnellen glänzenden Sonnenflocken ein jäher Tod deinem Leben ein Ende macht. Und verdient das Leben denn auch Ernst und Sorge? Ich kann mir denken, wie alte prächtige Könige aus grauer Vorzeit müde und überdrüssig in ihr Grab gingen, ja daß sie ganze Pyramiden darauf wälzen ließen, um sich die Rückkehr in das Leben, das sie verachteten, zu verbauen. Wie machtlos brach sich denn das nichtige Geräusch drauf folgender Jahrhunderte an den gigantischen Mauern, worunter die alten Übelgelaunten schliefen.« – Robert ergötzte sich СКАЧАТЬ