Alexander von Ungern-Sternberg: Historische Romane, Seesagen, Märchen & Biografien. Alexander von Ungern-Sternberg
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Читать онлайн книгу Alexander von Ungern-Sternberg: Historische Romane, Seesagen, Märchen & Biografien - Alexander von Ungern-Sternberg страница 12

СКАЧАТЬ Träne rollt, dieser schöne Busen, in dem ein Herz schlägt, das im bittern Schmerze mit sich selbst und seiner Fülle im Kampfe ist! Das vornehme und glänzend erzogene Mädchen irrt barfuß im Walde herum, ihr seidnes Haar, früher mir köstlichen Salben getränkt, flattert dem Winde preisgegeben, sie leidet vielleicht Hunger!« Gotthold: »Wie sinnlich ist dieses Mitleid; ihr Hunger, ihre verlassene Lage bewegt nicht mein Herz, aber wohl fühle ich innige Rührung um sie, da sie in Schwelgerei und Vollgenuß schwer an den ewigen Schätzen darbte, ihr Inneres so traurig verwahrlost ward.« – Eduard brachte das Gespräch wieder auf die Schönheit zurück. »So ist es ausgemacht,« sagte der Fürst, »daß im Altertum die Quelle künstlerischer Schöpfung die Natur in ihrer sich selbst genügenden Fülle war, indes sie bei uns in der Offenbarung besteht.« Gotthold: »Ein vielsinniges, oft mißverstandenes Wort!« Der Fürst: »Wollen wir dafür setzen: Traum, Eingebung, Abstraktion, kurz, ein geistiges Prinzip, das, wenn der Künstler seine Aufgabe recht bedenkt, eigentlich dem Meißel wie dem Pinsel ganz entschlüpft.« Der Graf: »Durchaus; denn wo Körper ist, ist Sünde, und die Abzeichen einer gefallenen Natur dürfen wir dem Gotte nicht zusprechen; die Begriffe von Schönheit sind alle viel zu sinnlich, um da Stand zu halten, wo das Übersinnliche eintritt. Blut, Leben, Leib, Sünde, hat immerdar den Körper der Poesie ausgemacht. – Mit einer Berechnung läßt sich nichts anfangen, das Symbol ist nur Zahl, der abstrakte Begriff ein Fazit, das ein geschickter logischer Rechenschüler seinem Meister nachrechnet; die Gestalt aber ist ein vom Himmel gefallener Funke, zündend, gewaltig, geheimnisvoll, wie der verschleierte Gott selbst, aller menschlichen Forschung verborgen, die Schöpfung eines lebenden Nervs, das Ergebnis des bewegten Bluts! Träumer, Schwärmer, Fanatiker haben eine Kirche, Philosophen keine; ein wahrer Künstler gehört aber immer mehr zu den erstern, zu den letztern nie.« Er wandte sich und ging, und Gotthold sagte: »Auch ein trauriger Irrtum, dem unsere Zeit sich zuwendet.« Der Fürst: »Der Graf hat Recht; ich sehe den Verfall der Kunst in ihrer Vergeistigung.« Gotthold erwiderte: »Freilich sollen wir den Geist wiederum erlösen, den die Alten in Bande, wenn gleich in schöne, fesselten; auch wir müssen die Natur studieren, doch nicht sie allein, da sie zugleich mit dem Menschen eine gefallene und verderbte ist.« Ein leiser Hohn zuckte hier über die Lippen des Herzogs, er brach das Gespräch schnell ab und ging auf rein religiöse Gegenstände über; Gotthold sprach warm und kräftig, und Eduard bemerkte, wie ein aufdämmerndes, ernstes Nachdenken die Stirn des Herzogs umschattete. Erst spät trennte man sich. –

      Robert hatte vom Fürsten die Erlaubnis erhalten, Eduarden der Prinzessin Braut vorzustellen. Sie fanden Massiello dort und die Fürstin war eben mit diesem in einem Gespräch über altitalienische Musik begriffen; Eduard betrachtete sie mit neugierigen Blicken – sie war nicht schön, auch nicht mehr jung, doch in ihren Augen lag eine unbeschreibliche Klarheit und Güte, ihre Haltung war gezwungen, ihr Anzug kostbar, aber ohne Geschmack. Neben ihr im Sessel lag, wie eine träumende, trunkene Bacchantin, Gräfin Eva, wie gewöhnlich in schwarzer Seide gehüllt, mit dem großen katholischen Kreuze auf der Brust. Sie blickte nicht auf, sie hob nicht den träumenden Lockenkopf und doch zeigte ein feines Lächeln um ihren Mund, daß sie alles sah und hörte. Der Fürstin zur Linken saß ein junges blasses Fräulein mit einer ziemlich starken Nase, neben dieser, tief im Schatten, eine Gestalt, die mehr der Nacht als dem Tage anzugehören schien – unbeweglich starr, nicht mit einer Silbe sich ins Gespräch mischend; ein Schleier deckte ihr Antlitz, unter dem weit verhüllenden Gewande sahen nur zwei kleine niedliche Füße hervor. Als der Herzog sich zu ihr setzte, wandte sich der schwarze verschleierte Kopf langsam zu ihm um und schien einige sibyllinische Weissagungen zu murmeln, so ernst und schroff wurden die Züge des Fürsten ihr gegenüber.

      Im Herausgehen trafen beide junge Männer auf der Treppe mit Massiello zusammen. »Nun, wie gefällt Euch, ihr Genialen, das fürstliche Mädchen,« fragte er mit mezza voce; »nicht wahr, so etwas kirchenverbesserliches, augsburgisch-konfessionsartiges, protestierend und refüsierend, ein Eis von Tugend und Zeremonie, das einen gesunden Magen bis zum Tode erkälten kann, und neben ihr das Büchlein voll buhlerischer Lieder, welches ein Schalk, des Kontrastes wegen, in schwarz Maroquin mit Goldschnitt gleich einem Gesangbuch hat binden lassen, mit einer frommen Titelvignette.« »Wer war das junge Mädchen und ihre verschleierte Nachbarin?« fragte Eduard. »Die Schwarze,« entgegnete Massiello, »ist eine vagabundierende Hoffrau – beide Damen sind vom prophetischen Geiste durchdrungen, und die Großnasige gehört zu den Gescheuten, die nie ›der Alkoran‹ sagt, sondern ›der Koran,‹ weil sie genugsam weiß, das Al nichts geringeres ist, als der arabische Artikel; sie heißt Magdalena.«

      Als Eduard auf seiner Stube angelangt war, erhielt er ein Briefchen von Jokondens Hand, das ihn einlud, heute Abend zu ihr zu kommen ins Fischerhäuschen, der Fürst wünsche es. Zugleich kam ein bloßes Papierchen angeflogen mit leisen Bleistiftzügen: »Komm heute Abend zu mir – zu uns – mein Eduard! ich bin krank und Du kannst trösten deine Emilie; komm bei unsrer Liebe gewiß.« Eduard schob in quälender Ungewißheit seinen letzten Entschluß auf die letzte Minute, doch als diese schlug, war er am Fischerhäuschen, und beschwichtigte sein Herz mit dem Versprechen, nach ein paar Minuten sogleich zum Maler hinüber zu fliegen.

      Von einer einsamen Lampe beleuchtet, in die Ecke des Sofas gedrückt, saß – Gräfin Eva.

      Mitternacht war vorüber, als Eduard über die dunkle Gasse zu seinem Hause zurück schlich. In Emiliens Wohnung war ein Fenster erhellt, der Vorhang war herabgelassen und dunkle Schatten glitten drüber hin. In dem Augenblick rief eine Stimme: »Jesus Maria – so sind Sie da! – und wie hab' ich Sie gesucht!« Gottholds Diener stand vor Eduarden, doch dieser hatte sein Haupt in den Mantel gehüllt, lehnte an dem eisernen Geländer der Treppe und gab kein Laut zur Antwort. »Was fehlt Euch, Herr!« rief der Erschreckte; »Ihr seid ja taub und stumm, und Eure Hand, Gott, wie kalt! so kommt doch herauf, das Fräulein wird sich sogleich erholen wenn, sie Euch wieder sieht; sie hat lange, lange auf Euch gewartet.« Er lief in Eile die Treppe hinauf, als er mit dem alten Gotthold zurückkehrte, war Eduard verschwunden, der schneidend kalte Nachtwind blies die Lichter aus, und ein dichtes Schneegestöber trieb vom Himmel herab.

      Diese Nacht hatten die Freunde bestimmt, um die wunderlichen Gebote des alten Fleackwouth zu erfüllen. Er war nämlich an den Folgen seiner Verwundung wirklich gestorben und Robert hatte erklärt, er wolle durch nichts von seiner Pflicht, den Alten an den Galgen zu schaffen, sich entbinden lassen. Massiello hatte der Polizei im Stillen Kenntnis von dem Vorhaben gegeben, und da außer ihr Niemand als die Freunde um die wunderliche Feierlichkeit wußten, so war, als der Zug sich ordnete, die ganze Nachbarschaft im tiefsten Schlafe begraben, und Niemand sah es, wie sie im Schneegestöber und in der Nacht mit einer einzigen trüben Fackel hinauszogen. Als man mit der Leiche noch beschäftigt war, trat Eduard hinein, und Robert sah seinen leuchtenden Augen, seinen erhitzten Wangen an, von wo er kam. Er trat stürmisch auf ihn zu, drückte ihn an seine Brust und rief: »Du Seliger, wie beneide ich Dich um diesen göttlichen Kontrast; eben den Becher der Lust von den Lippen gesetzt, und nun jener strengen, kalten Weltgerichts-Larve dort gegenüber. Ein bluterhitzter Frühlingsleib und hier ein schon verstäubender! Wahrlich, schnell muß die Traube deines Dichter-Genius sich zeitigen, wenn solche Sonnen sie bescheinen, solche schwüle Blitze sie umspielen.« »Wahnsinniger,« rief Eduard, »so kannst Du bei allem diesem nichts denken, als wie ein Verslein daraus entstehen mag? Dort Treubruch, hier Selbstmord und Du –« Robert lachte laut auf: »So alteriere Dich doch nicht, schöner Bube, das ist ja eben der haut-goût des Lebens, so ein zerschossener Schädel ist das delikateste Wildbret für einen Poetenmagen. So lerne doch einmal den Humor verstehen, der da witzelt, wo er ohnmächtig zusammen brechen möchte vor ungeheurem Schmerz! O göttlich, wo der Blitz des Genies so riesenkräftig alle elende Verhecke der alten Mutter Tugend und Moral zusammensplittert. Ich denke mir nichts Süßeres, als einmal mit einem humoristischen Knalleffekt, unsterblich wie nur irgend ein großer Geist, in den Himmel einzugehen, nämlich auf die Weise, daß ich, während die Pistole in meiner rechten Hand zum Selbstmorde bereit ruht, zu meinem Kammerdiener süß lächelnd spreche: o sein Sie so gut, teurer Dienender, und halten Sie mir gefälligst beide Ohren zu, damit ich nicht zu sehr erschrecke bei dem vielleicht etwas zu lauten Knall.« – Am Ausgang fühlte sich Eduard von zwei stürmischen Armen umschlossen, es war Massiello. »Sie kommen doch, СКАЧАТЬ