Alexander von Ungern-Sternberg: Historische Romane, Seesagen, Märchen & Biografien. Alexander von Ungern-Sternberg
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Читать онлайн книгу Alexander von Ungern-Sternberg: Historische Romane, Seesagen, Märchen & Biografien - Alexander von Ungern-Sternberg страница 11

СКАЧАТЬ Nächte auf dem Lager zu; ach! es stieß dicht an Lucias Bette, nur durch eine Wand geschieden. Ich schrieb Briefe, schenkte Heiligenbilder und gab Matteo mündliche Aufträge, die er richtig besorgte; Lucia nahm nichts, beantwortete nichts, sie tat, als wenn ich nicht auf der Welt wäre. Ich durchlief alle Künste der wagenden Liebespolitik, ich erprobte sie alle, und sah jeden Pfeil abgleiten, machtlos zu Boden sinken. Wahrlich, Lucia ist kein Mädchen, hinter diesen braungelben Wangen fließt kein Blut! sie ist dem Belvedere entsprungen, ein kalter, griechischer, marmorner Traum, eine lebendig gewordene Demeter, die ihre herbe Keuschheit unter den üppigen Leib einer achtzehnjährigen Albaneserin verbirgt. – Auf seiner Wanderung ins Gebirgskloster von St. Geovanni pflegte ein korpulenter Barfüßler mich zu besuchen, ein Falstaf unter den Mönchen, eine Figur voll Wunderlaune und behaglicher Unwissenheit. An seinem stämmigen roten Halse hing ein grotesker Rosenkranz und an diesem zahllose Bündelchen, Abbildungen heiliger Leute und ihrer Geschichten. Fra Bartholo handelte mit diesen und hatte mir mit heiserer, erstickter Stimme alle jene schaurigen Legenden erzählt, welche Lucia aus meinem Munde wieder erfuhr. Jetzt kam er, ließ sich keuchend nieder und auf seine Fragen mußte ich ihm nun begreiflich machen, daß ich verliebt sei. Er sah mich an, zog ein sehr ernstes Gesicht, brachte die Augenbraunen dem struppigen Haarkranze fast nahe, schlüpfte mit dem Kinn in die Kutte hinein, hob sich dann langsam und gravitätisch, so weit es der rote dicke Hals erlaubte, und sagte – nichts. Wir saßen lange Zeit stumm bei einander und tranken eine Flasche Orvieto leer, dann ging er ins Gebirge, indem er versprach, nach zwei Tagen wieder zu kommen, um mir seinen Rath zu erteilen. Er kam auch wirklich und sein Rath war eben so neu als seltsam. Don Roberto, sagte er, geht auf euer Lager, stellt euch an, als wäret ihr krank; lasset der Lucia sagen, die heilige Theresia sei euch im Traume erschienen und habe euch angedeutet, daß euer Tod nahe sei, wenn ihr nicht drei Oliven auf einer Schale von der Hand der Signora Lucia erhieltet. Bruder Bartholo, rief ich, ihr habt die Absicht, ein lustiger Vogel zu werden; so sagt denn, wozu sollen mir die drei Oliven nützen? Bartholo lächelte in den Bart: Die nicht, rief er, die nützen dir nichts, Söhnchen, sie sind nur da, um Lucien zu bewegen, dich zu sehen! Bedenke nun aber, welchen Eindruck das auf ihr Herz machen wird, wenn sie dich, den sie bis jetzt stark und vielleicht nur zu übermütig gesehen hat, nun schwach und ihrer Hülfe bedürftig erblickt; o, Bruder Bartholo kennt auch das Herz der Weiber. Er suchte jetzt in seinem Bettelsack und zog ein Büchelchen hervor, das er aufschlug und mir hinhielt. Es war das alte Testament und die bezeichnete Stelle beschrieb die List, die Amnon, der Sohn Davids, ausübte, um seine Stiefschwester Thamar zu gewinnen. Ich umarmte meinen dicken Freund; nicht wahr, rief er mit schalkhaft blinzelnden Augen zu mir hinauf, nicht wahr, Söhnchen, du bist eben so schön und listig als Amnon, und Lucia ist ein Mädchen wie Thamar? Er holte drei Feigen hervor und sagte: soviel Dublonen gibst du deinem guten Bruder, wenn er wahr geredet. Er ging und ich brachte eine unruhige Nacht zu, in der ich die heilige Theresia zu erblicken glaubte, wie sie ihre Hand auf meine heiße Stirne legte, so daß augenblicklich ein böses Fieber in mir aufkochte. Ich sah mich im Geiste todkrank auf dem Lager, die Türe öffnete sich und Lucia schwankte hinein; die Sonne brannte hinter den niedergelassenen Vorhängen, eine dumpfe, heiße, sehnsüchtig süße Stille herrschte im Gemach. Das erschreckte Mädchen zitterte vor der Glut, die meine halbgeöffneten fieberheißen Lippen atmeten, ihr Blick, schamhaft gesenkt, verirrte sich auf eine entblößte Schulter, die ein warmer Pulsschlag mit einem erhitzten durchsichtigen Roth färbte; kaum vermag es ihre Hand, mir die Oliven zu reichen, ihr Arm bebt, ich komme ihr zu Hülfe und meine Berührung jagt die wahnsinnige Glut des Fiebers auch in ihre Adern. Sie sieht mir ins Auge und die rührendste Bitte klagt in dem halbgebrochenen Strahl, es ist die Seele selbst, die für den armen, in ungeheurem Verlangen dahinsterbenden Körper fleht. Ist es möglich, da zu widerstehen? wer kann dies süße Auge, diese weichen Lippen erkalten sehen zum Tode, da ein Kuß sie retten kann, ein einziger Kuß! Sie beugt sich nieder, Lippe auf Lippe wurzelt fest, ein Busen, in dem die Glut des Ätna kocht, pocht an dem ihrigen! – Arme Lucia!

      Den Morgen darauf lag ich wirklich im Fieber. Eine Nacht voll Sinnlichkeit und trunkener Träume hatte mich zum Katholiken gemacht; ein wilder phantastischer Himmel brannte in meinem Gehirn, ich glaubte an jedes Wunder, Lucia war mir eine Heilige, von ihren Lippen erwartete ich Genesung. Durch Matteo erfuhr sie meinen angeblichen Traum und das andächtige Mädchen glaubte an ihn und versprach zu kommen. Sie kam.« –

      Robert blickte mit einem dunkeln, bedeutsamen Blicke hinauf. »Meine Erzählung ist aus,« rief er dann kurz und schnell. »Ja wohl,« sagte der Abt mit Lächeln, »nur die drei Dublonen fehlen, die Fra Bartholo bekam.« – »Dergleichen Geschichten,« sagte Massiello, »will ich mir einmal nur von meinem Freunde Boccaz vorerzählen lassen; in ihm allein herrscht eine gesunde Sinnlichkeit, überall anderswo mischt sich was krankhaftes bei.« Beide Mädchen sahen schweigend und verstimmt vor sich hin. In Eduards Seele war ein Funke jenes Feuers gefallen, das von Roberts Lippen gesprüht, seine Blicke suchten Romeo, langsam glitten sie herab und blieben an dem Goldnetz der Husarenjacke hängen. Massiello lockte den Abt aus Piano, beide stürzten sich in eine dunkle sinnliche Tonflut, aus welcher nur hier und da einzelne Spotttöne, wie nackende badende Knabenköpfe, auftauchten. Robert war ganz Muthwille, er schlürfte aus dem Becher an der Stelle, wo Romeos Lippen den Rand berührt, er flocht Jokondens Goldlocke mit Romeos schwarzem Haar zusammen, und sprach über beide einen wunderlichen Segen aus. Als sich die Gräfin dem schönen Engländer zuneigte, fühlte sie ihren Fuß umklammert; es war Enzio, der unter dem Tisch auf seinen Knien lag und die heiße Wange an den Schuh drückte, so daß seine glühenden Tränen den Strumpf durchdrangen und auf dem kleinen Fuß brannten. »Was ist Dir,« rief Romeo und zuckte mit dem Fuß, »steh auf, wunderlicher Knabe, was soll das, wozu das?« Er erhob sich und indem er fortschlich, trocknete er sich mit den langen seidnen Locken die Augen.

      Der Wagen der Gräfin fuhr vor, Massiello trieb zum Fortgehen und die Gesellschaft zerstreute sich. –

      Eduard, Gotthold und der Fürst führten ein Gespräch über die Schönheit in der Kunst. Massiello hatte Abgüsse von den Bildsäulen der Apostel von Bernini gesehen, und in seiner Weise kurz geäußert, sie seien ihm zu vornehm. Der Fürst griff diesen Tadel begierig auf und brachte ihn zum Diskurs. »Und ist er nicht vollkommen gegründet?« fragte er lebhaft, »kann wohl ein gerechterer Vorwurf dem Maler oder Bildner gemacht werden, der uns jene armen, verkannten und mißhandelten Männer, die nichts anderes waren als Bettler, Taglöhner oder Fischer, als schöne prächtige Leute, gleichsam als irdische Fürsten hinstellt?« Der Graf trat hinzu und sagte: »Freilich, das ist christlich gesprochen, der alte Adam, der uns in den Nacken schlägt.« »Und doch wie natürlich,« rief der Fürst, »was der Mensch liebt, verehrt, das stellt er so hoch, wie er es vermag, dem wirft er den Purpurmantel um, er legt ihm gleichsam die süßesten Schmeicheleien in Ton und Farbe zu Füßen, und liebkost ihm mit den zärtlichsten, schönsten Lauten seiner Sprache; liegt darin eine Verwirrung?« »Doch wohl,« nahm Gotthold das Wort, »denn der Mensch zieht, obwohl unbewußt, das Hohe herab und stellt sein Ich in kecker Vertraulichkeit nebenan. Hier scheidet sich Heidentum vom Christentum, oder noch strenger, Protestantismus und Katholizismus.« Der Fürst: »Wir Protestanten sollten also eigentlich gar keine Bilder vom Höchsten haben?« Gotthold: »Eigentlich nicht, denn wir sollen ihn anbeten im Geist und in der Wahrheit.« Der Fürst: »Das verstehe ich nicht; heißt das nicht eben so viel als: der unendliche, prachtvolle Himmel mit seinen zahllosen Sternen breitet sich vor uns aus, der menschliche Geist erschrickt vor der Größe, um sie zu fassen, um den Himmel menschlich zu umgrenzen, faßt er die Sterne in einzelne Bilder zusammen; nun weiß er sich zu finden, jetzt hat er gleichsam den Himmel gewonnen, da kommt eine Hand und raubt ihm die Bilder, und läßt ihm den bilderlosen, unverständlichen Himmel und gebietet ihm, an den fernen, zu fernen Stern zu glauben.« Gotthold: »Nicht unrichtig, das Licht des Sternes ist das Symbol des Unauffaßbaren, Unbegreiflichen.« Der Fürst: »Wie kalt, wie streng!« Gotthold: »Doch soll die Malerei es immer wagen, in Demut und Selbsterkenntnis nach einem sichtbaren Bilde des Ewigen zu streben, da er auftrat in sichtbarer Gestalt unter uns. Hemling, Schoreel, Van Eyck, auch Dürer sind Christusmaler, und Bilder, wie sie sie gemalt, befahl Luther in unsern Kirchen Aufzuhängen.« Der Graf und der Fürst drehten sich unwillig weg, und Gotthold sagte eifriger: »Auch wir haben eine Schönheit, doch sie ist nicht jene falsche, gleisnerische, die Kupplerin des Lasters, die Schmeichlerin der Welt, sondern СКАЧАТЬ