Название: Hans Fallada – Gesammelte Werke
Автор: Hans Fallada
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962813598
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»Nein! Nein! Nie!«
Aber natürlich erfuhr es der Kommissar Laub, und es dauerte nicht mal eine Stunde.
53. Die betrübten Hergesells
Hergesells machten ihren ersten Spaziergang nach Trudels Fehlgeburt. Sie gingen die Straße nach Grünheide hinaus, bogen dann aber links in den Frankenweg ein und wanderten am Ufer des Flakensees auf Woltersdorfer Schleuse zu.
Sie gingen sehr langsam, ab und zu warf Karl einen raschen Blick auf Trudel, die mit gesenktem Blick neben ihm ging.
»Es ist schön im Walde«, sagte er.
»Ja, es ist schön«, antwortete sie.
Ein wenig später rief er: »Sieh dort die Schwäne auf dem See!«
»Ja«, antwortete sie. »Schwäne …« Und nichts mehr.
»Trudel«, sagte er besorgt, »warum sprichst du nicht? Warum freut dich nichts mehr?«
»Ich muss immer an mein totes Kind denken«, flüsterte sie.
»Ach, Trudel«, sagte er. »Wir werden noch viele Kinder haben!«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich werde nie mehr ein Kind haben.«
Er fragte ängstlich: »Hat der Doktor dir das gesagt?«
»Nein, nicht der Doktor. Aber ich fühle es.«
»Nein«, sagte er. »So darfst du nicht denken, Trudel. Wir sind doch jung, wir können noch so viele Kinder haben.«
Wieder schüttelte sie den Kopf. »Ich denke manchmal, das jetzt war meine Strafe.«
»Eine Strafe! Wofür denn, Trudel? Was haben wir denn verbrochen, dass wir so gestraft werden? Nein, es war ein Zufall, bloß ein blinder, gemeiner Zufall!«
»Es war kein Zufall, es war eine Strafe«, sagte sie hartnäckig. »Wir sollen kein Kind haben. Ich muss immer daran denken, was aus dem Klaus geworden wäre, wenn er älter geworden wäre. Jungvolk und HJ, SA oder SS …«
»Aber, Trudel!«, rief er, ganz verblüfft von den schwarzen Gedanken, mit denen seine Frau sich plagte, »wenn der Klaus größer geworden wäre, dann wäre es ja längst mit der ganzen Hitlerei vorbei gewesen. Die dauert nicht mehr lange, verlass dich drauf!«
»Ja«, sagte sie, »und was haben wir dazu getan, dass die Zukunft besser wird? Gar nichts! Schlimmer als nichts: wir haben die gute Sache verlassen. Ich muss jetzt so viel an Grigoleit und den Säugling denken … deswegen sind wir bestraft …«
»Ach, dieser elende Grigoleit!«, sagte er ärgerlich.
Er hatte einen schweren Zorn auf Grigoleit, der immer noch nicht seinen Koffer geholt hatte.
Schon ein paarmal hatte Hergesell den Einlieferungsschein erneuern müssen.
»Ich denke«, sagte er, »der Grigoleit sitzt längst. Man hätte sonst wohl wieder etwas von ihm gehört.«
»Wenn er sitzt«, beharrte sie, »sind wir mit daran schuld. Wir haben ihn im Stich gelassen.«
»Trudel!«, rief er ärgerlich. »Ich verbiete dir, solch einen Unsinn auch nur zu denken! Wir haben nicht das Zeug zu Verschwörern. Für uns war es das einzig Richtige, damit aufzuhören.«
»Ja«, sagte sie bitter, »aber wir haben das Zeug zu Drückebergern, zu Feiglingen! Du sagst, der Klaus hätte nicht mehr in die HJ gemusst. Aber wenn er es nicht gemusst hätte, wenn er seine Eltern hätte achten und lieben dürfen – was haben wir dazu getan? Was haben wir für eine bessere Zukunft getan? Nichts!«
»Es können nicht alle Verschwörer spielen, Trudel!«
»Nein. Aber man hätte anderes tun können. Wenn sogar ein Mann wie mein früherer Schwiegervater, der Otto Quangel …« Sie brach ab.
»Nun, was ist mit dem Quangel? Was weißt du von ihm?«
»Nein, ich sage dir das lieber nicht. Ich habe es ihm auch versprochen. Aber wenn sogar ein alter Mann wie der Otto Quangel gegen diesen Staat arbeitet, so finde ich es schmählich, dass wir die Hände in den Schoß legen!«
»Aber was können wir denn tun, Trudel? Nichts! Denk an alle Macht, die der Hitler hat, und wir beide sind reine gar nichts! Nichts können wir tun!«
»Wenn alle so dächten wie du, würde Hitler ewig die Macht behalten. Einer muss gegen ihn zu kämpfen anfangen.«
»Aber was können wir tun?«
»Was? Alles! Wir könnten Aufrufe schreiben und an die Bäume hängen! Du arbeitest in der chemischen Fabrik, kommst als Elektriker in jeden Werkraum. Du brauchst nur einen Hahn anders zu stellen, die Schraube an einer Maschine zu lockern, und das Ergebnis von vielen Tagewerken ist kaputt. Wenn du so was tust, und noch ein paar hundert andere, der Hitler würde sich schön umsehen, wo sein Kriegsmaterial bleibt.«
»Ja, und nach dem zweiten Mal schon hätten sie mich beim Schlips, und ab mit mir zur Hinrichtung!«
»Das ist es ja, was ich immer sage: wir sind feige. Wir denken nur an das, was mit uns geschehen wird, nie an das, was den anderen geschieht. Sieh mal, Karli, du bist von der Wehrmacht freigestellt. Aber wenn du Soldat sein müsstest, wärest du ja auch jeden Tag in Lebensgefahr und fändest es sogar selbstverständlich.«
»Ach, bei den Preußen würde ich auch schon einen Druckposten kriegen!«
»Und würdest andere für dich sterben lassen! Alles, wie ich es sage. Feige sind wir, zu nichts taugen wir!«
»Diese verdammte Treppe!«, brach er los. »Wenn das mit deiner Fehlgeburt nicht gekommen wäre, wir hätten so glücklich weitergelebt!«
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