Название: Hans Fallada – Gesammelte Werke
Автор: Hans Fallada
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962813598
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Er ging eine Weile in finsterem Schweigen neben ihr. Sie waren jetzt auf dem Rückweg, aber sie sahen weder See noch Wald.
Schließlich fragte er: »Du meinst also wirklich, wir sollten so etwas anfangen? Ich soll in der Fabrik etwas aufstellen?«
»Gewiss«, sagte sie. »Wir müssen etwas tun, Karli, damit wir uns nicht so sehr schämen müssen.«
Er überlegte eine Weile, dann sagte er: »Ich kann mir nicht helfen, Trudel, wenn ich mir das so vorstelle, wie ich in der Fabrik herumschleiche und Maschinen verderbe, es passt nicht zu mir.«
»So überlege dir, was zu dir passt! Es wird dir schon einfallen. Es muss ja nicht gleich sein.«
»Und hast du dir schon überlegt, was du tun willst?«
»Ja«, sagte sie. »Ich weiß eine Jüdin, die sich versteckt hält. Sie hat schon abtransportiert werden sollen. Aber sie ist bei schlechten Leuten und fürchtet jeden Tag Verrat. Die werde ich zu uns nehmen.«
»Nein!«, sagte er. »Nein. Das tu nicht, Trudel! So belauert, wie wir sind, kommt es sofort raus. Und dann denk an die Lebensmittelkarten! Die hat doch bestimmt keine! Wir können doch nicht noch einen Menschen von unseren beiden Karten ernähren!«
»Können wir das nicht? Können wir wirklich nicht ein bisschen hungern, wenn dadurch ein Mensch vom Tode errettet wird? Ach, Karli, wenn das so ist, dann hat es der Hitler wirklich leicht. Dann sind wir alle bloß Dreck, und es geschieht uns ganz recht!«
»Aber man wird sie bei uns sehen! In unserer kleinen Wohnung lässt sich niemand verstecken. Nein, das erlaube ich nicht!«
»Ich glaube nicht, Karli, dass du mir was zu erlauben hast. Es ist ebenso meine wie deine Wohnung.«
Sie gerieten in einen lebhaften Streit darüber, in den ersten wirklichen Streit ihrer Ehe. Sie sagte, sie würde die Frau, während er auf Arbeit wäre, einfach ins Haus bringen, und er verkündete, er würde sie auf der Stelle rausschmeißen.
»Dann schmeiß mich nur gleich mit raus!«
So weit gingen sie. Beide waren zornig, gereizt, böse. Sie legten die Sache nicht bei, hier gab es keinen Kompromiss. Sie wollte durchaus etwas tun, gegen den Hitler, gegen den Krieg. Prinzipiell wollte er auch etwas tun, aber es durfte kein Risiko dabei sein, nicht das geringste bisschen Gefahr wollte er laufen. Das mit der Jüdin war einfach Wahnsinn. Nie würde er es erlauben!
Sie gingen schweigend durch die Straßen Erkners nach Hause. Sie schwiegen so intensiv, dass es immer schwerer schien, dies Schweigen noch zu brechen. Sie hatten sich nicht mehr untergefasst, ohne Berührung gingen sie nebeneinander. Als sich einmal zufällig die Hände streiften, zog jedes eilig die eigene zurück, und sie vergrößerten den Abstand voneinander.
Sie achteten nicht darauf, dass vor ihrer Tür ein großes, geschlossenes Auto hielt. Sie stiegen die Treppe hinauf und merkten nicht, dass sie aus jeder Tür neugierig oder ängstlich angesehen wurden. Karl Hergesell schloss die Wohnungstür auf und ließ die Trudel vor sich her eintreten. Noch auf dem Flur merkten sie nichts. Erst als sie in der Stube den kleinen, untersetzten Mann in einer grünen Joppe sahen, schreckten sie zusammen.
»Nanu?«, sagte Hergesell empört. »Was machen Sie denn hier in meiner Wohnung?«
»Kriminalkommissar Laub von der Gestapo, Berlin«, stellte sich der Mann in der grünen Joppe vor. Er hatte das Jägerhütchen mit dem Rasierpinsel darauf auch in der Stube auf dem Kopf.
»Herr Hergesell, nicht wahr? Frau Gertrud Hergesell, geborene Baumann, genannt Trudel? Schön! Ich hätte gern einmal ein paar Worte mit Ihrer Frau gesprochen, Herr Hergesell. Vielleicht warten Sie solange in der Küche?«
Sie sahen einander angstvoll in die blass gewordenen Gesichter. Dann lächelte Trudel plötzlich. »Also auf Wiedersehen, Karli!«, sagte sie und umschlang ihn. »Auf ein gutes Wiedersehen! Wie dumm es war, uns zu streiten! Es kommt doch immer anders, als man denkt!«
Der Kommissar Laub räusperte sich mahnend. Sie küssten sich. Hergesell ging.
»Sie haben von Ihrem Mann eben Abschied genommen, Frau Hergesell?«
»Ich habe mich mit ihm versöhnt, wir hatten einen Streit miteinander.«
»Worüber hatten sie denn gestritten?«
»Über den Besuch einer Tante von mir. Er war dagegen, ich dafür.«
»Und mein Anblick hat Sie dazu bestimmt, nachzugeben? Merkwürdig, sehr sauber scheint Ihr Gewissen nicht zu sein. Augenblick mal! Sie bleiben hier!«
Sie hörte ihn in der Küche mit Karli reden. Wahrscheinlich würde Karli eine andere Ursache des Streites angeben, diese Sache lief vom ersten Anfang an falsch. Sie hatte sofort an Quangel gedacht. Aber eigentlich sah es Quangel wenig ähnlich, einen Menschen zu verraten …
Der Kommissar kam zurück. Er sagte, sich zufrieden die Hände reibend: »Ihr Mann erklärt, Sie hätten sich darüber gestritten, ob Sie ein Kind adoptieren wollten oder nicht. Das ist die erste Lüge, bei der ich Sie ertappt habe. Keine Angst, in einer halben Stunde werden eine Masse Lügen von Ihnen dazugekommen sein, und bei allen werde ich Sie ertappen! Sie haben eine Fehlgeburt gehabt?«
»Ja.«
»Ein bisschen nachgeholfen, was? Damit der Führer keine Soldaten mehr kriegt, wie?«
»Jetzt haben aber Sie gelogen! Wenn ich so was gewollt hätte, hätte ich wohl kaum bis zum fünften Monat gewartet!«
Ein Mann kam herein, einen Zettel in der Hand.
»Herr Kommissar, den hat Herr Hergesell eben in der Küche verbrennen wollen.«
»Was ist das? Ein Hinterlegungsschein? Frau Hergesell, was ist das für ein Koffer, den Ihr Mann auf dem Bahnhof Alexanderplatz hinterlegt hat?«
»Ein Koffer? Ich habe keine Ahnung, mir hat mein Mann nie ein Wort davon gesagt.«
»Holen Sie den Hergesell rein! Ein Mann soll sofort mit dem Auto zum Alexanderplatz СКАЧАТЬ