Hans Fallada – Gesammelte Werke. Hans Fallada
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Название: Hans Fallada – Gesammelte Werke

Автор: Hans Fallada

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962813598

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СКАЧАТЬ der Kom­missar konn­te sa­gen, was er woll­te, Quan­gel blieb bei sei­nen Lü­gen. Esche­rich hat­te eben doch einen Feh­ler be­gan­gen, den der scharf­sin­ni­ge Quan­gel so­fort be­merkt hat­te. So weit war Esche­rich eben doch durch das schwer­fäl­li­ge We­sen Quan­gels und durch die Mit­tei­lun­gen sei­ner Vor­ge­setz­ten über ihn be­ein­druckt, dass er Quan­gel nicht für den Ver­fas­ser der Kar­ten hielt. Er war nur der Schrei­ber, die Frau hat­te sie dik­tiert …

      Dass er das aber wie­der­hol­te, be­wies Quan­gel, dass Anna nichts ge­stan­den hat­te. Das hat­te die­ser Bru­der sich nur aus­ge­dacht.

      Er leug­ne­te im­mer wei­ter.

      Schließ­lich brach Kom­missar Esche­rich das er­folg­lo­se Ver­hör in der Woh­nung ab und fuhr mit Quan­gel in die Prinz-Al­brecht-Stra­ße. Er hoff­te jetzt, dass die an­de­re Um­ge­bung, der Auf­marsch der SS-Män­ner, die­ser gan­ze dro­hen­de Ap­pa­rat den ein­fa­chen Mann ein­schüch­tern, ihn sei­ner Über­re­dung zu­gäng­li­cher ma­chen wür­de.

      Sie wa­ren im Zim­mer des Kom­missars, und Esche­rich führ­te Quan­gel vor den Stadt­plan von Ber­lin mit sei­nen ro­ten Fähn­chen.

      »Se­hen Sie das mal an, Herr Quan­gel«, sag­te er. »Je­des Fähn­chen be­deu­tet eine auf­ge­fun­de­ne Kar­te. Es steckt ge­nau an der Stel­le, wo sie ge­fun­den wur­de. Und wenn Sie sich nun ein­mal die­se Stel­len an­se­hen«, er tipp­te mit dem Fin­ger, »da se­hen Sie rings­her­um Fähn­chen über Fähn­chen, aber hier gar kei­ne. Das ist näm­lich die Ja­blons­ki­stra­ße, in der Sie woh­nen. Da ha­ben Sie na­tür­lich kei­ne Kar­ten ab­ge­legt, da sind Sie zu be­kannt …«

      Aber Esche­rich sah, dass Quan­gel gar nicht hin­hör­te. Eine selt­sa­me, un­ver­ständ­li­che Er­re­gung war über den Mann ge­kom­men beim An­blick des Stadt­pla­nes. Sein Blick fla­cker­te, sei­ne Hän­de zit­ter­ten. Fast schüch­tern frag­te er: »Das sind aber ’ne Men­ge Fähn­chen, wie vie­le mö­gen das wohl sein?«

      »Das kann ich Ih­nen ge­nau sa­gen«, ant­wor­te­te der Kom­missar, der jetzt be­grif­fen hat­te, was den Mann so er­schüt­ter­te. »Es sind 267 Fähn­chen, 259 Kar­ten und 8 Brie­fe. Und wie viel ha­ben Sie ge­schrie­ben, Quan­gel?«

      Der Mann schwieg, aber es war jetzt kein Schwei­gen des Trot­zes mehr, son­dern der Er­schüt­te­rung.

      »Und be­den­ken Sie noch ei­nes, Herr Quan­gel«, fuhr der Kom­missar, sei­nen Vor­teil wahr­neh­mend, fort, »alle die­se Brie­fe und Kar­ten sind frei­wil­lig bei uns ab­ge­lie­fert. Wir ha­ben kei­ne von uns aus ge­fun­den. Die Leu­te sind da­mit förm­lich ge­lau­fen ge­kom­men, als brenn­te es. Sie konn­ten sie nicht schnell ge­nug los­wer­den, die meis­ten ha­ben die Kar­ten nicht ein­mal ge­le­sen …«

      Noch im­mer schwieg Quan­gel, aber in sei­nem Ge­sicht zuck­te es. Es ar­bei­te­te ge­wal­tig in ihm; der Blick des star­ren, schar­fen Au­ges, jetzt fla­cker­te er, irr­te ab, senk­te sich zur Erde und hob sich wie­der wie ge­bannt zu den Fähn­chen.

      »Und noch ei­nes, Quan­gel: Ha­ben Sie je ein­mal dar­über nach­ge­dacht, wie viel Angst und Not Sie mit die­sen Kar­ten über die Men­schen ge­bracht ha­ben? Die Leu­te sind ja vor Angst ver­gan­gen, man­che sind ver­haf­tet wor­den, und von ei­nem weiß ich be­stimmt, dass er we­gen die­ser Kar­ten Selbst­mord ver­übt hat …«

      »Nein! Nein!«, schrie Quan­gel. »Das habe ich nie ge­wollt! Das habe ich nie ge­ahnt! Ich hab’s ge­wollt, dass es bes­ser wird, dass die Leu­te die Wahr­heit ken­nen­ler­nen, dass der Krieg schnel­ler zu Ende geht, dass dies Mor­den end­lich auf­hört – das habe ich ge­wollt! Aber ich habe doch nicht Angst und Schre­cken säen wol­len, ich hab’s doch nicht noch schlim­mer ma­chen wol­len! Die ar­men Men­schen – und ich habe sie noch är­mer ge­macht! Wer war’s denn, der Selbst­mord ver­übt hat?«

      »Ach, so ein klei­ner Nichts­tu­er, ein Renn­wet­ter, der ist nicht wich­tig, um den ma­chen Sie sich das Herz nicht schwer!«

      »Je­der ist wich­tig. Sein Blut wird von mir ge­for­dert wer­den.«

      »Se­hen Sie, Herr Quan­gel«, sag­te der Kom­missar zu dem düs­ter ne­ben ihm ste­hen­den Man­ne. »Nun ha­ben Sie es doch ge­stan­den, Ihr Ver­bre­chen, und ha­ben es nicht ein­mal ge­merkt!«

      »Mein Ver­bre­chen? Ich habe kein Ver­bre­chen be­gan­gen, we­nigs­tens nicht das, was Sie mei­nen. Mein Ver­bre­chen ist es, dass ich mich für zu schlau hielt, dass ich es al­lein ma­chen woll­te, und ich weiß doch, ei­ner ist nichts. Nein, ich habe nichts ge­tan, wes­we­gen ich mich schä­men muss, aber wie ich es ge­tan habe, das war falsch. Da­für ver­die­ne ich die Stra­fe, und dar­um st­er­be ich ger­ne …«

      »Nun, so schlimm wird’s ja nicht gleich wer­den«, be­merk­te der Kom­missar tröst­lich.

      Quan­gel hör­te nicht auf ihn. Vor sich hin sag­te er: »Ich hab nie rich­tig was von den Men­schen ge­hal­ten, sonst hät­te ich es wis­sen müs­sen.«

      Esche­rich frag­te: »Wis­sen Sie denn, Quan­gel, wie viel Brie­fe und Kar­ten Sie ei­gent­lich ge­schrie­ben ha­ben?«

      »276 Kar­ten, 9 Brie­fe.«

      »… so­dass gan­ze 18 Stück nicht ab­ge­lie­fert wor­den sind.«

      »18 Stück, das ist mei­ne Ar­beit von über zwei Jah­ren, das ist all mei­ne Hoff­nung. 18 Stück mit dem Le­ben be­zahlt, aber im­mer doch 18 Stück!«

      »Glau­ben Sie nur nicht, Quan­gel«, sag­te der Kom­missar, »dass die­se 18 Stück im­mer wei­ter­ge­ge­ben sind. Nein, die sind von Leu­ten ge­fun­den, die selbst so viel Dreck am Ste­cken hat­ten, dass sie die Kar­ten nicht ab­zu­ge­ben wag­ten. Auch die­se 18 sind ohne jede Wir­kung ge­blie­ben, wir ha­ben nie et­was aus dem Pub­li­kum von ih­rer Wir­kung ge­hört …«

      »So­dass ich nichts er­reicht habe?«

      »So­dass Sie nichts er­reicht ha­ben, we­nigs­tens nichts von dem, was Sie woll­ten! Sei­en Sie doch froh dar­über, Quan­gel, das wird Ih­nen be­stimmt als straf­mil­dernd an­ge­rech­net wer­den! Vi­el­leicht kom­men Sie mit fünf­zehn oder zwan­zig Jah­ren Zucht­haus weg!«

      Quan­gel schau­der­te. »Nein«, sag­te er. »Nein!«

      »Was ha­ben Sie sich denn ei­gent­lich auch ge­dacht, Quan­gel? Sie, ein ein­fa­cher Ar­bei­ter, ha­ben ge­gen den Füh­rer kämp­fen wol­len, hin­ter dem die Par­tei, die Wehr­macht, die SS, die SA ste­hen? Ge­gen den Füh­rer, der schon die hal­be Welt be­siegt hat und in ein, zwei Jah­ren un­sern letz­ten Feind be­siegt ha­ben wird? Das ist doch lä­cher­lich! Das muss­ten Sie sich doch von vorn­her­ein sa­gen, dass das schief ge­hen muss­te! Das ist, wie wenn eine Mücke ge­gen einen Ele­fan­ten kämp­fen will. Das ver­ste­he ich nicht, Sie, ein ver­nünf­ti­ger Mann!«

      »Nein, das wer­den Sie nie ver­ste­hen. Es ist egal, ob nur ei­ner kämpft oder zehn­tau­send; wenn der eine merkt, er muss kämp­fen, so kämpft СКАЧАТЬ