Alle guten Geister…. Anna Schieber
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Название: Alle guten Geister…

Автор: Anna Schieber

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 4064066112202

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СКАЧАТЬ ich. Daran werden Madam Cabisius nicht zweifeln.“ „Madam Cabisius“ hatte wohl so ihre Zweifel, aber diese waren von einer Art, die hier nicht ausgesprochen werden konnte.

      Darum schwieg sie darüber und dachte nur im Stillen: „Ich bin froh, daß Gertrud nicht zu studieren hat. Mütterliche Beratung. Ich danke.“ Und dann bot sie ihren grauen Kopf her, um sich das werdende Kunstwerk ausprobieren zu lassen, und sah unter Samt und Spitzen hervor mitleidig auf das junge Kind, das zu seinem Besten an dem Aufschwung der Mutter teilnehmen sollte.

      „Soll mich wundern, was sie aus dem Mädchen macht,“ sagte sie zu sich selbst, als sie auf dem Nachhauseweg mit hochgehaltenen Röcken durch den Schmutz der Straßen stieg. „Einreden läßt sich da nichts. Nun ja. Mit ihren Hüten war ich immer zufrieden. Eine gelungene Person, das ist sie. Aber soll mich wundern, was sie aus dem Mädchen macht. Ein feines, kleines Ding ist das.“

      Und dann kam ihr mütterliches Herz ins Wallen.

      „Ich wollte doch,“ sagte sie, aber sie sprach nicht aus, was sie wollte. Vermutlich war ihr der Wunsch aufgestiegen, das „kleine, feine Ding“ zu behüten. Wovor? Da eilten ihre Gedanken weit voraus.

      Aber das war eigentlich nicht ihre Art so. Sie trat fest auf und machte rüstige Schritte, als sie über den gepflasterten Marktplatz ging. „Das lerne ich allmählich von ihm,“ sagte sie entrüstet zu sich selbst, „das Vorausdenken. Aber das ist nichts für mich. Braucht man mich etwa dazu? Ich meine, zur Weltregierung?“ Und sie schüttelte sich wacker unter dem Regenschirm und rief ihre sorgenden Gedanken zur Ordnung. Da kam sie hellen und heiteren Angesichts nach Hause und fand Gertrud, das Mädchen, das ihr zu gelehrt werden wollte, auf dem Treppengeländer reitend, daß die Zöpfe flogen. Sie sagte nichts darüber, wie sie an andern Tagen wohl getan hätte, und wußte auch warum.

       Inhaltsverzeichnis

      Kennt ihr das Geschlecht der Sonntagskinder?

      Es hat allerlei Namen. Man könnte es auch das Geschlecht der Schauenden nennen, oder der Horchenden.

      Es hat eine Gabe mitbekommen, die nicht alle haben, von dem Strom heimlichen Lebens zu wissen, der unter der Oberfläche aller Dinge hingeht. Die dazu gehören, die ahnen die wundersame Schönheit, die in die Welt gelegt ist, und lieben sie und horchen nach ihr hin. Und weil sie sich nach ihr sehnen, die Leben ist und Liebe, Licht, Freude und Werdekraft, so suchen sie sie überall.

      Im Grauen des Morgens, in der Glut des Mittags, im Wehen des Windes, im Zirpen der Grille im Grase.

      Im Lachen eines Kindes, in einem Männerzorn, in einer jungen, starken Menschenkraft, im Ringen der Leidenschaften, in tausend und tausend Regungen des Lebens vernehmen sie etwas von dem tiefen Grund, aus dem das Leben quillt.

      Und wenn ein Klang aus jener verborgenen Welt ihr Ohr streift, dann halten sie den Atem an und horchen still hinein.

      Manchem von ihnen ist es gegeben, in Tönen davon zu reden, manchem in Bildern, in der Glut der Farben oder in beredten Linien, manchem in Worten.

      Aber nicht allen. Es sind viele, die tragen den empfangenen Glanz still in sich herum und die Welt weiß nichts davon. Oft sind sie arm und unscheinbar, und oft macht sie die innere Fülle ungelenk, steif und wortarm nach außen. Aber was schadet das? Wer ihnen zu rechter Stunde in die Augen sähe, der sähe in einen tiefen See, in dem ein Schatz verborgen liegt.

      **

       *

      Der alte Korbmacher Hollermann war keiner von denen, die die Welt mit Harmonien füllen. Aber seine Seele war voll von einer Musik, die niemand gehört hatte, obgleich an warmen Abenden, wann die Fenster seines Häuschens offen standen, die Töne seiner Flöte, der ererbten Großvatersflöte, über die Äcker hin und über die Landstraße und zu den wenigen Häusern, die hier draußen an der Landstraße standen, hinflogen. Das, was aus der Flöte strömte, das war das, was an die Oberfläche drang. Aber wie wenig war das im Vergleich zum Ganzen. Wenn er so dasaß, mitten zwischen seinen Weidenkörben und Hühnerkäfigen, auf dem niedrigen Drehstuhl und in der grünen Schürze, mit hängenden Schultern und braunen, rissigen Händen, die die Flöte hielten, da sah ihm niemand an, daß er innerlich wunderbare Chöre hörte. Vielleicht waren sie wirklich, vielleicht tönten sie aus irgend einer Welt zu ihm herüber, wer vermag das zu sagen?

      Was er hervorbrachte, waren selten so eigentliche Melodien. Es war ein Reden in Tönen, vielleicht auch nur ein Stammeln. Es fragte ihn niemand danach und er sagte es zu niemand. Das heißt, das war seitdem so gewesen. Aber das sollte nun nicht länger so fortgehen. Die Jugend kam zu ihm herein unter das tief herabhängende Dach.

      Gertrud kam. Sie war einmal auf einem Spaziergang mit dem Großvater einen Augenblick eingetreten, hatte dem alten Hollermann bei der Arbeit zugesehen, hatte das Wetterhäuschen, aus dem der Kapuziner trat, wenn es schön Wetter wurde, bewundert, und die rankenden Kürbisse an der Hinterwand. Und da es ihr schien, als ob hier noch viel zu bewundern sei, so versprach sie das Wiederkommen. Das hielt sie auch. Als sie hier einigermaßen zu Hause war, brachte sie Georg mit. Der wurde es noch mehr als sie, und noch schneller. Das machte, daß er Meister Hollermanns Flötenspiel gehört hatte. Es war an einem Samstagabend gewesen. Die Kinder hatten über ihren Aufgaben gesessen, bis es dunkeln wollte. Dann hatte sie die Großmutter ins Freie gejagt: „jetzt geht! wollt ihr mir hier versitzen und mit sechzehn Jahren Brillen tragen?“

      Nein, das wollten sie nicht. Da gingen sie los. Die beiden Alten wandelten zwischen den Rabatten des Gartens hin und her, und die Kinder machten einen Streifzug. Durch den Baumgarten, da hingen kleine grasgrüne Äpfel in den Zweigen, es gab noch nichts Reifes; über den Lattenzaun, durch den trockenen Burggraben, da kamen sie auf freies Feld.

      „Jetzt besuchen wir den alten Hollermann,“ sagte Gertrud. Da liefen sie in langen Sätzen den schmalen Feldweg entlang. Das Korn war noch grün und wogte leise hin und her, eine Blindschleiche glitt über den Weg. In der zitternd warmen Sommerluft summten die Schnaken. Hinter dem Wald ging die Sonne hinunter.

      Dann blieben sie stehen. „Horch,“ sagten sie beide. Da schwebte es in der Luft, wie ein süßer Gesang. Und doch wieder anders als ein Gesang. „Jetzt flötet er,“ sagte Gertrud. „Das tut er alles auswendig, so aus sich selber heraus.“ Und dann liefen sie wieder. Es war bezeichnend für Georg, daß er es hübscher fand, außen auf dem Bänkchen neben der Tür zuzuhören, weil er den Flötenbläser nicht kannte, und für Gertrud, daß sie ihn an der Hand hineinzog ohne viel Federlesens. „Da sind wir,“ sagte sie. „Wir wollen zuhören.“

      Aber er war es nicht gewöhnt, Zuhörer zu haben. Er setzte die Flöte ab und sah vor Verlegenheit grimmig aus. So lang, bis er in das enttäuschte Gesicht des Buben sah. Es konnte niemand sonst so enttäuscht aussehen. Nun war er hier hereingekommen und gleich hörte das auf, was ihn so herangezogen hatte.

      Der alte Hollermann war in Not. Das, was er soeben geblasen hatte, das konnte er jetzt nicht fortsetzen. Davon war ihm der Faden abgeschnitten, und das war auch etwas wie ein Selbstgespräch gewesen. Da besann er sich auf alte, längst gehörte Klänge. Denn er konnte es den Kindern nicht antun, daß er so verstummte, so gern er das getan hätte.

      „So, nun merkt auf,“ sagte er. Und spielte ein klingendes, singendes Lied, und dann noch etwas, das tat, wie zwitschernde Vogelstimmen. „Das ist von Mozart,“ sagte er und nickte mit dem Kopf. „Kennt ihr den nicht? Das ist aus der Zauberflöte. Vor zwanzig Jahren hab ich das gehört. Als Mina noch lebte. Ja so, ihr kennt Mina nicht. Sie war in München und dort hörten СКАЧАТЬ