Alle guten Geister…. Anna Schieber
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Название: Alle guten Geister…

Автор: Anna Schieber

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 4064066112202

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СКАЧАТЬ wenn sie kommt, ich käme sogleich,“ sagte sie im Hineingehen. „Und, Lore, räum’ noch rasch ein bißchen auf.“ Denn es fiel ihr nun plötzlich auf, daß das Waschgeschirr noch auf dem Tisch stand und Kämme und gebrauchte Kaffeetassen sich mit Seidenbändern und Hutformen auf der Kommode breit machten. Da nahm das Mädchen einen Anlauf und trug einiges ins Nebenzimmer. Dort stellte sie es auf den Boden. Und anderes streifte sie mit rascher Hand in eine geöffnete Schublade; und fuhr mit einem Pfauenwedel über die Kommodenplatte und legte rasch eine Decke auf den Tisch. Es sah nicht mehr so übel aus im Zimmer, wenn man nicht gerade kritisch hinsah.

      Da klopfte es, und als die Frau Rektorin eintrat, kam ihr Lore entgegen, frisch und zierlich, wie ein Bachstelzchen und bat, Platz zu nehmen, nur einen Augenblick zu warten, da die Mutter sogleich kommen werde. Sie habe nur etwas Notwendiges zu schaffen, das gleich erledigt sei. Darauf setzte sie sich wieder an ihren Fensterplatz und hob sittig an, zu häkeln. Irgend etwas Zartes, Zierliches, es gab einen Halskragen, das konnte man schon erkennen.

      Die Uhr tickte, es war still im Zimmer. Draußen rieselte der Regen herunter und klopfte hie und da ein wenig an die Fensterscheiben. Von der nahen Kirche her hörte man vereinzelte Orgeltöne; irgend ein musikbeflissener Unterlehrer übte sich da.

      Die Frau Rektorin saß und sah nachdenklich aus.

      Sie sah dem Spiel der feinen Hände des Kindes da auf dem Fenstertritt zu. Es war eine wahre Freude, zuzusehen.

      Warum machte sich nur Gertrud nichts aus selbstgehäkelten Halskragen? Warum war sie so ganz anders als alle Mädchen, die die Frau Rektorin kannte?

      Sie saß in ihres Großvaters Studierstube und lernte Latein von ihm. Ja, Latein. Und ihre Großmutter richtete jetzt und immer die Frage an das Weltall, was ein Mädchen mit Latein zu tun habe? Aber hier war niemand, der ihr Antwort gab.

      Sie, nämlich Gertrud, war groß und stark für ihr Alter und hatte ein kluges, etwas breites, offenes Gesicht, und ihre Bewegungen erinnerten etwas an die einer jungen Dogge.

      Sie war die Freude der beiden Alten. Ja, unstreitig auch die ganze Freude ihrer Großmutter. Aber das verhinderte nicht, daß die Frau Rektorin in einer eifersüchtigen Regung „ihres Nächsten Schönheit“ begehrte; nicht für sich, für das Kind, und daß sie innerlich bereit war, etwas von „der unnötigen Gelehrsamkeit, mit der sie mein Mann füttert“, dafür dranzugeben.

      Sie hatte jetzt nicht lang Zeit, sich den Tausch auszudenken, denn nun kam die Putzmacherin herein und fing sogleich eine wortreiche Entschuldigung an, daß sie habe warten lassen. „Es ist immer so vieles im Haushalt, wenn man alles ordentlich haben will,“ sagte sie, und vielleicht glaubte sie es in diesem Augenblick selbst, daß sie alles ordentlich haben wolle, obgleich sie soeben aus ihrer Schlafstube kam, in der das Chaos herrschte.

      Und dann fing sie an, mit Hutformen, Samt und Spitzen zu hantieren und Lore verließ ihren Fensterplatz und ihre Handarbeit, um bald die Stecknadeln, bald eine Schere, bald das Metermaß zu suchen. Denn die Frau Rektorin sollte mit einer neuen Winterkopfbedeckung versehen werden. Das war aber so, daß die neue der alten immer noch ein wenig ähnlich sein mußte, und es gehörte eine gewisse Kunst dazu, einen neuen, haubenähnlichen Hut, (oder eine hutähnliche Haube, was in der Wirkung auf eins herauskommt,) zu schaffen, der weder modern noch altmodisch, weder ärmlich, noch großartig war. „Sondern der,“ sagte die Frau Rektorin, „auf meinen eigenen Kopf paßt und nicht auf den von hundert anderen Menschen.“

      Ja, das war immer eine Art von Kunstwerk, so einfach es aussah und Frau Maute war die Erste und Einzige, die die schwierige Frage mit einer Art von Genialität zu lösen wußte. Es gibt allerlei Bande, die sich um die Menschen schlingen, und das Geschick der Frau Maute, einen ästhetisch befriedigenden Hut für die Frau Rektorin herzustellen, war so eine Art von Band, das die beiden Frauen nach einer gewissen Richtung hin umschloß.

      Aber es war ein Band, das im Begriff war, sich zu lösen.

      „Das wird nun der letzte Hut sein, den ich der Madam Cabisius mache,“ begann die Putzmacherin das Gespräch. (Sie war nicht davon abzubringen, ihre honorigeren Kundenfrauen mit Madam’ zu titulieren und die Rektorin Cabisius ließ sich das nun allmählich gefallen, weil Widerspruch nichts nützte und der Klügste nachgibt.)

      „Was, den letzten?“ fragte sie. „Das muß merkwürdig zugehen. Entweder sterb’ ich bald, oder sterben Sie bald, oder, was ists? am Ende ist Maute wieder aufgetaucht und Sie gehen mit ihm und dem Kind nach Amerika, wohin er damals verschwunden sein soll?“

      „Ach, Madam Cabisius scherzen. Madam Cabisius wissen wohl, daß Maute für mich abgetan ist. Und wenn er auch mit Gold überzogen käme, und kniete hier vor mir nieder, da, wo Madam Cabisius sitzen, ich ließ’ ihn knieen. Ich nähme das Kind an der Hand und sagte: „Maute, du weißt, daß du mich verlassen hast. Keine Widerrede, das hast du. Ich habe das Kind und mich ernährt und werde es ferner ernähren und brauche dein Gold nicht.“ Und dann würde ich ihm die Tür aufmachen. ‚Bitte, hier ist die Tür,‘ würde ich sagen.“

      Und damit machte sie ein paar Schritte nach der Tür hin, um sie für den Abzug des imaginären Maute zu öffnen, besann sich aber und kehrte wieder um. Lore stand mit aufgestützten Armen am Tisch und sah und hörte dem Schauspiel zu, das sie offenbar nicht zum ersten mal genoß.

      Die Rektorin zupfte Frau Maute am Ärmel. „Das Kind,“ sagte sie mahnend.

      „Ja, das Kind, das ist noch mein Trost. Ich sag’s alle Tage: Lore, du bist mein Trost, denn ich bin eine verlassene, unglückliche Frau.

      Ich bin viel zu ideal, das ist mein Hauptfehler.“

      „Ja, aber warum wollen Sie mir keinen Hut mehr machen? Das möcht’ ich wissen.“

      Denn die Rektorin war über diesen Punkt noch ebensowenig aufgeklärt, als wir es sind.

      „Alles wegen des Kindes, Madam Cabisius. Denn das Kind ist alles, was ich habe, und es soll glücklicher werden, als seine Mutter. Das sag’ ich immer: Lore, du sollst glücklicher werden als ich.

      Darum habe ich beschlossen, nach Tübingen zu ziehen. Madam Cabisius müssen nicht denken, daß es um meinetwillen sei. O nein, mir ist alles recht, mir ist’s auch in dieser kleinen Stadt recht, obgleich fast niemand Sinn für den höheren Geschmack hat, außer der Madam Cabisius, und — noch ein paar wenigen.

      Aber dort kann ich mich besser aufschwingen. Ich bin so sehr für den Aufschwung. Das sagte schon Maute immer, obgleich ich sonst nicht viel auf seine Meinung gebe: ‚Henriette, du bist viel zu schwunghaft.‘

      Er verstand mich nicht. Das hat uns getrennt.

      Dort kann ich einen Laden mieten und das bessere Publikum gewinnen. Und vielleicht nehme ich Studenten in möblierte Zimmer, später dann.“ Frau Maute sah in diesem Augenblick außerordentlich schwunghaft aus. Man sah ordentlich ihr Mutterherz durch die Falten ihrer geblumten Bluse scheinen. Denn das mit dem Laden und den möblierten Zimmern geschah ja nur des Kindes wegen, dem ein besseres Los bereitet werden sollte, und dem zuliebe die Mutter sich in jede verlangte Höhe zu schwingen bereit war.

      „Mutter, dein Haar,“ sagte Lore leise.

      Denn es hatte sich ein dünnes, rotblondes Zöpfchen unter den Spitzen des Morgenhäubchens vorgestohlen und wippte auf der geblumten Bluse auf und nieder, alle schwungvollen Bewegungen seiner Trägerin begleitend.

      „O, es ist mir nicht bange,“ sagte Frau Maute, und schob das Zöpfchen wieder an seinen Ort. „Ich kann mit allerlei Leuten verkehren. Wenn ich sonst nichts СКАЧАТЬ