Gesammelte Werke von Joseph Conrad. Джозеф Конрад
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Название: Gesammelte Werke von Joseph Conrad

Автор: Джозеф Конрад

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027204113

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СКАЧАТЬ Nacht zurechtgemachte Haupt, diese mächtigen Schultern schienen irgendwie geweiht –, geheiligt durch die Weihe häuslichen Friedens. Sie regte sich nicht, massig und formlos wie eine halbfertige Statue; er stellte sich ihre weit offenen Augen vor, die ins Leere hinausblickten. Sie war geheimnisvoll, wie alle lebenden Wesen. Der weitberühmte Geheimagent Ä aus des seligen Barons Stott-Wartenheim aufregenden Depeschen war nicht der Mann, in solche Geheimnisse einzubrechen. Er war leicht einzuschüchtern. Auch besaß er ein Maß von Trägheit, wie es oft das Geheimnis der Gutmütigkeit bildet. Nun schob er es auf, an dies Geheimnis zu rühren, aus Liebe, Schüchternheit und Trägheit. Es war immer noch Zeit genug. Einige Minuten litt er stumm in der schläfrigen Stille des Zimmers. Dann brach er mit einer entschlossenen Erklärung das Schweigen.

      »Ich fahre morgen nach dem Festland.«

      Seine Frau konnte schon eingeschlafen sein; er hätte es nicht sagen können. Tatsächlich hatte Frau Verloc ihn gehört. Ihre Augen waren immer noch weit offen, und sie lag ganz still, stark in dem Glauben, daß die Dinge es nicht vertragen, wenn man ihnen auf den Grund sieht. Und dann war eine solche Reise für Herrn Verloc durchaus nichts so Ungewöhnliches. Er erneuerte in Paris und Brüssel seine Warenvorräte. Oft fuhr er selbst hinüber, um Einkäufe zu machen. Um den Laden in der Brett Street begann sich ein auserwählter Kreis von Liebhabern zu sammeln, eine geheime Beziehung, die für jede von Herrn Verlocs Unternehmungen äußerst wertvoll war, dieses Herrn Verloc, der durch ein seltsames Zusammentreffen von Temperament und Notwendigkeit bestimmt schien, sein Leben lang ein Geheimagent zu bleiben.

      Er wartete eine Weile und fügte dann hinzu: »Ich bleibe eine Woche oder vielleicht vierzehn Tage weg. Nimm dir unter Tags Frau Neale zur Hilfe!«

      Frau Neale war die Scheuerfrau für die Brett Street. Sie war ein Opfer ihrer Ehe mit einem heruntergekommenen Schreiner und bedrückt durch die Sorge um viele unmündige Kinder. Mit roten Armen, in einer Kleiderschürze aus grober Sackleinwand, schien in dem Duft von Lauge und Rum, im Scheuern und Schrubben, der Dunst der Armut selbst von ihr auszugehen.

      Frau Verloc sprach mit wohlerwogener Absicht in ganz gleichgültigem Tone:

      »Es ist unnötig, die Frau den ganzen Tag über hier zu haben. Ich komme sehr gut mit Stevie alleine zurecht.«

      Sie ließ die einsame Ganguhr fünfzehn Pendelschläge der Ewigkeit zuzählen und sagte dann:

      »Soll ich das Licht auslöschen?«

      Herr Verloc gab kurz und heiser zurück:

      »Lösch es aus.«

      IX

       Inhaltsverzeichnis

      Als Herr Verloc nach zehn Tagen vom Festland wiederkam, da zeigte es sich, daß weder sein Geist sich an den fremden Wundern erfrischt, noch seine Stimmung sich durch die Heimkehrfreude gebessert hatte. Beim Rasseln der Ladenglocke trat er mit dem Ausdruck finsterer und verärgerter Erschöpfung ein. Den Koffer in der Hand, schritt er mit gesenktem Kopf hinter den Ladentisch und ließ sich in den Stuhl fallen, als wäre er den ganzen Weg von Dover her gegangen. Es war früh am Morgen. Stevie, der gerade die einzelnen Gegenstände im Ladenfenster abstaubte, drehte sich um, und gaffte ihn in ehrfürchtigem Schreck an.

      »Da«, sagte Herr Verloc und stieß die Reisetasche auf dem Boden leicht an. Lind Stevie stürzte sich darauf, packte sie und trug sie davon, mit jubelndem Diensteifer. Er war so flink, daß Herr Verloc merklich überrascht war.

      Beim Klang der Ladenglocke hatte Frau Neale, die eben dabei war, das Kamingitter im Wohnzimmer zu schwärzen, durch die Türe gespäht, sich dann von den Knien erhoben und war in ihrer Schürze, grimmig über die ewige Arbeit, Frau Verloc in die Küche sagen gegangen, daß »der Herr zurückgekommen sei«.

      Winnie kam nur bis zur inneren Ladentür.

      »Du wirst frühstücken wollen«, sagte sie aus einiger Entfernung. Herr Verloc machte eine leichte Handbewegung, wie um einen unmöglichen Vorschlag abzuwehren. Sobald er aber ins Wohnzimmer gelockt worden war, wies er die vorgesetzte Nahrung nicht zurück. Er aß wie in einem Gasthaus, den Hut weit zurückgeschoben, während die Flügel seines schweren Überrocks zu beiden Seiten in Dreiecken vom Stuhl herunterhingen. Und über die Länge des Tisches mit dem Wachstuchüberzug weg unterhielt Winnie, seine Frau, das übliche Frauengespräch, das gewiß den Umständen seiner Rückkehr nicht minder geschickt angepaßt war als die Reden der Penelope bei der Rückkehr des wandernden Odysseus. Allerdings hatte Frau Verloc während der Abwesenheit ihres Gatten keine Webearbeit verrichtet. Doch hatte sie alle Räume im oberen Stock gründlich reinemachen lassen, hatte einige Waren verkauft und Herrn Michaelis mehrmals empfangen. Dieser hatte ihr beim letztenmal gesagt, daß er nun aufs Land hinausginge, um in einem Landhaus irgendwo an der London-Chatham- und Dover-Strecke zu wohnen. Auch Karl Yundt war einmal gekommen, von »seiner gottlosen, alten Haushälterin« am Arm geführt. Er war »ein ekelhafter, alter Mann.« Von dem Genossen Ossipon, den sie erst kürzlich empfangen hatte, mit steinernem Gesicht und leerem Blick hinter dem Ladentisch verschanzt, sagte sie nichts; das stumme Gedenken an den muskelstarken Anarchisten machte sich äußerlich in einer kurzen Pause und einem leisen Erröten bemerkbar. Sobald wie möglich erwähnte sie auch ihren Bruder Stevie und betonte, daß der Junge recht traurig gewesen sei.

      »Daran ist nur die Mutter schuld, weil sie so von uns fortgegangen ist.«

      Herr Verloc sagte weder »verdammt«, noch selbst »Stevie soll der Teufel holen«, und Frau Verloc, die ja nicht in seinen Gedanken lesen konnte, vermochte den Edelmut dieser Zurückhaltung nicht zu werten.

      »Nicht, als ob er weniger als sonst arbeitete«, fuhr sie fort. »Er hat sich recht nützlich gemacht. Man sollte meinen, daß er sich für uns gar nicht genug tun kann.«

      Herr Verloc warf einen flüchtigen Blick auf Stevie, der zu seiner Rechten saß, zart und blaß, den rosigen Mund offen. Es war kein kritischer Blick. Es war keine Absicht darin. Und wenn Herr Verloc einen Augenblick lang dachte, daß der Bruder seiner Frau außergewöhnlich unnütz schien, so war das nur ein nebensächlicher Gedanke, ohne die Kraft und Dauerhaftigkeit, die einen Gedanken mitunter befähigt, die Welt zu bewegen. Herr Verloc lehnte sich zurück und entblößte den Kopf. Bevor sein ausgestreckter Arm den Hut niedersetzen konnte, sprang Stevie darauf zu und trug ihn hochachtungsvoll in die Küche hinaus. Und wieder war Herr Verloc überrascht.

      »Du könntest alles mit dem Jungen tun«, sagte Frau Verloc mit unterstrichener Gemütsruhe. »Er würde für dich durchs Feuer gehn. Er –« Sie unterbrach sich, aufmerksam das Ohr der Küchentüre zugekehrt.

      Dort scheuerte Frau Neale den Boden. Bei Stevies Eintritt stöhnte sie kläglich auf, da sie beobachtet hatte, daß er leicht dazu zu bringen war, den Schilling, den ihm seine Schwester Winnie von Zeit zu Zeit schenkte, zum Wohle ihrer unmündigen Kinder zu opfern. Auf allen Vieren zwischen den Wasserpfützen, naß und schmierig, wie eine zahme Amphibie, die von Aschenresten und schmutzigem Wasser lebt, begann sie die übliche Leier: »Du hast es leicht, brauchst nichts zu arbeiten, wie ein Gentleman.« Und sie ließ das ewige Klagelied der Armut folgen, mit gefühlvoller Bettelei unterlegt und durch den widrigen Dunst von billigem Rum und Seifenlauge unterstützt. Sie scheuerte gewaltig, keuchte dabei und sprach mit Zungenfertigkeit. Es war ihr Ernst. Zu beiden Seiten ihrer dünnen, roten Nase schwammen ihre entzündeten, glasigen Augen in Tränen, da sie tatsächlich am Morgen das Bedürfnis nach einer Erfrischung verspürte.

      Im Wohnzimmer machte Frau Verloc die kundige Bemerkung:

      »Da erzählt Frau Neale wieder СКАЧАТЬ