Название: Liebesbriefe großer Frauen
Автор: ОтÑутÑтвует
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783843800068
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Ist es vielleicht die Präsidentin, die Sie mir vorziehen könnten? Sie ist munter, lebhaft, angenehm, aber das alles ist sie vermöge ihres Temperamentes. Sollte es Hortense sein? Ihre Augen sind zärtlich und schmachtend, sie hat Anmut, Sanftmut, aber all diese Vorzüge sind bei ihr natürliche Veranlagung. Oder habe ich gar die Marschallin zu fürchten? Sie vereinigt allerdings mit einem edlen Wuchs die Kunst, sich zu schmücken, sie ist pikant und geistreich; aber ihr Hauptverdienst ist die Gewohnheit, die Sucht, von allen Männern bemerkt zu werden und alle Frauen zu demütigen.
Und nun überlegen Sie, worauf meine geringen Vorzüge zurückzuführen sind. Der Liebe allein verdanke ich sie. Von ihr allein erhalten sie Sein und Wert; ihr entstammen jene Lebhaftigkeiten meines Temperaments, die Sie so hoch schätzen, sie verleiht meinen Augen den feuchten Schimmer, der Sie begeistert, meinem Körper seinen edlen Gang, meinem Geiste Heiterkeit, meinem Schweigen Ausdruck. Ohne Liebe ist alles in mir und um mich ohne Lust und Leben. Mit einem Worte, Graf, Ihnen verdanke ich alles und nichts der Natur, dem Zufall oder der Eitelkeit. Ich wünschte, alle Männer knieten vor mir, Ihnen zu Ehren.
an den Marquis de Sévigné
Sie glauben also, einen unwiderleglichen Einwand gemacht zu haben, indem Sie behaupten: Man gibt sein Herz nicht als freier Mann nach eigenem Willen, und deswegen sind Sie nicht frei in der Wahl Ihrer Neigung? Das ist Opernmoral! Überlassen Sie solche Gemeinplätze Frauen, die sich damit wegen ihren Schwächen zu rechtfertigen glauben. […] Niemand ahnt, dass solche Ausreden nicht die geringste Entschuldigung für Torheiten enthalten; schlimmer noch: Sie sind das Eingeständnis dafür, dass man gar nicht die Absicht hat, sich zu bessern. Passen Sie einmal auf: Die Redensart von der Schicksalsfügung wird immer nur zu Hilfe gerufen, wenn die Wahl schlecht war. […] Ich für meinen Teil bin deshalb so frei, den Ansichten der Menge nicht beizupflichten. Ich weiß recht gut, die Liebe ist unfreiwillig, das heißt aber nur: Man ist nicht imstande, den ersten Eindruck, den unser Herz empfängt, vorauszusehen oder zu vermeiden. Aber zugleich behaupte ich, dass es möglich ist, ihn abzuschwächen, ja sogar ihn ganz zu zerstören, mag er auch noch so tief sein.
[…]
Das nennt man überstürzen Marquis! … Wie? Die Gräfin von *** hat Ihr Herz etwas beunruhigt, und nun halten Sie sich schon für verliebt? Ich würde mich schön hüten, so leichtfertig über Ihren Zustand zu urteilen. Ich habe hundert ehrenwerte Leute kennengelernt, die sich gleich Ihnen Stein und Bein für verliebt erklärten und es in Wirklichkeit nicht die Spur waren. Mit den Herzensleiden begegnet einem dasselbe wie mit körperlichen Leiden: Manche bestehen wirklich, andere sind nur eingebildet. Wenn Sie etwas zu einer Frau hinzieht, dann braucht es durchaus noch nicht immer Liebe zu sein. […] Die Gräfin ist unstreitig eine der schönsten Frauen, die jetzt leben. Bis heute vermochte sie niemand zu rühren. Sie blieb dem Andenken ihres Mannes getreu und hat sogar die Dienste eines der liebenswürdigsten Männer unserer Bekanntschaft abgelehnt. Selbstverständlich wäre eine Eroberung, die Ihnen das erträumte gesellschaftliche Ansehen brächte, Ihrer Eitelkeit über die Maßen schmeichelhaft. Das, verehrtester Marquis, nennen Sie Liebe!
[…]
Nehmen Sie sich in acht, Marquis! Wenn Sie mich ärgern, gehe ich heute noch weiter als gestern. Dann werde ich Ihnen meine stete Überzeugung aussprechen, dass manchmal gar keine Liebe dazu gehört, um uns Frauen erliegen zu lassen. Das wird Ihnen in meinem Frauenmunde wie eine Lästerung erscheinen. Da ich aber versprochen habe, Ihnen nichts, was uns betrifft, zu verheimlichen, so will ich Wort halten, und wenn ich darob mit meinem ganzen Geschlecht in Streit käme. […] Das Liebesbedürfnis ist für die Frau ein gutes Teil ihrer selbst; die Tugend aber ist nur Formsache.
Das heißt aber, sich die Dinge schwer zu Herzen nehmen, Marquis! Schon zwei Nächte lang haben Sie kein Auge zugetan? Oh, das ist wahre Liebe, da kann man sich nicht mehr täuschen.
Sie haben Ihre Augen sprechen lassen, Sie haben selbst recht klar und deutlich gesprochen, und doch fand Ihr Zustand nicht die geringste Beachtung. Das schreit nach Rache! Ist es denn wirklich möglich, dass jemand nach ganzen acht Tagen voller Bemühungen und geschäftiger Dienstbarkeit die barbarische Herzlosigkeit besitzt, Ihnen auch keinen Schimmer von Hoffnung zu gewähren? Ja, das ist schwer einzusehen. Solch langer Widerstand grenzt schon ans Unwahrscheinliche. Die Gräfin ist eine Heldin, wie sie nur die längst entschwundene Vergangenheit kannte. […] Aber bitte erinnern Sie sich stets daran, dass all solche Aufregung Ihre gerechte Strafe dafür sein wird, weil Sie die Liebe wie ein Romanheld behandeln, und dass Sie gerade das entgegengesetzte Schicksal erleben könnten, wenn Sie sich wie ein vernünftiger Mensch benähmen. Aber soll ich Ihnen noch mehr schreiben? Jeder Augenblick, den Sie zum Lesen meiner Briefe verwenden, ist ein Diebstahl an Ihrer Liebe. Gott, wie gern wäre ich Zeuge all der Zustände, die Sie durchmachen! Gibt es denn für einen kaltblütigen Menschen etwas Vergnüglicheres als den Anblick eines Mannes in seinen Liebeszuckungen?
Was erzählen Sie mir da? Das fürchtete ich ja am allermeisten. Erst hatte ich mir das Vertrauen СКАЧАТЬ