Wachtmeister Studer. Friedrich C. Glauser
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Название: Wachtmeister Studer

Автор: Friedrich C. Glauser

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962816315

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СКАЧАТЬ du das Ver­schwin­den an­ge­zeigt?«

      »Ja. Auf der Po­li­zei. Sie hat die Pa­pie­re be­schlag­nahm­t… Ein ge­wis­ser Ma­de­lin hat sich um die Sa­che ge­küm­mert. Ein­mal hat er mich vor­ge­la­den…«

      Ein Satz!… Ein Satz!… War er nicht zu er­wi­schen, der Satz, den Kom­mis­sär Ma­de­lin ge­spro­chen hat­te, an je­nem Abend, da Stu­der ihm das Te­le­gramm vom neu­en Ja­kob­li ge­zeigt hat­te? Was hat­te Ma­de­lin da zum le­ben­di­gen Kon­ver­sa­ti­ons­le­xi­kon Go­do­frey ge­spro­chen:

      »… Es stimmt et­was nicht mit den Pa­pie­ren des Kol­ler…« Das war es. Han­del­te es sich um den glei­chen Kol­ler?

      Stu­der frag­te:

      »Wo hat dei­ne Mut­ter die An­den­ken an dei­nen Va­ter auf­be­wahrt?«

      »Im Schreib­tisch«, er­wi­der­te Ma­rie und wand­te dem Rau­me wie­der den Rücken zu. »In der zweit­un­ters­ten Schub­la­de.«

      In der zweit­un­ters­ten Schub­la­de…

      Sie war leer. Doch das al­lein wäre nicht all­zu auf­fäl­lig ge­we­sen.

      Auf­fäl­lig aber war, dass der Ein­bre­cher, der sie auf­ge­bro­chen hat­te, sorg­sam ein ab­ge­split­ter­tes Stück Holz wie­der ein­ge­setzt hat­te. Stu­der schob die lee­re Schub­la­de zu, dann folg­te er dem Bei­spiel sei­nes Vor­gän­gers und pass­te das Holz­stück­chen ge­nau an sei­nen Platz. Er rich­te­te sich auf, zog sein Nas­tuch aus der Ta­sche, beug­te sich noch ein­mal zur Schub­la­de her­ab und rieb dort al­les sau­ber. Dazu mur­mel­te er: »Man kann nie wis­sen…«

      »Fin­den Sie et­was, Vet­ter Ja­kob?«, frag­te Ma­rie, ohne sich um­zu­wen­den.

      »Die Mut­ter hat’s wohl an ei­nem an­de­ren Ort ver­räum­t…«, brumm­te Stu­der. Und lau­ter füg­te er hin­zu: »Die ers­te Frau dei­nes Va­ters wohnt also in Bern und heißt…« Stu­der schlug sein No­tiz­buch auf, aber Ma­rie kam ihm zu­vor:

      »Hor­nuss heißt sie, So­phie Hor­nuss, Ge­rech­tig­keits­gas­se 44. Sie war die äl­te­re Schwes­ter mei­ner Mut­ter und ei­gent­lich mei­ne Tan­te, wenn Sie so wol­len…«

      »G’spä­ßi­ge Fa­mi­li­en­ver­hält­nis­se«, stell­te Stu­der tro­cken fest.

      Ma­rie lä­chel­te. Dann ver­schwand das Lä­cheln und ihre Au­gen wur­den dun­kel und trau­rig. – Das habe sie manch­mal auch ge­fun­den, mein­te sie, und Stu­der schalt sich einen Du­bel, weil sei­ne dum­me Be­mer­kung dem Meit­schi si­cher Kum­mer ge­macht hat­te…

      Im Flur ka­men Schrit­te nä­her. Die auf­ge­spreng­te Tür kreisch­te in ih­ren An­geln und eine Stim­me er­kun­dig­te sich, ob hier je­mand Selbst­mord be­gan­gen habe. – Es müs­se wohl hier sein, sag­te eine zwei­te Stim­me, es ste­he ja am Tür­pfos­ten! Cle­man! Und füg­te hin­zu: »Äbe joo«, und da habe man die Be­sche­rung.

      Stu­der kehr­te in die klei­ne Kü­che zu­rück und stieß dort mit ei­nem Uni­for­mier­ten zu­sam­men. Der Stoß war weich, denn der Sa­ni­täts­po­li­zist war dick, ro­sig und glatt wie ein Säug­ling. Er schi­en stän­dig ein Gäh­nen un­ter­drücken zu müs­sen, über­schüt­te­te den Wacht­meis­ter mit ei­nem Schwall von Fra­gen, die tap­fer mit »jä« und »joo« ge­würzt wa­ren. Au­ßer­dem gur­gel­te der Mann mit den »R« wie mit Mund­was­ser, an­statt sie or­dent­lich, wie sons­ti­ge Schwei­zer Chris­ten­menschen, mit der Zun­ge ge­gen den Vor­der­gau­men zu rol­len. Der Herr Ge­richts­arzt war alt und sein Schnauz vom vie­len Zi­ga­ret­ten­rau­chen gelb.

      Stu­der stell­te sich vor, stell­te Ma­rie vor.

      Die Tote in ih­rem Lehn­stuhl schi­en zu lä­cheln. Der Wacht­meis­ter blick­te ihr noch ein­mal ins Ge­sicht. Ne­ben dem lin­ken Na­sen­flü­gel saß eine War­ze…

      Die Lei­che wur­de fort­ge­bracht, und zwar durch das Tür­lein in der Mau­er. Es dau­er­te lan­ge, bis man den Schlüs­sel zu die­sem Mau­er­tor auf­ge­trie­ben hat­te – in der Woh­nung der To­ten war kein ein­zi­ger Schlüs­sel zu ent­de­cken. Ein Mie­ter, vom Lärm her­bei­ge­lockt, half aus.

      Stu­der war müde. Er hat­te kei­ne Lust, sei­nem Kol­le­gen von der Sa­ni­täts­po­li­zei die Merk­wür­dig­kei­ten des Fal­les auf­zu­zäh­len: den schie­fen He­bel am Gas­zäh­ler, die Aus­gehs­tie­fel der al­ten Frau im Schlafrock… Der Wacht­meis­ter stand und starr­te auf das Mes­sing­schild: »Jo­se­pha Cle­man-Hor­nuss. Wit­we.«

      Dann lud er Ma­rie zu ei­nem Kaf­fee ein. Das schi­en ihm das Ver­nünf­tigs­te…

      Die erste Frau

      Bald nach Ol­ten be­gann es zu schnei­en. Stu­der saß im Spei­se­wa­gen und sah durch die Schei­ben. Die Hü­gel, die vor­beig­lit­ten, wa­ren weich hin­ter dem wei­ßen Vor­hang, der so re­gel­mä­ßig-un­un­ter­bro­chen fiel, dass er be­we­gungs­los schien…

      Vor dem Wacht­meis­ter stand blau­es Kaf­fee­ge­schirr und da­ne­ben in Reich­wei­te eine Kar­af­fe mit Kirsch. Stu­der wand­te die Bli­cke vom Fens­ter ab und dem neu­en Ring­buch zu, das auf­ge­schla­gen vor ihm lag. Er hielt den Blei­stift zwi­schen Zei­ge- und Mit­tel­fin­ger und schrieb in sei­ner win­zi­gen Schrift, de­ren Buch­sta­ben selbst­stän­dig ne­ben­ein­an­der stan­den, wie beim Grie­chi­schen:

      »Cle­man-Hor­nuss Jo­se­pha, Wit­we, 55 Jah­re alt. Gas­ver­gif­tung. Selbst­mord? Da­ge­gen spre­chen: schie­fe Stel­lung des Haup­t­hahns am Gas­mes­ser. Feh­len der Schlüs­sel zur Woh­nungs­tür und zum Gar­ten­tor, auf­ge­spreng­te Schub­la­de am Schreib­tisch… Und der Te­le­fon­an­ruf.«

      Der Te­le­fon­an­ruf! Stu­der auf sei­nem Platz im Spei­se­wa­gen des Schnell­zu­ges Ba­sel-Bern hör­te die Stim­me wie­der – und wie da­mals im Wohn­raum der Wit­we Cle­man-Hor­nuss kam sie ihm be­kannt vor. Sie er­in­ner­te ihn an eine an­de­re Stim­me, die er vor we­ni­gen Ta­gen ge­hört hat­te, in ei­ner klei­nen Bei­ze bei den Pa­ri­ser Markt­hal­len – das heißt der Ton der Stim­me war der glei­che, die Stimm­la­ge ähn­lich…

      Und be­trun­ken hat­te die Stim­me ge­tönt. Atem­los, wie bei ei­nem Mann, der hin­ter­ein­an­der ein paar Glä­ser Ko­gnak hin­un­ter­ge­schüt­tet hat. Ers­te Fra­ge: Was hat­te die­ser Be­trun­ke­ne mit sei­nem An­ruf bezweckt? Und die zwei­te: Wo hat­te sich Pa­ter Matt­hi­as vom Or­den der Wei­ßen Vä­ter in die­ser Zeit auf­ge­hal­ten? In wel­cher Kir­che hat­te er sei­ne Mor­gen­mes­se ge­le­sen? In je­ner Ze­ment­kir­che, die von den Bas­lern das »See­len­si­lo« ge­tauft wor­den war?

      Stu­der starr­te ge­dan­ken­ver­lo­ren zum Fens­ter hin­aus, streck­te die Hand aus, er­wi­sch­te statt des Kaf­fee­känn­lis die Kar­af­fe mit dem Kirsch, goss sei­ne Tas­se voll, führ­te sie zum Mund und merk­te den Irr­tum erst, als er die СКАЧАТЬ