Wachtmeister Studer. Friedrich C. Glauser
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Читать онлайн книгу Wachtmeister Studer - Friedrich C. Glauser страница 55

Название: Wachtmeister Studer

Автор: Friedrich C. Glauser

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962816315

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СКАЧАТЬ sto­ße mit Col­la­ni zu­sam­men, der vom Fou­ri­er und vom Haupt­mann be­glei­tet ist. Haupt­mann Pou­et­te er­zählt mir, Col­la­ni habe ihm ge­mel­det, dass seit ei­ni­ger Zeit Lein­tü­cher ver­schwän­den. Und Col­la­ni ken­ne so­wohl die Die­be als auch den Heh­ler. Die Die­be sei­en schon ein­ge­sperrt, nun kom­me der Heh­ler an die Rei­he. – Col­la­ni sah aus wie ein Quel­len­su­cher ohne Wün­schel­ru­te. Sei­ne Au­gen blick­ten starr, doch war er bei vol­lem Be­wusst­sein. Nur dräng­te er vor­wärts…

      Ich will Sie nicht wei­ter lang­wei­len. Bei ei­nem Ju­den, der Zwie­beln, Fei­gen und Dat­teln in ei­nem win­zi­gen Läd­lein feil­hielt, fan­den wir vier Lein­tü­cher auf dem Grun­de ei­ner Oran­gen­kis­te… Ma­ma­dou war ein Ne­ger aus der vier­ten Kom­pa­gnie des Ba­tail­lons, er ge­stand den Dieb­stahl ein. Bi­el­le, ein rot­haa­ri­ger Bel­gier, ver­leg­te sich zu­erst aufs Leug­nen, dann ge­stand auch er…

      Von die­ser Stun­de an nann­te man Col­la­ni nur noch den Hell­se­her­kor­po­ral, und der Ba­tail­lons­arzt, Ana­to­le Can­ta­cuzè­ne, ver­an­stal­te­te Séan­cen mit ihm: Tisch­rücken, au­to­ma­ti­sches Schrei­ben – kurz all der gott­sträf­li­che Un­sinn wur­de mit ihm ver­sucht, den hier­zu­lan­de die Spi­ri­tis­ten be­trei­ben, ohne eine Ah­nung von der Ge­fahr zu ha­ben, in die sie sich be­ge­ben.

      Sie wer­den sich fra­gen, mei­ne Her­ren, warum ich Ih­nen die­se lan­ge Ge­schich­te er­zählt ha­be… Nur um Ih­nen zu be­wei­sen, dass ich nicht gleich­gül­tig blei­ben konn­te, als Col­la­ni mir eine Wo­che spä­ter Din­ge er­zähl­te, die mich, mich per­sön­lich an­gin­gen…

      Es war der 28. Sep­tem­ber. Ein Diens­tag.«

      Pa­ter Matt­hi­as schwieg, be­deck­te sei­ne Au­gen mit der Hand und fuhr fort:

      »Col­la­ni kommt. Ich spre­che zu ihm, wie es mei­ne Pf­licht ist als Pries­ter, be­schwö­re ihn, die teuf­li­schen Ex­pe­ri­men­te zu las­sen. Er bleibt trot­zig. Und plötz­lich wird sein Blick wie­der leer, die Ober­li­der ver­de­cken halb die Au­gen, ein un­an­ge­nehm höh­ni­sches Lä­cheln zerrt sei­ne Lip­pen aus­ein­an­der, so­dass ich sei­ne brei­ten, gel­ben Zäh­ne sehe, und dann sagt er mit je­ner Stim­me, die mir so be­kannt vor­kommt: ›Hal­lo, Matt­hi­as, wie geht’s dir?‹ – Es war die Stim­me mei­nes Bru­ders, mei­nes Bru­ders, der vor fünf­zehn Jah­ren den Tod ge­fun­den hat­te!«

      Die drei Män­ner um den Tisch in der klei­nen Bei­ze bei den Pa­ri­ser Markt­hal­len nah­men die­se Mit­tei­lung schweig­sam ent­ge­gen. Kom­mis­sär Ma­de­lin lä­chel­te schwach, wie man nach ei­nem schlech­ten Witz lä­chelt. Stu­ders Schnurr­bart zit­ter­te, und die Ur­sa­che die­ses Zit­terns war nicht recht fest­zu­stel­len… Nur Go­do­frey be­müh­te sich, die pein­li­che Un­wahr­schein­lich­keit der Er­zäh­lung et­was zu mil­dern. Er sag­te:

      »Im­mer wie­der zwingt uns das Le­ben, mit Ge­s­pens­tern Um­gang zu pfle­gen…«

      Das konn­te tief­sin­nig sein. Pa­ter Matt­hi­as sag­te sehr lei­se:

      »Die frem­de und doch so ver­trau­te Stim­me re­de­te aus dem Mun­de des Hell­se­her­kor­po­rals zu mir…«

      Stu­ders Schnurr­bart hör­te auf zu zit­tern, er beug­te sich über den Tisch… Die Be­to­nung des letz­ten Sat­zes! Sie klang un­echt, über­trie­ben, ge­spielt! Der Ber­ner Wacht­meis­ter blick­te zu Ma­de­lin hin­über. Das kno­chi­ge Ge­sicht des Fran­zo­sen war ein we­nig ver­zerrt. Also hat­te auch der Kom­mis­sär den Miss­ton emp­fun­den! Er hob die Hand, leg­te sie sanft auf den Tisch: »Re­den las­sen! Nicht un­ter­bre­chen!« Und Stu­der nick­te. Er hat­te ver­stan­den…

      »›Hal­lo, Matt­hi­as! Kennst du mich noch? Hast du ge­meint, ich sei tot? Spring­le­ben­dig bin ich…‹ Und da be­merk­te ich zum ers­ten Male, dass Col­la­ni Deutsch re­de­te! – ›Matt­hi­as, be­eil dich, wenn du die al­ten Frau­en ret­ten willst. Sonst kom­m’ ich sie ho­len. Sie wer­den in…‹ Da ging die Stim­me, die doch nicht Col­la­nis Stim­me war, in ein Flüs­tern über, so­dass ich die nächs­ten Wor­te nicht ver­stand. Und dann wie­der, laut und deut­lich ver­nehm­bar: ›Hörst du es pfei­fen? Es pfeift und dies Pfei­fen be­deu­tet den Tod.

      Fünf­zehn Jah­re hab’ ich ge­war­tet! Zu­erst die in Ba­sel, dann die in Bern! Die eine war klug, sie hat mich durch­schaut, die spar’ ich mir auf. Die an­de­re hat mei­ne Toch­ter schlecht er­zo­gen. Da­für muss sie ge­straft wer­den.‹ Ein La­chen und dann schwieg die Stim­me. Dies­mal war Col­la­nis Schlaf so tief, dass ich Mühe hat­te, den Mann zu we­cken…

      End­lich klap­pen sei­ne Li­der ganz auf, er sieht mich an, er­staunt. Da fra­ge ich den Hell­se­her­kor­po­ral: ›Weißt du, was du mir er­zählt hast, mein Sohn?‹ – Zu­erst schüt­telt Col­la­ni den Kopf, dann er­wi­dert er: ›Ich sah einen Mann, den ich in Fez ge­pflegt hat­te vor fünf­zehn Jah­ren. Er ist ge­stor­ben, da­mals, an ei­nem bö­sen Fie­ber… Im Jah­re sie­ben­zehn, wäh­rend des Welt­krie­ge­s… Dann sah ich zwei Frau­en. Die eine hat­te eine War­ze ne­ben dem lin­ken Na­sen­flü­gel… Der Mann da­mals in Fez – wie hieß er? Wie hieß er nur?‹ – Col­la­ni reibt sich die Stir­ne, er fin­det den Na­men nicht, ich hel­fe ihm auch nicht – ›der Mann in Fez hat mir einen Brief ge­ge­ben. Den soll ich ab­schi­cken, nach fünf­zehn Jah­ren. Ich hab’ ihn ab­ge­schickt. An sei­nem To­des­tag. Am 20. Juli. Der Brief ist fort, ja er ist fort!‹, schreit er plötz­lich. ›Ich will mit der Sa­che nichts mehr zu tun ha­ben! Es ist un­er­träg­lich. Ja­wohl!‹, schreit er noch lau­ter, als ant­wor­te er dem Vor­wurf ei­nes Un­sicht­ba­ren. ›Ich habe eine Ko­pie be­hal­ten. Was soll ich mit der Ko­pie tun?‹ – Der Hell­se­her­kor­po­ral ringt die Hän­de. Ich be­ru­hi­ge ihn: ›Bring mir die Ab­schrift des Brie­fes, mein Sohn. Dann wird dein Ge­wis­sen ent­las­tet sein. Geh! Jetzt gleich!‹ – ›Ja, mein Va­ter‹, sagt Col­la­ni, steht auf und geht zur Türe. Ich höre noch die Nä­gel sei­ner Soh­len auf dem Stein vor mei­ner Hau­stü­re krei­schen…

      Und dann hab’ ich ihn nie mehr ge­se­hen! Er ver­schwand aus Géryville. Man nahm an, Col­la­ni sei de­ser­tiert. Der Fall wur­de auf Be­fehl des Ba­tail­lons­kom­man­dan­ten un­ter­sucht. Man fand her­aus, dass am glei­chen Abend ein Frem­der in ei­nem Auto nach Géryville ge­kom­men und in der glei­chen Nacht wie­der ab­ge­fah­ren war. Vi­el­leicht hat er den Hell­se­her­kor­po­ral mit­ge­nom­men…«

      Pa­ter Matt­hi­as schwieg. Im klei­nen Raum war ein­zig das Schnar­chen des di­cken Wir­tes zu hö­ren und da­zwi­schen, ganz lei­se, das Ti­cken ei­ner Wand­uhr…

      Der Wei­ße Va­ter nahm die Hand vom Ge­sicht. Sei­ne Au­gen wa­ren leicht ge­rötet, und noch im­mer ge­mahn­te ihre Far­be an das Meer – aber nun la­gen Ne­bel­schwa­den über den Was­sern und ver­bar­gen die Son­ne. Der alte Mann, der aus­sah wie der Schnei­der Meck­meck, mus­ter­te sei­ne Zu­hö­rer.

      Es war ein schwie­ri­ges Un­ter­fan­gen, drei mit al­len Was­sern ge­wa­sche­nen Kri­mi­na­lis­ten eine Ge­s­pens­ter­ge­schich­te zu er­zäh­len. Sie lie­ßen ein lan­ges Schwei­gen wal­ten, dann klopf­te der eine, Ma­de­lin, mit der fla­chen СКАЧАТЬ