Wachtmeister Studer. Friedrich C. Glauser
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Читать онлайн книгу Wachtmeister Studer - Friedrich C. Glauser страница 58

Название: Wachtmeister Studer

Автор: Friedrich C. Glauser

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962816315

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СКАЧАТЬ der Lau­be lehn­te – g’spä­ßig war das Haus ge­baut: die Lau­be ging auf ein Gärt­lein, ob­wohl die Woh­nung im drit­ten Stock­werk lag, und das Gärt­lein war von ei­ner Mau­er um­ge­ben, in die eine Türe ein­ge­las­sen war; wo­hin führ­te die Tür?… wohl auf eine Ne­ben­gas­se – er rief dem Meit­schi und es kam nä­her.

      Es war na­tür­lich und selbst­ver­ständ­lich, dass der Wacht­meis­ter das Meit­schi sanft zu dem Lehn­stuhl führ­te, in dem eine alte Frau fried­lich schlum­mer­te.

      Aber wäh­rend die Toch­ter ihr win­zi­ges Nas­tuch zog und sich die Trä­nen trock­ne­te, fiel dem Wacht­meis­ter et­was auf:

      Die alte Frau im Lehn­stuhl trug einen ro­ten Schlaf­rock, der mit Kaf­fee­fle­cken über­sät war. Aber an den Fü­ßen trug sie hohe Schnürs­tie­fel, Aus­geh­schu­he – nein! Kei­ner­lei Pan­tof­feln!

      Dann such­te Stu­der nach dem Gas­zäh­ler: Er hock­te oben an der Wand, gleich ne­ben der Woh­nungs­tür, auf ei­nem Brett und sah mit sei­nen Zif­fer­blät­tern aus wie ein grü­nes und feis­tes und gri­mas­sie­ren­des Ge­sicht.

      Aber der Haup­t­hahn stand schief!…

      Er stand schief. Er bil­de­te, woll­te man ge­nau sein, einen Win­kel von fünf­und­vier­zig Gra­d…

      Wa­rum war er nur halb ge­öff­net? Wa­rum nicht ganz?

      Im Grun­de ging einen der gan­ze Fall ja nichts an. Man war Wacht­meis­ter bei der Ber­ner Fahn­dungs­po­li­zei, da soll­ten die Bas­ler se­hen, wie sie zu Schlag ka­men. Üb­ri­gens, es schi­en ein Selbst­mord zu sein, ein Selbst­mord durch Leucht­gas – nichts Un­ge­wöhn­li­ches. Und nichts Un­ge­wohn­tes…

      Stu­der ging in den Wohn­raum, der zu­gleich Schlaf­zim­mer war – die Couch in der Ecke! – und such­te nun nach dem Te­le­fon­buch. Es lag auf dem Schreib­tisch, ne­ben ei­nem aus­ge­brei­te­ten Kar­ten­spiel. Wäh­rend er nach der Num­mer der Sa­ni­täts­po­li­zei such­te, dach­te der Wacht­meis­ter ver­schwom­men, wie un­ge­wöhn­lich es ei­gent­lich war, dass eine Selbst­mör­de­rin vor dem Frei­to­de noch Pa­ti­encen leg­te… Da fiel ein Blatt Pa­pier aus dem Te­le­fon­buch zu Bo­den, Stu­der hob es auf, leg­te es ne­ben das aus­ge­brei­te­te Kar­ten­spiel – merk­wür­dig, oben in der Ecke links, die Kar­ten wa­ren in vier Rei­hen aus­ge­legt, lag der Pi­que­bub, der Schuf­le­bu­ur… Stu­der stell­te die Num­mer ein. Es summ­te, summ­te. Der Sa­ni­täts­po­li­zist hat­te wohl aus­gie­big Sil­ves­ter ge­fei­ert. End­lich mel­de­te sich eine tei­gi­ge Stim­me. Stu­der gab Aus­kunft: Spa­len­berg 12, drit­ter Stock, Jo­se­pha Cle­man-Hor­nuss. Selbst­mord… Dann häng­te er an.

      Er hielt das Pa­pier noch in der Hand, das aus dem Te­le­fon­buch zu Bo­den ge­flat­tert war. Es war ver­gilbt, zu­sam­men­ge­fal­tet, die un­be­schrie­be­ne Sei­te nach au­ßen. Stu­der öff­ne­te es. – Eine Fie­ber­kur­ve…

      HÔPITAL MILITAIRE DE FEZ.

       Nom: Cle­man, Vic­tor Alois. Pro­fes­si­on: Géo­logue.

       Na­tio­na­lité: Suis­se.

       En­trée: 12/7/1917. – Pa­lu­dis­me.

      Ins Deut­sche über­tra­gen hieß dies, dass es sich um einen ge­wis­sen Cle­man Vic­tor Alois han­del­te; sein Be­ruf: Geo­lo­ge; sein Hei­mat­land: die Schweiz; das Da­tum sei­nes Ein­trit­tes: zwölf­ter Juli neun­zehn­hun­dert­sie­ben­zehn. Und er­krankt war der Mann an Sumpf­fie­ber, an Mala­ria.

      Die Fie­ber­kur­ve hat­te stei­le Spit­zen, sie lief vom 12. bis zum 30. Juli. Und hin­ter dem 30. Juli hat­te ein Blau­stift ein Kreuz ge­zeich­net. Am 30. Juli war also der Cle­man Alois Vic­tor, Geo­lo­ge, Schwei­zer, ge­stor­ben.

      Cle­man?… Cle­man-Hor­nuss?… Spa­len­berg 12?…

      Stu­der zog sein Ring­buch. Da stand es, auf der ers­ten Sei­te des Weih­nachts­ge­schen­kes!…

      »Meit­schi!«, rief Stu­der; das Fräu­lein im Pelz­jackett schi­en über die An­re­de nicht über­mä­ßig er­staunt zu sein.

      »Los, Meit­schi«, sag­te Stu­der. Und es sol­le ab­ho­cken. Er hat­te sein Ring­buch auf den Tisch ge­legt und mach­te sich, No­ti­zen wäh­rend er das Mäd­chen aus­frag­te.

      Und es sah wirk­lich aus, als habe Wacht­meis­ter Stu­der einen neu­en Fall über­nom­men.

      »War das dein Va­ter?«, frag­te Stu­der und zeig­te auf den Na­men oben auf der Fie­ber­kur­ve.

      Ni­cken.

      »Wie hei­ßest?«

      »Ma­rie… Ma­rie Cle­man.«

      »Also, ich bin der Wacht­meis­ter Stu­der von Bern. Und der Mann, der dich heut mor­gen ab­ge­holt hat, der hat mich um Schutz ge­be­ten – falls et­was pas­sie­re in der Schweiz. Er hat mir ein Mär­li er­zählt, aber an dem Mär­li ist eins wahr: dei­ne Mut­ter ist tot.«

      Stu­der stock­te. Er dach­te an das Pfei­fen. Kein Pfeil. Kein Bol­zen. Kein ge­tupf­tes Ban­d… Gas!… Gas pfiff auch, wenn es aus den Bren­nern ström­te… Item!… Und ver­tief­te sich in die Fie­ber­kur­ve.

      Am 18. hat­te die Abend- und am 19. Juli die Mor­gen­tem­pe­ra­tur 37,25 be­tra­gen. Über die­sem Strich war ver­merkt:

      »Sul­fa­te de qui­ni­ne 2 km.«

      Seit wann gab man Chi­nin ki­lo­me­ter­wei­se? Ein Schreib­feh­ler? Wahr­schein­lich han­del­te es sich um eine Ein­sprit­zung und statt 2 ccm, was die Ab­kür­zung für Ku­bik­zen­ti­me­ter ge­we­sen wäre, hat­te ir­gend­ein Stof­fel »km« ge­schrie­ben.

      Mi­ra…

      »Dein Va­ter«, sag­te Stu­der, »ist in Marok­ko ge­stor­ben. In Fez. Er hat dort, wie ich ge­hört habe, nach Er­zen ge­schürft. Für die fran­zö­si­sche Re­gie­rung… Apro­pos, wer war der Mann, der dich heut am Bahn­hof ab­ge­holt hat?«

      »Mein On­kel Matt­hi­as«, sag­te Ma­rie er­staunt.

      »Stimmt«, sag­te Stu­der. »Ich hab’ ihn in Pa­ris ken­nen­ge­lernt.«

      Schwei­gen. Der Wacht­meis­ter saß hin­ter dem fla­chen Schreib­tisch, be­quem zu­rück­ge­lehnt. Ma­rie Cle­man stand vor ihm und spiel­te mit ih­rem Nas­tuch. In das Schwei­gen schrill­te die Klin­gel des Te­le­fons; Ma­rie woll­te auf­ste­hen, aber Stu­der wink­te ihr zu: sie sol­le nur sit­zen­blei­ben. Er nahm den Hö­rer ab, sag­te, wie er es von sei­nem Büro im Amts­haus ge­wöhnt war: »Ja?«

      »Ist Frau Cle­man da?«

      Eine un­an­ge­neh­me Stim­me, schrill und laut.

      »Im Au­gen­blick nicht, soll ich et­was aus­rich­ten?«, frag­te Stu­der.

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