Wachtmeister Studer. Friedrich C. Glauser
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Читать онлайн книгу Wachtmeister Studer - Friedrich C. Glauser страница 57

Название: Wachtmeister Studer

Автор: Friedrich C. Glauser

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962816315

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СКАЧАТЬ ein. Als er er­wach­te, saß ihm ge­gen­über im­mer noch das Meit­schi, es schi­en sich kaum be­wegt zu ha­ben. Nur das blaue Päck­li mit den Zi­ga­ret­ten, das in Pa­ris noch voll ge­we­sen war, lag als lee­res Pa­pier, zu­sam­men­ge­knäu­elt, in ei­ner Ecke. Und Stu­der hat­te Kopf­weh, weil das Kupée blau von Rauch war…

      Er trug sei­nen Kof­fer und den sei­ner Mit­rei­sen­den bis an den Zoll, ver­ab­schie­de­te sich dann und stieß mit ei­nem Man­ne zu­sam­men, der auf dem Kop­fe eine Kap­pe trug, die aus­sah wie ein von ei­nem Töp­fer ver­pfusch­ter Blu­men­topf; eine wei­ße Mönchs­kut­te hüll­te sei­nen ma­ge­ren Kör­per ein und die Füße, die blut­ten, steck­ten in of­fe­nen San­da­len…

      Wacht­meis­ter Stu­der er­war­te­te eine herz­li­che Be­grü­ßung. Sie er­folg­te nicht. Das Ge­sicht, mit dem Schnei­der­bärt­lein am Kinn, sah ängst­lich aus und trau­rig, der Mund –wie bleich wa­ren die Lip­pen! – mur­mel­te: »Ah, In­spek­tor! Wie geht’s?« Und ohne eine Ant­wort ab­zu­war­ten, wand­te sich Pa­ter Matt­hi­as dem jun­gen Mäd­chen zu, das mit Stu­der ge­reist war, und nahm ihm den Kof­fer ab. Vor dem Bahn­hof stie­gen die bei­den in ein Taxi und fuh­ren da­von.

      Der Wacht­meis­ter hob die mäch­ti­gen Ach­seln. Die Pro­phe­zei­un­gen des Hell­se­her­kor­po­rals, die ein Wei­ßer Va­ter drei Kri­mi­na­lis­ten in ei­ner Bei­ze bei den Pa­ri­ser Markt­hal­len auf­ge­tischt hat­te, schie­nen je­der Be­stä­ti­gung zu ent­beh­ren. Denn hät­te der Pa­ter ih­nen Glau­ben ge­schenkt, so wäre es sei­ne Pf­licht ge­we­sen, Wa­che zu hal­ten bei der… der… wie hieß sie nur? Ei­ner­lei!… bei der Frau auf dem Spa­len­berg, um sie zu schüt­zen ge­gen einen Tod, der ir­gend et­was mit Pfei­fen zu tun hat­te… Pfei­fen… Was pfiff? Ein Pfeil… Der Bol­zen ei­nes Blas­roh­res… Was noch? Eine Schlan­ge?… Das wa­ren al­les Erin­ne­run­gen aus den De­tek­tiv­ge­schich­ten des Herrn Co­nan Doy­le, der un­ter die Spi­ri­tis­ten ge­gan­gen war. – Es gab da eine Ge­schich­te… Wie hieß sie? Das ge­tupf­te… ge­tupf­te… Ja, das ge­tupf­te Band! Da wi­ckel­te sich eine Schlan­ge um eine Klin­gel­schnur. Nun, Herr Co­nan Doy­le be­saß Fan­ta­sie, aber Stu­der hat­te kei­ne Bris­sa­gos mehr. So lie­bens­wür­dig und gast­freund­lich die Fran­zo­sen auch wa­ren, Bris­sa­gos kann­ten sie nicht… Und dar­um ließ sich der Wacht­meis­ter sein läng­li­ches Le­de­re­tui am Bahn­hof­ki­osk frisch fül­len. Aber er ver­sag­te sich den Ge­nuss, so­gleich einen die­ser Sten­gel an­zu­zün­den, son­dern be­gab sich zu­erst ins Buf­fet, all­wo er z’Mor­gen aß, aus­gie­big und fried­lich. Und dann be­schloss er, einen Freund auf­zu­su­chen, der in der Mis­si­ons­s­tra­ße wohn­te.

      Un­ter­wegs, zu­erst in der Frei­en Stra­ße, denn es war noch früh am Mor­gen und Stu­der mach­te einen Um­weg, um sei­nen Freund nicht zu früh auf­zu­stö­ren, schüt­tel­te er den Kopf. Das scha­de­te we­nig, denn es gab kei­ne Passan­ten, die sich über dies Kopf­schüt­teln und das nach­he­ri­ge Selbst­ge­spräch hät­ten auf­hal­ten kön­nen. Wacht­meis­ter Stu­der schüt­tel­te also sei­nen Kopf und mur­mel­te: »Er duzt die En­gel nicht.« Und Pa­ter Matt­hi­as schi­en ein Mann zu sein, der vol­ler Rän­ke war.

      Auf dem Markt­platz schüt­tel­te er noch ein­mal den Kopf und mur­mel­te dann: »Das jun­ge Ja­kob­li lässt den al­ten Ja­kob grü­ßen.« Das Hedy war doch ein merk­wür­di­ges Frau­en­zim­mer!… Nun war es nah an den Fünf­zig, Groß­mut­ter dazu, aber es lieb­te eine ori­gi­nel­le Aus­drucks­wei­se. Frü­her hät­te sich Stu­der dar­über ge­är­gert. Aber nach sie­ben­und­zwan­zig­jäh­ri­ger Ehe wird man nicht mehr taub… s’He­dy!… Die Frau hat­te es nicht im­mer leicht ge­habt. Aber ein tap­fe­rer Kerl war sie… Und nun: eine tap­fe­re Groß­mut­ter…

      Groß­mut­ter… Stu­der blick­te auf, blieb ste­hen, denn es ging berg­auf. Rich­tig: der Spa­len­berg! Und eine Num­mer leuch­te­te ihm ent­ge­gen…

      Da flog das Hau­stor auf, ein Mäd­chen stürz­te her­aus, und da der Wacht­meis­ter der ein­zi­ge Mensch auf der Stra­ße war, pack­te es na­tür­lich ihn am Är­mel und keuch­te:

      »Kom­men Sie mit!… Die Mut­ter!… Es riecht nach Gas!…«

      Und Wacht­meis­ter Stu­der von der Ber­ner Fahn­dungs­po­li­zei folg­te sei­nem Schick­sal: dies­mal hat­te es die Ge­stalt ei­nes jun­gen Meit­schis an­ge­nom­men das ger­ne star­ke fran­zö­si­sche Zi­ga­ret­ten rauch­te und ein Pelz­jackett, graue Wild­le­der­schu­he und graue Sei­den­st­rümp­fe trug.

      »Blyb uf dr Lou­be!«, sag­te Stu­der, nach­dem er keu­chend drei Stock­wer­ke er­stie­gen hat­te. Ohne Zwei­fel, der Gas­ge­ruch war deut­lich! Kei­ne Klin­ke, kein Schlüs­sel an der Tü­re… Tan­nen­holz – und ein schwa­ches Schloss…

      Stu­der nahm sechs Schrit­te An­lauf, kei­nen ein­zi­gen mehr. Aber eine sim­ple Tan­nen­holz­tü­re ver­mag dem An­prall ei­nes Dop­pel­zent­ners nicht stand­zu­hal­ten. So gab die Türe ge­hor­sam nach – nicht das Holz, son­dern das Schloss – und eine Wol­ke von Gas ström­te Stu­der ent­ge­gen. Zum Glück war sein Nas­tuch groß. Er kno­te­te es im Na­cken fest, so­dass es Mund und Nase be­deck­te.

      »Blyb dus­se, Meit­schi!«, rief Stu­der noch. Zwei Schrit­te – und die win­zi­ge Kü­che war durch­quert; eine Türe wur­de auf­ge­sto­ßen. Das Wohn­zim­mer war qua­dra­tisch, weiß­ge­kalkt. Der Wacht­meis­ter riss das Fens­ter auf und lehn­te sich hin­aus… Und das Nas­tuch ließ sich wie eine Fast­nachts­mas­ke ab­strei­fen…

      Ein Ge­wirr von Dä­chern… Ka­mi­ne stie­ßen fried­lich ih­ren Rauch in die kal­te Win­ter­luft. Reif glänz­te auf den dunklen Zie­geln. Und über den höchs­ten First kroch lang­sam eine blei­che Win­ter­son­ne. Der ein­drin­gen­de Luft­zug nahm das gif­ti­ge Gas mit sich.

      Stu­der wand­te sich um und sah einen fla­chen Schreib­tisch, eine Couch, drei Stüh­le; an der Wand das Te­le­fon. Er durch­quer­te den Raum, ge­lang­te in die kor­ri­dor­ar­ti­ge Kü­che. Die bei­den Häh­ne des Réchauds wa­ren ge­öff­net, das Gas pfiff aus den Bren­nern. Ge­dan­ken­los schloss Stu­der die­se Häh­ne. Es war nicht sehr ein­fach, denn ein Lehn­stuhl stand im Wege, mit grü­nem Samt über­zo­gen. In ihm saß eine alte Frau, son­der­bar fried­lich, ge­löst und schi­en zu schla­fen. Die eine Hand ruh­te auf der Arm­leh­ne, der Wacht­meis­ter er­griff sie, tas­te­te nach dem Puls, schüt­tel­te den Kopf und leg­te die kal­te Hand vor­sich­tig auf das ge­schnitz­te Holz zu­rück.

      Win­zig war die Kü­che wirk­lich. An­dert­halb Me­ter auf zwei, ein Kor­ri­dor eher. Über dem Gas­réchaud hing an der Wand ein Holz­ge­stell. Blech­do­sen – ehe­mals weiß email­liert, jetzt ge­bräunt, die Gla­sur ab­ge­sto­ßen: »Kaf­fee«, »Mehl«, »Salz«… Al­les war ärm­lich. Und durch den leich­ten Gas­ge­ruch, der noch zu­rück­b­lieb, stach deut­lich ein an­de­rer: Kamp­fer…

      Es roch nach al­ter Frau, nach ein­sa­mer, al­ter Frau.

      Es war ein ganz be­stimm­ter Ge­ruch, den Stu­der kann­te; er kann­te ihn aus den win­zi­gen Woh­nun­gen in der Metz­ger­gas­se, wo es hin und wie­der ei­ner al­ten Frau zu lang­wei­lig wur­de oder СКАЧАТЬ