Wachtmeister Studer. Friedrich C. Glauser
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Читать онлайн книгу Wachtmeister Studer - Friedrich C. Glauser страница 62

Название: Wachtmeister Studer

Автор: Friedrich C. Glauser

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962816315

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СКАЧАТЬ zog den Raglan an und schmet­ter­te die Türe hin­ter sich ins Schloss…

      »Ja, ja, der Köbu!«, nick­te Mur­mann und zün­de­te den Stum­pen wie­der an; dann las er schmun­zelnd den Leit­ar­ti­kel zu Ende, der vom An­wach­sen der ro­ten Ge­fahr han­del­te. Denn Mur­mann war frei­sin­nig und glaub­te an die­se Ge­fahr…

      Ge­rech­tig­keits­gas­se 44. Ne­ben der Haus­tür das Schild ei­ner Tanz­schu­le. Höl­zer­ne Stie­gen. Sehr sau­ber, nicht wie in je­nem an­de­ren Haus – am Spa­len­berg. Im drit­ten Stock, auf ei­ner gelb ge­stri­che­nen Tür, die of­fen­stand, eine Vi­si­ten­kar­te:

      So­phie Hor­nuss

      Die­se Frau war also nicht von Be­ruf Wit­we ge­we­sen! Stu­der trat ein.

      Auf dem Bo­den lag das Schloss, das beim Auf­spren­gen der Tür her­ab­ge­fal­len war.

      Stil­le…

      Das Vor­zim­mer ge­räu­mig und dun­kel. Links ging eine Gla­stü­re in die Kü­che. Stu­der schnup­per­te: auch hier wie­der der Gas­ge­ruch. Das Kü­chen­fens­ter stand of­fen, die Lam­pe, die von der De­cke hing, trug über dem Por­zel­lan­schirm ein Stück qua­dra­ti­schen Sei­den­stof­fes von vio­let­ter Far­be, an des­sen Ecken brau­ne Holz­ku­geln hin­gen. Sie pen­del­te hin und her.

      Nahe dem Fens­ter ein so­li­der Gas­herd mit vier Bren­nern, Back­röh­re, Grill. Und ne­ben dem Gas­herd ein be­que­mer le­der­ner Klub­ses­sel, der sich merk­wür­dig ge­nug in der Kü­che aus­nahm. Wer hat­te ihn aus dem Wohn­zim­mer in die Kü­che ge­schleppt? Die alte Frau?

      Auf dem mit Wachs­tuch über­zo­ge­nen Kü­chen­tisch la­gen Spiel­kar­ten, vier Rei­hen zu acht Kar­ten. Die ers­te Kar­te der obers­ten Rei­he war der Schau­fel­bau­er, der Pi­que-Bube.

      Stu­der hat­te die Hän­de auf den Rücken ge­legt und ging in der Kü­che auf und ab, öff­ne­te den Schaft, schloss ihn wie­der, nahm eine Pfan­ne von der Wand, lupf­te einen De­ckel…

      Im Schütt­stein stand eine Tas­se mit schwar­zem Satz auf dem Grun­de… Stu­der roch dar­an: ein schwa­cher Anis­ge­ruch. Er kos­te­te.

      Der bit­te­re Nach­ge­schmack, der lan­ge an der Zun­ge haf­te­te… Der Ge­ruch! – Es war ein Zu­fall, dass Stu­der bei­des kann­te. Vor zwei Jah­ren hat­te ihm der Arzt ge­gen Schlaf­lo­sig­keit Som­ni­fen ver­schrie­ben.

      Som­ni­fen!… Der gal­len­bit­te­re Ge­schmack, der Anis­ge­ruch… Hat­te die alte Frau auch an Schlaf­lo­sig­keit ge­lit­ten?

      Aber warum, zum Tüü­fu, hat­te sie ein Schlaf­mit­tel ge­nom­men, her­nach einen Klub­fau­teuil in die Kü­che ge­schleppt und schließ­lich die Häh­ne des Gas­her­des auf­ge­dreht? Wa­rum?

      Eine tote Frau in Ba­sel, eine tote Frau in Bern… Als Ver­bin­dungs­glied zwi­schen den bei­den der Mann: Cle­man Alois Vic­tor, Geo­lo­ge und Schwei­zer, ge­stor­ben im Mi­li­tär­hos­pi­tal zu Fez wäh­rend des Welt­krie­ges. Wa­rum be­gin­gen die bei­den Frau­en des Man­nes Cle­man fünf­zehn Jah­re spä­ter Selbst­mord? Die eine heu­te, die an­de­re ges­tern? Be­gin­gen Selbst­mord auf eine, ge­lin­de ge­sagt, merk­wür­di­ge Ma­nier?

      War dies viel­leicht der »Gro­ße Fall«, von dem je­der Kri­mi­na­list träumt, auch wenn er nur ein ein­fa­cher Fahn­der ist?

      »Ein­fach!«… Das Wort pass­te ei­gent­lich nicht auf den Wacht­meis­ter. Wäre Stu­der »ein­fach« ge­we­sen, so hät­ten sei­ne Kol­le­gen, vom Po­li­zei­haupt­mann bis zum sim­plen Ge­frei­ten, nicht be­haup­tet, er »spin­ne män­gisch«.

      An die­ser Be­haup­tung war zum Teil die große Bank­ge­schich­te schuld, die ihm das Ge­nick ge­bro­chen hat­te, da­mals, als er wohl­be­stall­ter Kom­mis­sär bei der Stadt­po­li­zei ge­we­sen war. Er hat­te den Ab­schied neh­men und bei der Kan­tons­po­li­zei als ein­fa­cher Fahn­der wie­der an­fan­gen müs­sen. In kur­z­er Zeit war er zum Wacht­meis­ter auf­ge­stie­gen; denn er sprach flie­ßend drei Spra­chen: Fran­zö­sisch, Ita­lie­nisch, Deutsch. Er las Eng­lisch. Er hat­te bei Groß in Graz und bei Lo­card in Lyon ge­ar­bei­tet. Er be­saß gute Be­kann­te in Ber­lin, Lon­don, Wien – vor al­lem in Pa­ris. An kri­mi­no­lo­gi­sche Kon­gres­se wur­de ge­wöhn­lich er de­le­giert. Wenn sei­ne Kol­le­gen be­haup­te­ten, er spin­ne, so mein­ten sie viel­leicht da­mit, dass er für einen Ber­ner all­zu viel Fan­ta­sie be­saß. Aber auch dies stimm­te nicht ganz. Er sah viel­leicht nur et­was wei­ter als sei­ne Nase, die lang, spitz und dünn aus sei­nem ha­ge­ren Ge­sicht stach und so gar nicht zu sei­nem mas­si­ven Kör­per pas­sen woll­te.

      Stu­der er­in­ner­te sich, dass er einen As­sis­ten­ten am Ge­richts­me­di­zi­ni­schen von ei­nem frü­he­ren Fall her kann­te. Er ging durch die Woh­nung und such­te das Te­le­fon. Im Wohn­zim­mer – rote Plüsch­fau­teuils mit Deck­chen, ver­schnör­kel­ter Tisch, Säul­chen­schreib­tisch – war das Te­le­fon an der Wand an­ge­bracht.

      Stu­der hob den Hö­rer ab, stell­te die Num­mer ein.

      »Ich möch­te Dr. Mala­pel­le spre­chen… Ja?… Sind Sie’s, Dot­to­re? Ha­ben Sie die Sek­ti­on schon ge­macht?… Ja­wohl, von der Gas­lei­che, wie Sie sa­gen… Sen­ti, Dot­to­re!…« Und Stu­der sprach wei­ter Ita­lie­nisch, er­zähl­te von sei­nem Ver­dacht auf Som­ni­fen… Der Arzt ver­sprach das Pro­to­koll auf den Nach­mit­tag.

      Dann blät­ter­te der Wacht­meis­ter wei­ter im Te­le­fon­buch. Nein, hier war kei­ne Fie­ber­ta­bel­le ver­steckt. Das Zim­mer sah nicht aus, als sei es durch­sucht wor­den. Stu­der pro­bier­te die Schub­la­den am Schreib­tisch, sie wa­ren ver­schlos­sen.

      Das Schlaf­zim­mer… Ein rie­si­ges Bett dar­in und vor dem ein­zi­gen Fens­ter rote Plüsch­vor­hän­ge. Sie ver­dun­kel­ten den Raum. Stu­der zog die Vor­hän­ge auf.

      Über dem Bett hing das Bild ei­nes Man­nes.

      In Bern eine ein­sa­me Frau, in Ba­sel eine ein­sa­me Frau. – Die Frau in Bern hat­te es ein we­nig schö­ner ge­habt, Zwei­zim­mer­woh­nung mit Kü­che, wäh­rend die Jo­se­pha in Ba­sel den Durch­gangs­kor­ri­dor zum Wohn- und Schlaf­zim­mer als Kü­che be­nutzt hat­te. Aber ein­sam wa­ren sie bei­de ge­we­sen. Stu­der er­tapp­te sich dar­auf, die al­ten Frau­en bei ih­rem Vor­na­men zu nen­nen. Die Jo­se­pha in Ba­sel und die So­phie in Bern, bei­de schlurf­ten in Fin­ken in ih­ren Woh­nun­gen her­um, wahr­schein­lich gin­gen sie auch in Fin­ken über die Stra­ße »go posch­te«…

      Merk­wür­dig, dass in der Woh­nung der Jo­se­pha in Ba­sel kein Bild des ver­stor­be­nen Geo­lo­gen hing. Jo­se­pha war doch die recht­mä­ßi­ge Gat­tin ge­we­sen, wäh­rend die So­phie nur eine »G’schyd­ni« war…

      Aber über dem Bett der Ge­schie­de­nen hing, mit di­cken Holz­leis­ten ein­ge­rahmt, die ver­grö­ßer­te Fo­to­gra­fie des Cle­man Alois Vic­tor. Denn nur СКАЧАТЬ