Wachtmeister Studer. Friedrich C. Glauser
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Читать онлайн книгу Wachtmeister Studer - Friedrich C. Glauser страница 56

Название: Wachtmeister Studer

Автор: Friedrich C. Glauser

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962816315

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СКАЧАТЬ leg­te die Ell­bo­gen auf die Schen­kel, fal­te­te die Hän­de und be­gann zu fra­gen, lang­sam und be­däch­tig, wäh­rend sei­ne Au­gen ge­senkt blie­ben.

      »Zwei Frau­en? Ihr Bru­der hat sich wohl nicht der Bi­ga­mie schul­dig ge­macht?«

      »Nein«, sag­te Pa­ter Matt­hi­as. »Er ließ sich schei­den von der ers­ten Frau und hei­ra­te­te dann ihre Schwes­ter Jo­se­pha.«

      »So so. Schei­den?«, wie­der­hol­te Stu­der. »Ich dach­te, das gäbe es nicht in der ka­tho­li­schen Re­li­gi­on.« Er hob die Au­gen und sah, dass Pa­ter Matt­hi­as rot ge­wor­den war. Von der sehr ho­hen Stir­ne roll­te eine Blut­wel­le über das braun­ge­brann­te Ge­sicht – nach­her blieb die Haut merk­wür­dig grau ge­fleckt.

      »Ich bin mit acht­zehn Jah­ren zur ka­tho­li­schen Re­li­gi­on über­ge­tre­ten«, sag­te Pa­ter Matt­hi­as lei­se. »Da­rauf­hin wur­de ich von mei­ner Fa­mi­lie ver­sto­ßen.«

      »Was war Ihr Bru­der?«, frag­te Stu­der wei­ter.

      »Geo­lo­ge. Er schürf­te im Sü­den von Marok­ko nach Er­zen: Blei, Sil­ber, Kup­fer. Für die fran­zö­si­sche Re­gie­rung. Und dann ist er in Fez ge­stor­ben.«

      »Sie ha­ben den To­ten­schein ge­se­hen?«

      »Er ist der zwei­ten Frau nach Ba­sel ge­schickt wor­den. Mei­ne Nich­te hat ihn ge­se­hen.«

      »Sie ken­nen Ihre Nich­te?«

      »Ja; sie wohnt in Pa­ris. Sie war hier bei dem Se­kre­tär mei­nes ver­stor­be­nen Bru­ders an­ge­stellt.«

      »Nun«, mein­te Stu­der und zog sein No­tiz­büch­lein aus der Ta­sche – es war ein neu­es Ring­buch, das stark nach Juch­ten roch, ein Weih­nachts­ge­schenk sei­ner Frau, die sich im­mer über sei­ne bil­li­gen Wachs­tuch­büch­li ge­är­gert hat­te. Stu­der schlug es auf.

      »Ge­ben Sie mir die Adres­sen Ih­rer bei­den Schwä­ge­rin­nen«, bat er höf­lich.

      »Jo­se­pha Cle­man-Hor­nuss, Spa­len­berg 12, Ba­sel. – So­phie Hor­nuss, Ge­rech­tig­keits­gas­se 44, Bern.« Der Pa­ter sprach ein we­nig atem­los.

      »Und Sie mei­nen wirk­lich, mein Va­ter, dass den al­ten Frau­en Ge­fahr droht?«

      »Ja… wirk­lich… ich glau­be es… bei mei­ner See­le Se­lig­keit!« Wie­der hät­te Stu­der dem Männ­lein mit dem Schnei­der­bart am liebs­ten ge­sagt: »Re­den Sie we­ni­ger ge­schwol­len!« Aber das ging nicht an. Er sag­te nur:

      »Ich wer­de hier in Pa­ris noch Sil­ves­ter fei­ern, dann den Nacht­zug neh­men und am Neu­jahrs­mor­gen in Ba­sel an­kom­men. Wann fah­ren Sie in die Schweiz?«

      »Heut’… Heut’ nacht!«

      »Dann«, sag­te Go­do­freys Pa­pa­gei­en­stim­me, »dann ha­ben Sie ge­ra­de noch Zeit, ein Taxi zu neh­men.«

      »Mein Gott, ja, Sie ha­ben recht… Aber wo…?«

      Kom­mis­sär Ma­de­lin tauch­te ein Stück Zu­cker in sei­nen Rum und wäh­rend er an die­sem »Canard« lutsch­te, rief er dem schnar­chen­den Bei­zer ein Wort zu.

      Die­ser sprang auf, stürz­te zur Tür, steck­te zwei Fin­ger zwi­schen die Zäh­ne. So gel­lend war der Pfiff, dass sich Pa­ter Matt­hi­as die Ohren zu­hielt.

      Und dann war der Ge­schich­ten­er­zäh­ler ver­schwun­den.

      Kom­mis­sär Ma­de­lin brumm­te: »Ich möcht’ nur ei­nes wis­sen. Hält uns der Mann für klei­ne Kin­der? – Stüdè­re, es tut mir leid. Ich dach­te, er hät­te Wich­ti­ge­res zu er­zäh­len. Und dann war er mir emp­foh­len wor­den. Er hat Pro­tek­tio­nen, hohe Pro­tek­tio­nen!… Aber nicht ein­mal eine Run­de hat er be­zahlt! Wirk­lich, er ist ein Kind!«

      »Ver­zei­hung, Chef«, ent­geg­ne­te Go­do­frey. »Das stimmt nicht. Kin­der ste­hen mit den En­geln auf du und du. Aber un­ser Pa­ter duzt die En­gel nicht…«

      »Hä?« Ma­de­lin riss die Au­gen auf und auch Stu­der be­trach­te­te er­staunt das über­e­le­gan­te Zwer­g­lein.

      Go­do­frey ließ sich nicht aus der Ruhe brin­gen.

      »Die En­gel duzt man nur«, sag­te er, »wenn man ein lau­te­res Ge­müt hat. Un­ser Pa­ter ist vol­ler Rän­ke. Sie wer­den noch von ihm hö­ren! Aber jetzt«, er wink­te dem Wirt, »jetzt trin­ken wir Cham­pa­gner auf das Wohl des En­kel­kin­des un­se­res In­spek­tors.« Und er wie­der­hol­te die deut­schen Wor­te des Te­le­gramms: »Das jun­ge Scha­kob­li lässt den al­ten Scha­kob gris­sen…« Stu­der lach­te, dass ihm die Trä­nen in die Au­gen tra­ten und dann tat er sei­nen Beglei­tern Be­scheid.

      Üb­ri­gens war es gut, dass Kom­mis­sär Ma­de­lin sei­nen Po­li­zei­aus­wels bei sich trug. Denn sonst wä­ren die drei Män­ner um zwei Uhr mor­gens si­cher we­gen Nacht­lärm ar­re­tiert wor­den. Stu­der hat­te es sich in den Kopf ge­setzt, sei­nen bei­den Beglei­tern das Lied vom »Bri­en­zer Bu­ur­li« bei­zu­brin­gen, und ein uni­for­mier­ter Po­li­zist fand einen Pa­ri­ser Bou­le­vard un­ge­eig­net für eine Ge­sangs­stun­de. Er be­ru­hig­te sich je­doch, als er den Be­ruf der drei Män­ner fest­ge­stellt hat­te. Und so konn­te Wacht­meis­ter Stu­der fort­fah­ren, sei­nen Kol­le­gen von der Pa­ri­ser Si­cher­heits­po­li­zei ber­ni­sches Kul­tur­gut zu ver­mit­teln. Er lehr­te sie: »Nie­ne geit’s so schön und lusch­tig…«, wor­auf ihm das Wort »Em­men­tal« Ge­le­gen­heit gab, den Un­ter­schied zwi­schen Greyer­zer- und Em­men­ta­ler­kä­se zu er­läu­tern. Denn in Frank­reich herrscht die ket­ze­ri­sche An­sicht, je­der Schwei­zer­kä­se stam­me aus dem Greyer­zer­lan­de…

      Gas

      Nach­dem Wacht­meis­ter Stu­der sei­nen ram­po­nier­ten Schweins­le­der­kof­fer in ei­nem Ab­teil des Nacht­schnell­zu­ges Pa­ris-Ba­sel ver­staut hat­te, ließ er im Gang das Fens­ter her­ab und nahm Ab­schied von sei­nen Freun­den. Kom­mis­sär Ma­de­lin zog mit Äch­zen und Stöh­nen eine in Zei­tungs­pa­pier ver­pack­te Fla­sche aus der Man­tel­ta­sche, Go­do­frey reich­te ein Päck­lein zum Wag­gon­fens­ter hin­auf, das ohne Zwei­fel eine Ter­ri­ne Gans­le­ber­pas­te­te ent­hielt, und lis­pel­te: »Pour ma­da­me!« Dann fuhr der Zug aus der Hal­le des Ost­bahn­ho­fes und Stu­der kehr­te in sein Dritt­klass-Ab­teil zu­rück.

      Sei­nem Eck­platz ge­gen­über hat­te ein Fräu­lein Platz ge­nom­men. Pelz­jackett, graue Wild­le­der­schu­he, graus­ei­de­ne St­rümp­fe. Das Fräu­lein zün­de­te eine Zi­ga­ret­te an – aus­ge­spro­chen männ­li­che Rau­cher­wa­re, fran­zö­si­sche Ré­gie-Zi­ga­ret­ten: Gau­loi­ses. Sie streck­te Stu­der das blaue Päck­lein hin und der Wacht­meis­ter be­dien­te sich. Das Fräu­lein er­zähl­te, es sei Bas­le­rin und wol­le sei­ne Mut­ter be­su­chen. СКАЧАТЬ