Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ницше
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СКАЧАТЬ Schau­spie­ler Na­mens Gey­er. Ein Gey­er ist bei­na­he schon ein Ad­ler … Das, was bis­her als "Le­ben Wa­gner’s" in Um­lauf ge­bracht ist, ist fa­ble con­ve­nue, wenn nicht Schlim­me­res. Ich be­ken­ne mein Miss­trau­en ge­gen je­den Punkt, der bloss durch Wa­gner selbst be­zeugt ist. Er hat­te nicht Stolz ge­nug zu ir­gend ei­ner Wahr­heit über sich, Nie­mand war we­ni­ger stolz; er blieb, ganz wie Vic­tor Hugo, auch im Bio­gra­phi­schen sich treu, – er blieb Schau­spie­ler. <<<

      – Mein Brief, scheint es, ist ei­nem Miss­ver­ständ­nis­se aus­ge­setzt. Auf ge­wis­sen Ge­sich­tern zei­gen sich die Fal­ten der Dank­bar­keit; ich höre selbst ein be­schei­de­nes Frohlo­cken. Ich zöge vor, hier wie in vie­len Din­gen, ver­stan­den zu wer­den. – Seit­dem aber in den Wein­ber­gen des deut­schen Geis­tes ein neu­es Thier haust, der Reichs­wurm, die be­rühm­te Rhin­o­xe­ra, wird kein Wort von mir mehr ver­stan­den. Die Kreuz­zei­tung selbst be­zeugt es mir, nicht zu re­den vom lit­te­ra­ri­schen Cen­tral­blatt. – Ich habe den Deut­schen die tiefs­ten Bü­cher ge­ge­ben, die sie über­haupt be­sit­zen – Grund ge­nug, dass die Deut­schen kein Wort da­von ver­stehn … Wenn ich in die­ser Schrift Wa­gnern den Krieg ma­che – und, ne­ben­bei, ei­nem deut­schen "Ge­schmack" –, wenn ich für den Bay­reuther Cre­ti­nis­mus har­te Wor­te habe, so möch­te ich am al­ler­we­nigs­ten ir­gend wel­chen and­ren Mu­si­kern da­mit ein Fest ma­chen. And­re Mu­si­ker kom­men ge­gen Wa­gner nicht in Be­tracht. Es steht schlimm über­haupt. Der Ver­fall ist all­ge­mein. Die Krank­heit liegt in der Tie­fe. Wenn Wa­gner der Name bleibt für den Ruin der Mu­sik, wie Ber­ni­ni für den Ruin der Skulp­tur, so ist er doch nicht des­sen Ur­sa­che. Er hat nur des­sen tem­po be­schleu­nigt, – frei­lich in ei­ner Wei­se, dass man mit Ent­set­zen vor die­sem fast plötz­li­chen Ab­wärts, Ab­grund­wärts steht. Er hat­te die Nai­ve­tät der dé­ca­dence: dies war sei­ne Über­le­gen­heit. Er glaub­te an sie, er blieb vor kei­ner Lo­gik der dé­ca­dence stehn. Die An­dern zö­gern – das un­ter­schei­det sie. Sonst Nichts! … Das Ge­mein­sa­me zwi­schen Wa­gner und "den An­dern" – ich zäh­le es auf: der Nie­der­gang der or­ga­ni­si­ren­den Kraft; der Miss­brauch über­lie­fer­ter Mit­tel, ohne das recht­fer­ti­gen­de Ver­mö­gen, das zum-Zweck; die Falsch­mün­ze­rei in der Nach­bil­dung gros­ser For­men, für die heu­te Nie­mand stark, stolz, selbst­ge­wiss, ge­sund ge­nug ist; die Über­le­ben­dig­keit im Kleins­ten; der Af­fekt um je­den Preis; das Raf­fi­ne­ment als Aus­druck des ver­arm­ten Le­bens; im­mer mehr Ner­ven an Stel­le des Flei­sches. – Ich ken­ne nur Ei­nen Mu­si­ker, der heu­te noch im Stan­de ist, eine Ou­ver­tü­re aus gan­ze in Hol­ze zu schnit­zen: und Nie­mand kennt ihn … Was heu­te be­rühmt ist, macht, im Ver­gleich mit Wa­gner, nicht "bes­se­re" Mu­sik, son­dern nur un­ent­schie­de­nere, son­dern nur gleich­gül­ti­ge­re: – gleich­gül­ti­ge­re, weil das Hal­be da­mit ab­ge­than ist, dass das Gan­ze da ist. Aber Wa­gner war ganz; aber Wa­gner war die gan­ze Ver­derb­niss; aber Wa­gner war der Muth, der Wil­le, die Über­zeu­gung in der Ver­derb­niss – was liegt noch an Jo­han­nes Brahms! … Sein Glück war ein deut­sches Miss­ver­ständ­niss: man nahm ihn als Ant­ago­nis­ten Wa­gner’s, – man brauch­te einen Ant­ago­nis­ten! – Das macht kei­ne nothwen­di­ge Mu­sik, das macht vor Al­lem zu viel Mu­sik! – Wenn man nicht reich ist, soll man stolz ge­nug sein zur Ar­muth! … Die Sym­pa­thie, die Brahms un­leug­bar hier und da ein­flösst, ganz ab­ge­se­hen von je­nem Par­tei-In­ter­es­se, Par­tei-Miss­ver­ständ­nis­se, war mir lan­ge ein Räth­sel: bis ich end­lich, durch einen Zu­fall bei­na­he, da­hin­ter kam, dass er auf einen be­stimm­ten Ty­pus von Men­schen wirkt. Er hat die Me­lan­cho­lie des Un­ver­mö­gens; er schafft nicht aus der Fül­le, er durs­tet nach der Fül­le. Rech­net man ab, was er nach­macht, was er gros­sen al­ten oder exo­tisch-mo­der­nen Stil­for­men ent­lehnt – er ist Meis­ter in der Co­pie –, so bleibt als sein Ei­gens­tes die Sehn­sucht… Das er­rat­hen die Sehn­süch­ti­gen, die Un­be­frie­dig­ten al­ler Art. Er ist zu we­nig Per­son, zu we­nig Mit­tel­punk­t… Das ver­ste­hen die "Un­per­sön­li­chen" die Pe­ri­phe­ri­schen, – sie lie­ben ihn da­für. In Son­der­heit ist er der Mu­si­ker ei­ner Art un­be­frie­dig­ter Frau­en. Fünf­zig Schritt wei­ter: und man hat die Wa­gne­ria­ne­rin – ganz wie man fünf­zig Schritt über Brahms hin­aus Wa­gner fin­det –, die Wa­gne­ria­ne­rin, einen aus­ge­präg­te­ren, in­ter­essan­te­ren, vor Al­lem an­muthi­ge­ren Ty­pus. Brahms ist rüh­rend, so lan­ge er heim­lich schwärmt oder über sich trau­ert – dar­in ist er "mo­dern" –; er wird kalt, er geht uns Nichts mehr an, so­bald er die Klas­si­ker be­erbt … Man nennt Brahms gern den Er­ben Beetho­ven’s: ich ken­ne kei­nen vor­sich­ti­ge­ren Eu­phe­mis­mus. – Al­les, was heu­te in der Mu­sik auf "gros­sen Stil" An­spruch macht, ist da­mit ent­we­der falsch ge­gen uns oder falsch ge­gen sich. Die­se Al­ter­na­ti­ve ist nach­denk­lich ge­nug: sie schliesst näm­lich eine Ca­suis­tik über den Werth der zwei Fäl­le in sich ein. "Falsch ge­gen uns": da­ge­gen pro­tes­tirt der In­stinkt der Meis­ten – sie wol­len nicht be­tro­gen wer­den –; ich selbst frei­lich wür­de die­sen Ty­pus im­mer noch dem an­de­ren ("falsch ge­gen sich" ) vor­ziehn. Dies ist mein Ge­schmack. – Fass­li­cher, für die "Ar­men im Geis­te" aus­ge­drückt: Brahms – oder Wa­gner … Brahms ist kein Schau­spie­ler. – Man kann einen gu­ten Theil der and­ren Mu­si­ker in den Be­griff Brahms sub­su­mi­ren. – Ich sage kein Wort von den klu­gen Af­fen Wa­gner’s, zum Bei­spiel von Gold­mark: mit der "Kö­ni­gin von Saba" ge­hört man in die Me­na­ge­rie, – man kann sich se­hen las­sen. – Was heu­te gut ge­macht, meis­ter­haft ge­macht wer­den kann, ist nur das Klei­ne. Hier al­lein ist noch Recht­schaf­fen­heit mög­lich. – Nichts kann aber die Mu­sik in der Haupt­sa­che von der Haupt­sa­che kur­i­ren, von der Fa­ta­li­tät, Aus­druck des phy­sio­lo­gi­schen Wi­der­spruchs zu sein, – mo­dern zu sein. Der bes­te Un­ter­richt, die ge­wis­sen­haf­tes­te Schu­lung, die grund­sätz­li­che In­ti­mi­tät, ja selbst Iso­la­ti­on in der Ge­sell­schaft der al­ten Meis­ter – das bleibt Al­les nur pal­lia­ti­visch, stren­ger ge­re­det, il­lu­so­risch, weil man die Voraus­set­zung dazu nicht mehr im Lei­be hat: sei dies nun die star­ke Ras­se ei­nes Hän­del, sei es die über­strö­men­de Ani­ma­li­tät ei­nes Ros­si­ni. – Nicht je­der hat das Recht zu je­dem Leh­rer: das gilt von gan­zen Zeit­al­tern. – An sich ist die Mög­lich­keit nicht aus­ge­schlos­sen, dass es noch Res­te stär­ke­rer Ge­schlech­ter, ty­pisch un­zeit­ge­mäs­ser Men­schen ir­gend­wo in Eu­ro­pa giebt: von da aus wäre eine ver­spä­te­te Schön­heit und Voll­kom­men­heit auch für die Mu­sik noch zu er­hof­fen. Was wir, bes­ten Falls, noch er­le­ben kön­nen, sind Aus­nah­men. Von der Re­gel, dass die Ver­derb­niss oben­auf, dass die Ver­derb­niss fa­ta­lis­tisch ist, ret­tet die Mu­sik kein Gott. –