Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ницше
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СКАЧАТЬ ge­nau die­sel­ben phy­sio­lo­gi­schen Ty­pen vor, wel­che die Ro­ma­ne Do­stoiew­sky’s schil­dern), die Her­ren-Moral ("rö­misch", "heid­nisch", "klas­sisch", "Re­naissance") um­ge­kehrt als die Zei­chen­spra­che der Wohl­ge­rat­hen­heit, des auf­stei­gen­den Le­bens, des Wil­lens zur Macht als Prin­cips des Le­bens. Die Her­ren-Moral be­jaht eben­so in­stink­tiv, wie die christ­li­che ver­neint ("Gott", "Jen­seits", "Ent­selbs­tung" lau­ter Ne­ga­tio­nen). Die ers­te­re giebt aus ih­rer Fül­le an die Din­ge ab – sie ver­klärt, sie ver­schönt, sie ver­nünf­tigt die Welt –, die letz­te­re ver­armt, ver­blasst, ver­häss­licht den Werth der Din­ge, sie ver­neint die Welt. "Welt" ein christ­li­ches Schimpf­wort. – Die­se Ge­gen­satz­for­men in der Op­tik der Wert­he sind bei­de nothwen­dig: es sind Ar­ten zu se­hen, de­nen man mit Grün­den und Wi­der­le­gun­gen nicht bei­kommt. Man wi­der­legt das Chris­tent­hum nicht, man wi­der­legt eine Krank­heit des Au­ges nicht. Dass man den Pes­si­mis­mus wie eine Phi­lo­so­phie be­kämpft hat, war der Gip­fel­punkt des ge­lehr­ten Idio­tent­hums. Die Be­grif­fe "wahr" und "un­wahr" ha­ben, wie mir scheint, in der Op­tik kei­nen Sinn. – Wo­ge­gen man sich al­lein zu weh­ten hat, das ist die Falsch­heit, die In­stinkt-Dop­pel­zün­gig­keit, wel­che die­se Ge­gen­sät­ze nicht als Ge­gen­sät­ze emp­fin­den will: wie es zum Bei­spiel Wa­gner’s Wil­le war, der in sol­chen Falsch­hei­ten kei­ne klei­ne Meis­ter­schaft hat­te. Nach der Her­ren-Moral, der vor­neh­men Moral hin­schie­len (– die is­län­di­sche Sage ist bei­na­he de­ren wich­tigs­te Ur­kun­de) und da­bei die Ge­gen­leh­re, die vom "Evan­ge­li­um der Nied­ri­gen", vom Be­dürf­niss der Er­lö­sung, im Mun­de füh­ren! … Ich be­wun­de­re, an­bei ge­sagt, die Be­schei­den­heit der Chris­ten, die nach Bay­reuth gehn. Ich selbst wür­de ge­wis­se Wor­te nicht aus dem Mun­de ei­nes Wa­gner aus­hal­ten. Es giebt Be­grif­fe, die nicht nach Bay­reuth ge­hö­ren … Wie? ein Chris­tent­hum, zu­recht­ge­macht für Wa­gne­ria­ne­rin­nen, viel­leicht von Wa­gne­ria­ne­rin­nen – denn Wa­gner war in al­ten Ta­gen durch­aus fe­mi­ni­ni ge­ne­ris –? Noch­mals ge­sagt, die Chris­ten von heu­te sind mir zu be­schei­den … Wenn Wa­gner ein Christ war, nun dann war viel­leicht Liszt ein Kir­chen­va­ter! – Das Be­dürf­niss nach Er­lö­sung, der In­be­griff al­ler christ­li­chen Be­dürf­nis­se hat mit sol­chen Hans­wurs­ten Nichts zu thun: es ist die ehr­lichs­te Aus­drucks­form der dé­ca­dence, es ist das über­zeug­tes­te, schmerz­haf­tes­te ja-sa­gen zu ihr in sub­li­men Sym­bo­len und Prak­ti­ken. Der Christ will von sich los­kom­men. Le moi est tou­jours haïssa­ble. – Die vor­neh­me Moral, die Her­ren-Moral, hat um­ge­kehrt ihre Wur­zel in ei­nem tri­um­phi­ren­den ja-sa­gen zu sich, – sie ist Selbst­be­ja­hung, Selbst­ver­herr­li­chung des Le­bens, sie braucht gleich­falls sub­li­me Sym­bo­le und Prak­ti­ken, aber nur "weil ihr das Herz zu voll" ist. Die gan­ze schö­ne, die gan­ze gros­se Kunst ge­hört hier­her: bei­der We­sen ist Dank­bar­keit. And­rer­seits kann man von ihr nicht einen In­stinkt-Wi­der­wil­len ge­gen die dé­ca­dents, einen Hohn, ein Grau­en selbst vor de­ren Sym­bo­lik ab­rech­nen: der­glei­chen ist bei­na­he ihr Be­weis. Der vor­neh­me Rö­mer emp­fand das Chris­tent­hum als foe­da su­pers­ti­tio: ich er­in­ne­re dar­an, wie der letz­te Deut­sche vor­neh­men Ge­schmacks, wie Goe­the das Kreuz emp­fand. Man sucht um­sonst nach wert­h­vol­le­ren, nach nothwen­di­ge­ren Ge­gen­sät­zen …1

      Aber eine sol­che Falsch­heit, wie die der Bay­reuther, ist heu­te kei­ne Aus­nah­me. Wir ken­nen alle den un­äs­the­ti­schen Be­griff des christ­li­chen Jun­kers. Die­se Un­schuld zwi­schen Ge­gen­sät­zen, dies "gute Ge­wis­sen" in der Lüge ist viel­mehr mo­dern par ex­cel­lence, man de­fi­nirt bei­na­he da­mit die Mo­der­ni­tät. Der mo­der­ne Mensch stellt, bio­lo­gisch, einen Wi­der­spruch der Wert­he dar, er sitzt zwi­schen zwei Stüh­len, er sagt in Ei­nem Athem ja und Nein. Was Wun­der, dass ge­ra­de in un­sern Zei­ten die Falsch­heit sel­ber Fleisch und so­gar Ge­nie wur­de? dass Wa­gner "un­ter uns wohn­te"? Nicht ohne Grund nann­te ich Wa­gner den Cagliostro der Mo­der­ni­tät … Aber wir Alle ha­ben, wi­der Wis­sen, wi­der Wil­len, Wert­he, Wor­te, For­meln, Mora­len ent­ge­gen­ge­setz­ter Ab­kunft im Lei­be, – wir sind, phy­sio­lo­gisch be­trach­tet, falsch … Eine Dia­gno­s­tik der mo­der­nen See­le – wo­mit be­gön­ne sie? Mit ei­nem re­so­lu­ten Ein­schnitt in die­se In­stinkt-Wi­der­sprüch­lich­keit, mit der Heraus­lö­sung ih­rer Ge­gen­satz-Wert­he, mit der Vi­vi­sek­ti­on voll­zo­gen an ih­rem lehr­reichs­ten Fall. – Der Fall Wa­gner ist für den Phi­lo­so­phen ein Glücks­fall, – die­se Schrift ist, man hört es, von der Dank­bar­keit in­spir­irt …

      1 An­mer­kung. über den Ge­gen­satz "vor­neh­me Moral" und "christ­li­che Moral" un­ter­rich­te­te zu­erst mei­ne "Ge­nea­lo­gie der Moral": es giebt viel­leicht kei­ne ent­schei­den­de­re Wen­dung in der Ge­schich­te der re­li­gi­ösen und mo­ra­li­schen Er­kennt­niss. Dies Buch, mein Prüf­stein für Das, was zu mir ge­hört, hat das Glück, nur den höchst­ge­sinn­ten und strengs­ten Geis­tern zu­gäng­lich zu sein: dem Res­te feh­len die Ohren da­für. Man muss sei­ne Lei­den­schaft in Din­gen ha­ben, wo sie heu­te Nie­mand hat … <<<

Der Wanderer und sein Schatten

      Der Schat­ten: Da ich dich so lan­ge nicht re­den hör­te, so möch­te ich dir eine Ge­le­gen­heit ge­ben.

      Der Wan­de­rer: Es re­det: – wo? und wer? Fast ist es mir, als hör­te ich mich sel­ber re­den, nur mit noch schwä­che­rer Stim­me als die mei­ne ist.

      Der Schat­ten (nach ei­ner Wei­le): Freut es dich nicht, Ge­le­gen­heit zum Re­den zu ha­ben?

      Der Wan­de­rer: Bei Gott und al­len Din­gen, an die ich nicht glau­be, mein Schat­ten re­det; ich höre es, aber glau­be es nicht.

      Der Schat­ten: Neh­men wir es hin und den­ken wir nicht wei­ter dar­über nach, in ei­ner Stun­de ist al­les vor­bei.

      Der Wan­de­rer: Ganz so dach­te ich, als ich in ei­nem Wal­de bei Pisa erst zwei und dann fünf Ka­me­le sah.

      Der Schat­ten: Es ist gut, daß wir bei­de auf glei­che Wei­se nach­sich­tig ge­gen uns sind, wenn ein­mal un­se­re Ver­nunft stil­le steht: so wer­den wir uns auch im Ge­sprä­che nicht är­ger­lich wer­den und nicht gleich dem an­dern Dau­men­schrau­ben an­le­gen, falls sein Wort uns ein­mal un­ver­ständ­lich klingt. Weiß man ge­ra­de nicht zu ant­wor­ten, so ge­nügt es schon, et­was zu sa­gen: das ist die bil­li­ge Be­din­gung, un­ter der ich mich mit je­man­dem un­ter­re­de. Bei ei­nem län­ge­ren Ge­sprä­che wird auch der Wei­ses­te ein­mal zum Nar­ren Und drei­mal zum Tropf.

      Der Wan­de­rer: Dei­ne Ge­nüg­sam­keit ist nicht schmei­chel­haft für den, wel­chem du sie ein­ge­stehst.

      Der Schat­ten: Soll ich denn schmei­cheln?

      Der Wan­de­rer: Ich dach­te, der mensch­li­che Schat­ten sei sei­ne Ei­tel­keit; die­se aber wür­de nie fra­gen: "soll ich denn schmei­cheln?"

      Der Schat­ten: Die mensch­li­che Ei­tel­keit, so­weit ich sie ken­ne, СКАЧАТЬ