Ausgewählte Werke von Heinrich Zschokke. Heinrich Zschokke
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Название: Ausgewählte Werke von Heinrich Zschokke

Автор: Heinrich Zschokke

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия:

isbn: 9788027214945

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СКАЧАТЬ bis wir's aufgeben. Die Memmen bekommen nur darum Schläge, weil sie dem Feinde den Rücken selbst darbieten.«

      »Beim Sanniklaus, Mooser,« rief Schybi, »Du bist der einzige Mann von Herz. Ich sage, wir wollen das Junkerlager vor Mellingen noch diese Nacht mit dem Degen in der Faust erstürmen und niedermetzeln, was drin lebt.«

      Addrich stimmte ihm bei und bewies die Wahrscheinlichkeit des guten Erfolges. Man haderte darüber, ohne einig zu werden, bis tief in die Nacht, und beschloß, den folgenden Morgen zu erwarten, da alsdann auch das Kriegsvolk geruht und frischere Zuversicht gewonnen haben werde. Am folgenden Tage indessen folgte eine böse Nachricht der andern. Man erfuhr, daß während der Nacht viele Bauern einzeln das Lager verlassen und den Weg in ihre Heimat angetreten hätten. Dann, daß nach langen Beratungen ein Ausschuß von vierzig Männern im Namen der Berner, Luzerner, Solothurner und Baseler Landleute früh schon den Pfarrer Hemman auf dem Dorfe Ammerswyl herbeigeholt und von ihm begleitet sich ins Lager der Eidgenossen begeben hätte, wohin auch der Bürgermeister Waser von Zürich gekommen sei. Der Ausschuß sollte reuige Unterwerfung versprechen, wenn man billige Bedingungen gestatten und künftig mit dem geplagten Landvolke so umgehen würde, daß es zu ertragen wäre.

      »Da haben wir den Unglückstopf voll!« rief Addrich erbost, als er zum Obmann und den übrigen Anführern in den Saal trat. »Es ist alles aufgelöst, und daran ist Dein Hasenherz schuld, Leuenberg. Warum ließest Du den Schybi nicht in der Nacht das feindliche Lager überfallen? Jetzt säßen wir zu Mellingen oder im Paradiese beim Frühstück. Nun aber kriechen die feigen Hunde mit gesenktem Schwanz zu Kreuz.«

      Leuenberg antwortete nicht, sondern ging nachdenkend und ernst im Zimmer auf und nieder.

      »So fahret insgesamt zur Hölle!« rief Christen Schybi. »Glückliche Reise! Ich gehe zu meinen Entlebuchern und Luzernern; die bringe ich mit drei Worten herum. Wir kapitulieren nicht und ziehen heim.«

      Damit entfernte er sich. Leuenberg erblaßte; Addrichs Augen funkelten von innerem Grimme und sein Gesicht glühte im Zorne dunkelrot. Er drückte sich mit geballter Faust den Hut über die Stirn und rief: »He, Obmann des festen Bundes, hast Du noch einen Entschluß im Sack, wie er dem Manne geziemt, oder nur breite Worte nach Deiner Art im Munde?«

      »Wenn einer verderben soll, so muß alles dazu helfen,« sagte Leuenberg mit schwacher Stimme.

      »So verdirb und stirb!« schrie Addrich mit Verachtung und Unwillen. »Ich gehe zu meinen Oberländern; sie werden keine Lust haben, sich vor den Thoren von Mellingen aufknüpfen zu lassen. Die Männer aus Saanenland haben Mark in den Knochen.« Damit ging er und schmetterte die Thür hinter sich zu, daß das Haus bebte.

      Mittags kamen die Abgeordneten aus Wertmüllers Lager zurück. Sie sagten, man müsse die Waffen niederlegen, auseinander gehen und die Bundesbriefe ausliefern. Alle Beschwerde solle gütlich abgethan oder zu rechtlichem Urteil gestellt werden. Wer Gehorsam leiste, komme ohne Strafe davon.

      Die bewaffneten Haufen, je nach den verschiedenen Gegenden und Kantonen geordnet, traten beratend zusammen. Nach langem Geschrei erklärte sich eine Rotte nach der andern zur Unterwerfung geneigt. Nur die aus dem Kanton Luzern verschmähten die angebotene Gnade und stellten sich mit ihrem Gepäck in Reihe und Glied, wie zum kriegerischen Abzuge, auf. Ebenso sah man die Oberländer auf einer andern Seite, weit entfernt von Unterwerfung, sich zum bewaffneten Zuge nach ihren heimatlichen Gebirgen rüsten.

      Noch pflog Leuenberg mit den übrigen Häuptern Rat, als die Bauern schon vor seinem Quartier die weiße Fahne aufsteckten und durch einige Kanonenschüsse den Eidgenossen verkündeten, daß die Bedingungen angekommen wären.

      46.

       Die Nacht auf der Bampf.

       Inhaltsverzeichnis

      »Brich auf! Auf!« rief Addrich seinem jungen Freunde zu, als er diesen, nach langem Suchen, in einer großen Scheune hilfeleistend zwischen den Reihen auf Stroh gelagerter Verwundeten fand. »Quäle diese armen Sünder nicht länger mit Deiner Kunst. Selig sind die Toten!«

      Fabian erwiderte, ohne aufzusehen: »Dein Feierabend, Addrich, ist vorhanden: nun beginnt meine Arbeit. Ich verlasse diese Unglücklichen nicht, bevor ich nicht den letzten Verband angelegt habe,«

      »Gieb Dir nicht die Mühe, Bursche,« sagte Addrich, »Gottes Ebenbilder ausflicken zu wollen. Du hast im Himmel und auf Erden keinen Dank dafür. Komm, lasse ihren armen Seelen die Thore offen, durch die sie zur ewigen Freiheit entrinnen können. Komm, alle unsere Helden laufen davon und denken: weit vom Geschütz giebt alte Kriegsleute. In wenigen Stunden wirst Du mit Raben und Geiern noch allein bei Toten und Sterbenden sein. Morgen feiert der Henker seinen Ehrentag. Gehe ihm aus dem Wege!«

      Der Alte fuhr noch lange fort, den jungen Arzt in diesem Ton zu mahnen, in welchem die Verzweiflung über sich selbst sich belustigen zu wollen schien. Fabian antwortete zuletzt nicht mehr, sondern von mehreren Gehilfen umringt, setzte er sein menschenfreundliches Geschäft fort, bis der letzte Mann versorgt und die Dämmerung schon eingebrochen war. Dann wandte er sich zum Alten und sagte: »Nun folge ich Dir. Sprich, wohin? Das Schweizerland hat keine Freistätte für Dich, flüchte über den Rhein.«

      »Tropf!« rief Addrich, ergriff ihn beim Arme und riß ihn mit sich fort, zum Dorfe hinaus, auf die Straße nach Lenzburg. »Ein freier Mann hat überall seine Freistätte. Ich und der Tod fürchten weder Kerker noch Henker; wir sind aller Orten Meister. Ich gehe nicht über den Rhein. Komme mit mir hinaus ins Moos, daß ich meine sterbende Tochter noch einmal sehe. Du bleibst mit Deinem Weibe an Lorelis Lager und pflegst die Leidende, bis sie ausgerungen hat. Dann gebe ich Dir und Epiphania das Recht, über Haus und Hof nach Gefallen zu schalten. Ich werde nie dahin zurückkehren. Ich scheide von Euch, möge niemand mehr nach mir fragen.«

      »Das ist ein böser Ausgang,« seufzte Fabian und verdoppelte seinen Schritt, denn der Alte ging rasch. »Ich hatte ihn geweissagt. Warum mußtest Du meine Warnung in den Wind schlagen? Es ist alles verloren! Die Städte werden Rache nehmen und auf ihren Richtplätzen so viel Hemden mit Blut tränken, als sie auf dem Schlachtfelde bei Mellingen Scharlachhemden sahen.«

      »Es ist manchmal eine Sau im Kartenspiel,« versetzte Addrich, »und diesmal war's der Leuenberger, an dem selbst der Name unehrlich ist, weil er lügt. Der Hase kann Männchen machen, und bleibt doch ein Hase. Er hat uns alles verdorben. Fresse er nun, was er sich einbrockte. Gieb Acht, der wird ganz gottesfürchtig zwischen Pfaffen und Scharfrichtern sterben. Ganz recht so. Auf dem Schlachtfelde eine Kugel durch den Kopf, hätte nur eine neue Lüge in die Welt gesetzt und das alte Weib in Hosen zum Freiheitsmärtyrer gestempelt.«

      »Wenn Du ihn kanntest, Addrich, warum hieltest Du's mit ihm?«

      »Weil man auch mit Koth mauern kann, wo der Kalk teurer ist. Aber vorwärts, wir Beide haben Eile. Ich muß mein Wort lösen und Dich Deinem jungen Weibe wieder einhändigen. Magst von Glück reden, daß Du nicht schon an einem Mägenwyler Apfelbaum hängst; Bolzen und Scheibe waren nicht mehr weit voneinander. Es verlautete unter den Bauern allgemein, ein Doktor habe dem Wertmüller Schybis Plan verraten und den Anschlag auf Mellingen vereitelt. Schybi nannte geradezu Dich, bis ich ihm bewies, daß Du mich nie verlassen habest. Ich denke, Gideon, der niederträchtige Prahlhans, hat das ausgestreut.«

      Unter diesen Gesprächen eilten beide an dem Felsen vorüber, auf welchem die Mauern des Schlosses Lenzburg ruhen, über Äcker und Wiesen nach Seon. Die Sonne war längst untergegangen, aber noch glühte vom Abendrot der Saum einiger Wolken hinter den Solothurner Juragipfeln. Der Himmel war schwarz behangen. Im Westen sah man СКАЧАТЬ