Ausgewählte Werke von Heinrich Zschokke. Heinrich Zschokke
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Название: Ausgewählte Werke von Heinrich Zschokke

Автор: Heinrich Zschokke

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия:

isbn: 9788027214945

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СКАЧАТЬ und Addrich selbst, nebst einem anderen aus dem Kriegsrat, empfing den Auftrag, mit dem feindlichen Anführer über einen Waffenstillstand bis zum folgenden Tage zu unterhandeln. Die Abgeordneten hatten leichtes Spiel, diesen Waffenstillstand bewilligt zu erhalten. Oberst Wertmüller von Zürich und der Schaffhausener Oberst Rühums, die ihnen schon von weitem entgegengeritten waren, bewilligten, was sie forderten, mit großer Freundlichkeit; ermahnten eifrig zum Frieden und zur Niederlegung der Waffen, und versprachen dagegen unbedingte Verzeihung für alles schon angerichtete Unglück. Sie zogen darauf ihre Gruppen wirklich zurück, und auch das Bundesheer des Landvolkes kehrte wieder zum verlassenen Lager heim.

      Hier aber herrschte jetzt die größte Thätigkeit, um Schybis Entwürfe auszuführen: Wertmüllers linken Flügel zu umgehen, dessen Mitte in der Stirnseite über Büblikon und Wohlenschwyl anzugreifen und das ganze gegen die reißenden Fluten der Reuß zu werfen. Gleichzeitig sollten die weiter aufwärts bei Villmergen versammelten Schaaren des Aufstandes das Städtchen Bremgarten überfallen, und dort die Reußbrücke, wie die Stadt selbst erstürmen.

      Lange vor Tagesanbruch wurde zum Aufbruch gerüstet, aber die Sonne strahlte schon hell und warm durch die aufgestiegenen Nebel der Thäler, ehe die verworrenen Banden dieses ungelenken Kriegsvolkes auseinanderzogen und einzeln über ihre Richtungslinien, Angriffspunkte und diejenigen ihrer gegenseitigen Unterstützung belehrt worden waren. Bei solcher Langsamkeit der Bewegungen hatten die eidgenössischen Feldherren im Lager von Mellingen bequeme Zeit, sich vor Überraschung zu bewahren, auch wenn nicht schon am Abend zuvor die Botschaft eingetroffen wäre, daß der Paß von Bremgarten durch anrückende Massen der Aufständischen bedroht sei. Indessen hatten auch sie nicht geringe Arbeit, ihre in Waffen und Wendungen ungeübten Streiter gehörig zu ordnen, um die gesamte Reiterei, die fünfhundert Mann stark sein mochte, dreitausend Fußgänger und acht Feldstücke, dem bedrängten Bremgarten zum Beistande aus dem Lager zu ziehen.

      Gerade diese Schwerfälligkeit kam dem Oberbefehlshaber hier wohl zu statten, denn sein Verwandter, der Oberst Wertmüller, war kaum mit der Entsendung ausgerückt und seit einer Viertelstunde am linken Ufer des Reußstromes hinauf in Bewegung, als er auf die roten Schaaren des Aufstandes stieß, welche in der selben Zeit nach Schybis Anleitung daher zogen, das Lager von Mellingen von der Seite zu nehmen. Beide Heere schienen, als sie sich ganz unerwartet erblickten, gleich sehr vor einander zu erstaunen und machten Halt, ohne daß es erst geboten werden mußte. Christen Schybi, in dessen Begleitung auch Addrich mit Fabian war, weil auf dieser Seite besonders das Schicksal des Tages entschieden werden sollte, faßte sich schneller, als sein bestürzter Gegner. Er ließ die beiden Flügel seiner Schlachtreihen ihre Spitzen vorstrecken, während die Mitte ruhig blieb, um so den feindlichen Haufen wie zwischen eine Zange zu fassen, oder ganz zu umklammern und zu erdrücken.

      Das Wirbeln der Trommeln, das Knattern des Gewehrfeuers, der Donner der Feuerschlünde begann, ehe man sich erreichen und schaden konnte. Es schien, als lege man es darauf an, einander durch das Getöse in Furcht zu setzen, welches der Widerhall der Berge und Wälder ringsum hervorrief. Bald hörte man auch seitwärts, hinter den Hügeln, vom Dorfe Wohlenschwyl her, das Knattern der Flintenschüsse. Der Zeiger an der Uhr bewegte sich schneller, als das Vorschieben der Spitzen der Schlachtordnung geschah, die der befehligende Entlebucher an beiden Seiten seines Heeres sich bilden ließ. Auf der anderen Seite machte die Reiterei der Züricher seltsame Sprünge, als sie einigemal abgeschickt wurde, in die langsam nahenden Flügel des Feindes einzuhauen. Vom Flattern der Fahnen, dem Gebrülle der Schlachthaufen und dem Knattern der Schüsse auf allen Seiten wurden die Pferde scheu, welche, dem friedfertigen Gewerbe der Müller, Wirte, Ackerbürger und Fuhrleute entzogen, des Lärmens ungewohnter als die Reiter waren. Die letzteren hatten mit der Widerspenstigkeit ihrer Tiere weit mehr, als mit der Tapferkeit ihres Feindes zu schaffen. Daher sah man die Geschwader gewöhnlich schon auf halbem Wege auseinanderprallen und, einer erschrockenen Herde gleich, zurückrennen.

      Indessen schien sich mit der Dauer des Treffens in beiden Heeren der Mut zu vergrößern; besonders, da jeder Teil auf seiner Seite weder Tote noch Verwundete erblickte, aber deren desto mehr in den gegenüber stehenden Schlachtreihen vermutete. Schybis Banden, die durch ihre Kriegstracht, in roten wollenen Hemden, auf dem Grün der Wiesen einen weiten, blutfarbenen Halbzirkel bildeten, rückten jetzt beherzter heran.

      »Siehe Schybis glühende Zange!« rief Addrich, der mit Fabian seitwärts auf einer Höhe stand, von der er die Bewegung beider Heere überschaute. »Jetzt legt er sie an und wird die Stadtjunker garstig zusammenklemmen.«

      Das Gefecht wurde wilder; die Schüsse fielen schneller. Eine weite Dampfwolke, vom Blitze der Feuerrohre und Feldstücke beständig durchzuckt, breitete sich über beide Heere aus und erfüllte den Raum zwischen ihnen. Während dessen stieg auch in nicht großer Entfernung. seitwärts, ein ungeheurer, braungrauer Rauchschwall zum Himmel. Das Dorf Wohenschwyl stand in Flammen, Thäler und Berge hallten wieder von den Donnerschlägen des Geschützes.

      Addrich stand in tiefer Erwartung, ohne Bewegung, den Blick starr auf die weißlichen Nebel des Pulverdampfes und die Rotten der Kämpfenden gerichtet, welche von Zeit zu Zeit, auf Augenblicke, dazwischen sichtbar wurden und wieder verschwanden. Er empfand in dem gellenden Getöse ein Klingen in den Ohren, dessen Ton ihn an Leonorens Stimme mahnte, wie sie im kranken Traume sang, und unwillkürlich und mit heimlichem Grausen erinnerte er sich der Worte:

      Sie ziehn den roten Bogen,

       Ihn bricht das böse Glück.

       Vor geh'n nun Feuerwogen,

       Ein Blutstrom geht zurück.

      In der That, der Bogen oder die glühende Zange des Entlebuchers war gebrochen, und zwar durch Wertmüllers Kartaunen und Feuerschlünde. Schybis Heerbanden waren durch ihre eigenen Bewegungen in einander verwickelt worden, während dessen Wertmüllers Schlachtlinie stillstehend ihre unveränderte Ordnung behalten hatte. Die Stückschüsse der Züricher und Schaffhausener schlugen daher verheerend in die dichten, zusammengedrängten Haufen der Bauern ein, und diese, beim Anblick der Verwüstung und des Todes, flohen mit panischem Schrecken auseinander. Als die übrigen Schlachthaufen des Aufstandes links und rechts hinter sich Äcker und Wiesen mit unzähligen Flüchtlingen überstreut sahen, wandten auch sie den Rücken, doch mit geringerer Gefahr als die Zerstreuten, denn diese wurden von den feindlichen Reitergeschwadern verfolgt, niedergehauen und gefangen. An zusammengebliebene Heerbanden wagten sich die einzelnen umherjagenden Reiter nicht, und von der unbehülflichen Masse des Fußvolkes ihrer Überwinder hatten die Eilfertigen wenig zu fürchten. Auch verfolgte Wertmüller seinen Sieg nicht weit, indem er sich entweder vor der Schwerfälligkeit seiner Scharen oder vor einem Hinterhalte des Feindes scheute.

      Das Treffen hatte beinahe drei Stunden gedauert. Wohlenschwyl und einzelne Höfe und Wohnungen, wo man sich geschlagen hatte, standen in Flammen. Sieger und Besiegte kehrten in ihre vorigen Lagerstätten zurück.

      Während Fabian mit wenig Gehilfen seinen menschenfreundlichen Beruf an den Verwundeten übte, durchstrich Addrich finster die ganze Strecke des Feldlagers und fand die Bauern überall in Verzagtheit und Schrecken. Sie beratschlagten in großen Haufen, was zu thun sei? Viele verzweifelten am Gedeihen des Unternehmens, an der Möglichkeit des Widerstandes. Andere meinten, man müsse die Hände noch nicht in den Schoß legen; der Riß wäre klein und ginge noch nicht bis an den Hals, doch keiner der Hauptleute wagte mehr zu befehlen; nirgends wurde Gehorsam gefordert oder geleistet. Addrich schalt die Feigherzigen, aber seine heisere Stimme wurde kaum verstanden. Jeder dachte nur, wie er sich selbst helfen könne.

      Spät abends kam Addrich zu Leuenberg ins Hauptlager, wo die Häupter des Aufstandes um den Obmann versammelt standen. Alle begrüßten ihn kleinlaut und fragten ihn um seine Meinung.

      »Guter Rat ist beinahe teuer,« sagte Leuenberg. »Rede, Mooser, Du triffst immer den Nagel aus den Kopf.«

      »Und gerade jetzt,« erwiderte Addrich ärgerlich, СКАЧАТЬ