Ausgewählte Werke von Heinrich Zschokke. Heinrich Zschokke
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Название: Ausgewählte Werke von Heinrich Zschokke

Автор: Heinrich Zschokke

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

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isbn: 9788027214945

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СКАЧАТЬ Deine Zunge,« sagte Fabian, der die plötzliche Verfinsterung des Alten wahrnahm.

      »Hm!« brummte jener ärgerlich, und fuhr mit der Hand über die Augen hin. »Arge Gespensterseherei, wenn der Menschenverstand auf dem Gipfel seiner Höhe gerade den Aberglauben zum ersten Nachbar hat, oder wenn der alberne Zufall ein Gesicht macht, wie die Vorsehung auf dem Stuhle des Schicksals . . . Still! . . . Etwas anderes! . . . Schaue rechts unsere Mannschaft auf dem Mellinger Felde längs dem Waldhügel! Erkennst Du den Gideon, wie er immer zwanzig Schritte vor dem Haufen einhergeht? Herz hat der Teufel. Er ist Soldat mit Haut und Haar. Laß sehen, Kerl, was Du ausrichtest!«

      Addrich's und Fabian's Aufmerksamkeit wurde auf's Höchste gespannt, als sie einige kleine Rotten, in allem kaum über hundert Mann, keck gegen die Züricher vor der Kapelle heranrücken sahen. Gideon Renold, in seinem eigentümlichen, stolzen Gang und seiner schwedischen Tracht, war unverkennbar. Er ließ Halt machen und richtete seine Leute. Diese schrieen den Zürichern Spottwörter zu, oder winkten ihnen mit geschwungenen Hüten, oder drückten ihren Trotz durch andere, minder ehrbare Geberden aus, wie sie der Pöbel am liebsten anwendet und am leichtesten versteht. Inzwischen löste sich aus den Schlachtreihen der Eidgenossen eine mäßige Schar, die unter Trommelschlag den Aufständischen entgegenzog. Ehe man sich noch gegenseitig mit den Kugeln erreichen konnte, wurden schon Schüsse gewechselt. Renolds Schützen standen in den vorderen Reihen; hinter denselben die Speerträger mit niedergehaltenen Spießen. Sie schienen den Feind festen Fußes erwarten zu wollen. Als die Züricher auf halber Schußweite Halt machten, wirbelten die Trommeln der Aufständischen; man hörte Gideons Befehle. Mit lautem Gebrüll, ihr Feuer verdoppelnd, stürmten die Bauern auf die Gegner; die langen Spieße der Hinterreihe streckten sich, gleich den Zähnen eines Kammes, zwischen die Glieder der Vorderreihe, weit hinaus gegen die feindliche Linie. Diese schwankte, zerriß, floh und stob aus einander.

      »Viktoria!« schrie Addrich, vom Sitze aufspringend. Sein Gesicht leuchtete glühend in der Freude; seine Gestalt schien größer geworden zu sein, so sehr streckten sich alle Glieder seines Leibes. Doch bald sanken sie wieder zusammen und sein Viktoria verlor sich in einen dumpfen Fluch, als die ihnen nachjagenden Sieger plötzlich umwandten und in zügelloser Verwirrung zurück, nach den Waldhöhen, eilten, Die Züricher hatten mehrere ihrer Feldstücke vorführen lassen und mit dem mörderischen Donner derselben die wilden Banden ihrer Feinde begrüßt. Als diese zurückprallten und flohen, zog ihnen, wie ein dunkler Schatten, die Reiterei, in geteilten Haufen sie verfolgend, über die Wiesen nach. Viele der Flüchtlinge wurden gefangen, viele verwundet und getötet. Ein Schlachthaufen der Eidgenossen nach dem andern löste sich von der Heerlinie vor Mellingen, und bewegte sich auf der Straße von Lenzburg vorwärts. Von Zeit zu Zeit drang, von ihren abgeschossenen Flinten herrührend, ein weißgrauer Nebelstreif wolkenartig aus ihren Reihen und der Blitz der Feuerschlünde verkündete den nachfolgenden Donner.

      Addrich schüttelte den Kopf und sprach: »Fabian, es ist Zeit für uns, den Rückweg ins Lager anzutreten. Hier heißt's: wohlgeflohen, wohlgefochten! Den Gideon sollte man in eine Kartaune laden und in die Luft schießen. Wenn er nicht starken Rückhalt hatte, mußte er nicht mit einer Hand voll Menschen die ganze feindliche Kriegsmacht necken wollen, der Großprahler. Wir wollen dem Leuenberg treuen Bericht erstatten.«

      »Höre mich, Addrich!« erwiderte Fabian. »Laß uns den Rückweg ins Moos nehmen und, was uns daheim lieb ist, retten. Der schlimme Anfang deutet auf einen schlimmen Ausgang.«

      »Oho! Das heißt zu früh verzagen!« rief Addrich. »Das Ende liegt nicht im Anfange; sonst gäb's elende Musik, wenn's beim Geigenstimmen bliebe. Wir werden in wenigen Tagen anderes erleben; der Letzte hat noch nicht geschossen. Du mußt den Schybi nicht mit dem Gideon, diesem dummdreisten Beller, in Reihe und Glied stellen, oder diesen Vorposten mit unserer Armee vergleichen. Die Kugel wirft nicht nur einmal, es wird wohl noch Kegel geben.«

      Unter Fortsetzung dieses Gesprächs begaben sich beide eilfertiger, als sie gekommen waren, zum Lager.

      45.

       Das Treffen bei Wohlenschwyl.

       Inhaltsverzeichnis

      Bei ihrer Ankunft waren die bösen Botschaften vom Übergange Mellingens an Wertmüllers Kriegsvolk und von der Vertreibung der Vorposten aus Bädlikon und Wohlenschwyl schon ruchbar. Die Bauern standen in großen Haufen zusammen beratend auf den Feldern. Auf allen Gesichtern las man Bestürzung und Sorge. Selbst im Hauptquartier herrschte Verlegenheit; Leuenberg sprach kleinlaut, obwohl fort und fort Nachrichten vom Anwachsen seines Heeres durch frische Zuzüge einliefen. Nur Christen Schybi, lebhaft von Addrich unterstützt, hielt im Kriegsrat den erschütterten Mut der übrigen aufrecht, und man beschloß, auf die Verzweiflung und Übermacht des Volkes vertrauend, den Kampf zu bestehen.

      Man fürchtete, den Feind schon in der Nacht vor dem Lager erscheinen zu sehen. Alles blieb wach und unter den Waffen. Als die Nacht aber ruhig verstrich und auch der folgende Tag – es war ein Sonntag – vorüber ging, ohne daß ein Schuß fiel, genas alles vom ersten Schrecken, und der gesunkene Mut schwoll von neuem auf. Einer wollte es dem andern an Entschlossenheit zuvorthun. Die bewaffneten zahlreichen Haufen sandten Ausschüsse an Leuenberg, mit dem Verlangen, er solle sie gegen den Feind führen. Christen Schybi bestimmte den Dienstag zum allgemeinen Angriff, und machte dem Kriegsrate seine Entwürfe bekannt. Er selbst hatte Augenschein vom Lager der Eidgenossen genommen, und es zum Teil hinter aufgeworfnen Gräben, zum Teil mit Verhauen von gefällten Bäumen und durch zwölf Stücke groben Geschützes, zehn Feldstücke, zwei Feldschlangen und zwei halbe Kartaunen gedeckt gefunden. Nun ließ er die Höhen von Häglingen mit zahlreichem Volk besetzen, welches bestimmt war, am Dienstag über die Niegelweid und Tegerig das Lager des Feindes zu umgehen, während andere Haufen Bremgarten beobachten und berennen, der Hauptangriff aber gegen Wohlenschwyl gerichtet werden sollte.

      Noch war man am Montag zur Ausführung des Plans in vollster Thätigkeit, als von den Vorposten die Meldung einlief, der Feind sei im Anzuge. Plötzlich stand alles unter Waffen. Die verworrenen Haufen scharten sich zusammen und Leuenberg zählte eine Heeresmacht von sechszehn- bis zwanzigtausend Mann. Mit Trommelschlag und fliegenden Bannern zogen die Schlachthaufen vorwärts.

      Beim Anblick dieser Übermacht hielten die feindlichen Haufen still. Es waren ihrer kaum dreitausend Mann, welche unter Anführung des Obersten Wertmüller, eines Verwandten vom Oberfeldherrn der Züricher, vorgeschickt waren, die Stellung und Stärke der Empörten zu erkennen. Ein einzelner Trompeter als Herold des Züricher Befehlshabers sprengte, indem er die Trompete blies, auf der Landstraße allein gegen die vorrückenden Banden und begehrte eine Unterredung mit dem Kommandanten. Leuenberg, umringt von seinen vornehmsten Hauptleuten, gebot den Truppen, auf der ganzen Schlachtlinie Halt zu machen und vernahm das Vorbringen des Herolds. Im Namen seines Obersten lud dieser, um Blutvergießen zu vermeiden, ehe die Feindseligkeiten begännen, zu Unterhandlungen ein.

      »Nichts! Kein längeres Federlesen!« rief Addrich im Kriegsrat, den Leuenberg alsbald in einiger Entfernung hinter den Truppen hielt. »Vorwärts! Umzingelt diese wenigen tausend Mann, erdrückt sie und reibt sie auf! Das schwächt den Feind fast um die Hälfte seiner Streitkräfte, bringt Bestürzung und Schrecken in die andern, die im Lager vor Mellingen zurückblieben, und giebt unsern Leuten Siegesmut.«

      »Nein,« rief Schybi, dem das unerwartete Erscheinen des Feindes alle Pläne zu vereiteln drohte, »nein, nur Geduld! Nur vierundzwanzig Stunden gebt mir Frist, und morgen liefere ich Wertmüller mit seinem ganzen Lager in Eure Gewalt, denn ich habe ihn schon so gut wie im Garne. Seid Ihr zu voreilig, entschlüpft der Vogel und sieht sich besser vor. Macht ihn sicher, unterhandelt, versprecht ihm goldene Berge, Frieden, Unterwerfung, alles, was Ihr wollt; nur schaffet, daß ich Frist habe bis morgen acht Uhr.«

      Addrich СКАЧАТЬ