Ausgewählte Werke von Heinrich Zschokke. Heinrich Zschokke
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Название: Ausgewählte Werke von Heinrich Zschokke

Автор: Heinrich Zschokke

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия:

isbn: 9788027214945

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СКАЧАТЬ sie.

      «Bleiben Sie ohne Sorge, Tante.»

      Eines Morgens, vor Tagesanbruch, ward die Tante auf sonderbare Art geweckt. Ihr Gesicht ward mit Wasser besprengt; unter der Nase ihr ein stark riechendes Fläschchen ums andere gehalten, daß sie fast den Odem verlor.

      Sie schlug die Augen auf und sah den Doktor mit ihrer Nase beschäftigt. «Gerechter Himmel, ich sterbe; ich komme um! Was machen Sie mir denn in die Nase, Vetter!»

      «Still, Tante! Sprechen Sie kein Wort!» sagte der Doktor mit bedeutungsvollem Blick: «Geben Sie mir nur zu verstehen, ob Sie sich besser befinden.»

      «Ganz leidlich, Vetter.»

      «Sie lagen vier Stunden lang in Ohnmacht, Tante; mir war für Ihr Leben bange, jetzt ist's gut. Sie sind gerettet. Ein allerliebstes Kind . . .»

      «Was?» rief Sarah, indem sie sich fast die Nase zerrieb.

      «Ein artiger Knabe. Wollen Sie den Buben sehen? Wenn Sie sich ruhig verhalten, ohne ein Glied zu rühren; so . . .»

      «Aber, Vetter . . .»

      «Ich sage den Leuten, es sei das Kind meiner Frau, dafür gilt es jetzt im Hause.»

      «Ach, Vetter, Ihre Klugheit, Ihre Hilfe, Ihr Rat . . . Sie sind ein Engel.»

      Falk ging. Die Tante zitterte an allen Gliedern vor Schreck und Freude. Sie sah sich um; auf den Tischen standen brennende Kerzen und Arzneigläser dutzendweise. – Eine Frau brachte das Kind, es schlummerte sanft. Sarah sprach kein Wort, betrachtete es lange, fing bitterlich an zu weinen, küßte das junge Wesen unzählige Male und sagte zum Doktor, als es wieder weggetragen war: «Es ist der französische Regimentstrompeter, Gott hab' ihn selig, wie er leibt und lebt! Ja, gewiß, wie er leibt und lebt!»

      Wirkungen.

       Inhaltsverzeichnis

      Nach einigen Wochen, die sehr pünktlich bei guten Kraftbrühen verlebt wurden, trippelte Jungfrau Sarah wieder wohlgemut, stärker und frischer als jemals, im Hause herum. Sie wiegte das Knäbchen und trug es mit Zärtlichkeit umher, und hegte und pflegte es mit wahrer Affenliebe. Sie war glücklich von ihrer närrischen Einbildung durch eine noch weit närrischere geheilt. Dankbar dafür war der erste Gang, welchen sie aus dem Hause tat, zur Kirche, und von der Kirche hin, dem Doktor Falk ihr gesamtes Vermögen gerichtlich verschreiben zu lassen, mit der Bedingung, daß er sie lebenslänglich dafür verpflege, und ihr zum eigenen Gebrauch eine ansehnliche jährliche Summe Taschengeld gebe. Dem Doktor aber machte sie noch den geheimen Artikel zur Pflicht, daß dem Regimentstrompeterlein dermaleinst die Hälfte des gesamten Vermögens zufallen müsse. So ward Doktor Falk plötzlich durch die blauen Wunder der Jungfrau Sarah Waldhorn zum reichen Mann. Der Sieg der medizinischen Fakultät war unwiderruflich entschieden; desto ärger wüteten von nun an die theologische, philosophische und juristische gegen einander. Sie konnten nicht verzeihen, daß sie sich gegenseitig um die Universalerbschaft geprellt hatten. Dem Doktor Falk verzieh man leichter. Er war an allem unschuldig. Man knüpfte sogar wieder Freundschaft mit ihm an, denn er war einer der reichsten Männer in der Stadt; und einen reichen Mann, oder vielmehr sein Geld, kann der Philosoph und Jurist wie der Theologe allezeit gebrauchen.

      Die erbitterten Leutchen trieben ihren gegenseitigen Haß endlich so weit, daß sie ihren Kindern verboten, miteinander zu spielen; daß, wenn zwei einander von fern auf der Straße sahen, beide umkehrten, um sich nicht zu begegnen; wenn zwei einander nicht ausweichen konnten, sie links und rechts vorbei defilierten, ohne sich zu begrüßen. Ihre Todfeindschaft, die oft in die lächerlichsten Ausschweifungen entartete, ward zuletzt Gespräch und Ärgernis der ganzen Stadt.

      «Aber,» sagte Suschen zu ihrem Manne, «es ist doch recht betrübt, Verwandte in solchem Hader zu sehen. Wie wär's, Männchen, wenn du sie wieder versöhntest? Vielleicht wenn du sie einmal zu einem freundlichen Essen zusammenbätest. Beim Glase Wein wärmen die Männer wohl alte Freundschaft wieder auf. Versuch's doch. Es wäre ein schönes Werk getan.»

      «Alles ganz gut!» rief Jungfrau Sarah, «man soll ein Christ sein und sich versöhnen. Ich bin auch dafür. Nur das Essen gebt mir nicht hier im Hause; ich kann die drei Schleicher nicht vor den Augen leiden. Ich kann alles vergeben, aber vergessen nicht. Speiset ihr drüben im Wirtshaus zur Schlacht von Abukir mit einander; nur hier nicht.»

      Die Schlacht von Abukir.

       Inhaltsverzeichnis

      Dem Doktor wäre die Versöhnung seiner Vettern ganz recht und lieb gewesen, doch traute er nur halb. Aber Suschen hatte darum gebeten. Und wenn Suschen sich aufs Bitten legte, dann legte man sich ganz vergebens aufs Abschlagen, besonders Doktor Falk. Er stand zwar nicht unter dem Pantoffel seiner Frau; aber gewiß doch unter ihrer weichen Hand.

      Sehr gelegen zu dem Versöhnungsmahl kam ihm die Anwesenheit zweier großen Gelehrten in der Stadt; beide hatten ihm einst als akademische Lehrer auf der Universität Artigkeit erwiesen. Jetzt konnte er abzahlen, und die Gegenwart dieser beiden großen Männer flößte den drei feindlichen Verwandten wenigstens so viel Achtung ein, daß sie sich in deren Gegenwart nicht mit neuen Vorwürfen reizen konnten. Man tadle doch nicht, was wir im gemeinen Leben Anständigkeit nennen. Sie ist oft das Gängelband, in welchem die kindliche Tugend auf schwachen Füßen laufen lernt. Der eine von den großen Männern, der berühmte Edukationsrat Hahnenkamm, war eigentlich mehr lang als groß, fast riesenhaft, Schattenähnlich, auseinandergezerrt, mager. Der andere große Mann war der Hofrat Pilz, ein kleines, bleiches Männlein, durch seine Schriften hinlänglich der Welt und der Nachwelt bekannt, wenn er nicht etwa vergessen ist. Der Wirt zur Schlacht bei Abukir mußte ein glänzendes Nachtessen rüsten, – der Doktor lud auf ein einfaches sokratisches Mahl ein. So ein sokratisches Mahl bei einem Doktor, reich wie der Mann im Evangelium, wird nicht leicht ausgeschlagen. Man fand sich ein. Zange und die beiden großen Männer erschienen die ersten. Die Unterhaltung war sehr gewürzt durch den attischen Witz der Fremden, die, in literarischen Klatschereien wohl bewandert, von allen durch Schriften bekannten Männern etwas Lächerliches aufzutischen wußten. Als aber der Professor Waldhorn kam, ward dem Advokaten das Lachen teuer. Dieser verzog das breite fleischige Gesicht, als hätt er die Kolik; und jener ging um den Rabulisten in so weitem Bogen herum, als fürchtete er sich, seinen neuen, perlfarbenen Rock mit den weißatlassenen Unterkleidern schon durch den Hauch des Advokaten zu besudeln. Da nun aber gar klein, schwarz, rund und gesund der Pastor Primarius hereinschritt, war's, als führe ein böser Geist in die Versammlung. Die Einheimischen sprachen nur mit dem Fremden; sich selbst mieden sie zu sehen, und geschah es, so war's mit Basiliskenaugen.

      Man setzte sich um die Tafelrunde. Der Doktor trieb mit seinem Witz verschwenderischen Aufwand, Heiterkeit in die Unterhaltung zu bringen. Die beiden großen Männer waren unerschöpflich in skandalösen Gelehrtengeschichten. Alles schien auf dem besten Wege zu sein. Der gute Falk bereitete sich schon zu einer rührenden Versöhnungsszene beim Champagner vor.

      Der Philosoph Waldhorn ließ sich das süße Amt nicht nehmen, bei Tisch zu «Servieren», wie er's hieß. Er gab die Suppe auf, es war Kirschsuppe nach einer ganz neuen Vorschrift! Ein Meisterstück des Abukirerkochs; eine Wollust der Gaumseligen. Die Reihe kam, daß er auch dem Advokaten Zange geben sollte. Das fiel dem Professor schwer aufs Herz – dem Menschen könnt er unmöglich geben. Er zuckte.

      Herr Zange sah mit verbissenem Grimm alles, was in СКАЧАТЬ