Ausgewählte Werke von Heinrich Zschokke. Heinrich Zschokke
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Название: Ausgewählte Werke von Heinrich Zschokke

Автор: Heinrich Zschokke

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия:

isbn: 9788027214945

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СКАЧАТЬ wird immer blauer.

       Inhaltsverzeichnis

      Er hatte recht. Als sie nicht mehr weinen konnte, hielt sie es für christliche Fassung des Gemüts, und sagte mit zitternder Stimme: «Vetter, als Sie gestern mit dem entsetzlichen Ausdruck von mir weggingen . . .»

      Der Doktor wollte wieder auf die Knie fallen und abbitten: «Verzeihen Sie mir doch den Ausdruck, goldene Tante, es war von mir . . .»

      «Nein, Vetter – Sie mochten wohl recht haben.»

      «Es war Dummheit von mir, Tante.»

      «Nein, Vetter, ich vermute, Sie haben recht.»

      «Das ist ja unmöglich, goldene Tante.»

      «Ach, nur allzugewiß, Vetter!»

      «Aber es ist nicht möglich, Tante. Und wenn auch – wenn selbst – nein, Tante, Sie sind gewiß . . .»

      «Vetter, Sie haben recht. Ich hätte in meinem Alter wohl vernünftiger sein sollen, meinen Sie. Und Sie haben recht. Nun aber wissen Sie alles. Das Unglück ist geschehen. Ich war verheiratet – aber heimlich, ganz heimlich – aber ehrlich, aber in der Ordnung. Wer wird mir's nun glauben? Nun ist er in Tirol an einer Stückkugel gestorben. Hier sind Briefe und Zeugnisse. Er ist tot und . . .»

      «Wer denn, Tante?» rief Falk voller Erstaunen.

      «Ach, der Trompeter vom französischen Husarenregiment, Gott hab ihn selig, der vorigen Sommer bis in den Herbst bei mir im Quartier lag. Es war kein gemeiner Trompeter, sondern Regimentstrompeter; sein Vater und Großvater hatten Jahre lang mit großem Beifall die Pauken gerührt. – Aber, gerechter Himmel, Husarenfrau mocht' ich nicht heißen. Und ehe er sich vom Regiment losmachen konnte, mußte er mit dem Regimente fort. Nun sitze ich da als eine junge Husarenwitwe. Keine Seele weiß es; keine Seele glaubt es. Ich sterbe, wenn man's erfährt. Die Stadt würde blaues Wunder schreien! Am Trompeter wäre mir wenig gelegen, aber mein guter Name!»

      Der Doktor schüttelte den Kopf. Er konnte sich von der Verwunderung kaum erholen. Den Trompeter hatte er zwar oft im Zimmer der Jungfrau Waldhorn gesehen, aber – Falk, der Goethe's Idee von der chemischen Wahlverwandtschaft der Menschen immer einen närrischen Einfall geheißen – er hätte sich nie so starke Wahlverwandtschaft zwischen Trompeter und Waldhorn träumen lassen. – Auch jetzt noch hielt er wenigstens die Besorgnisse der Jungfrau – denn so wollte die Witwe heißen – für grundlos; allein sie gab ihm auf seine Fragen über ihr Befinden so sonderbare Antworten, daß er selbst zu glauben anfing. Nun freilich konnte er sich die verschwenderische Freigebigkeit der hochbeängstigten Dame erklären, die lieber das Leben verloren, als es ertragen hätte, daß die ganze Stadt erführe, wie der erste Tugendspiegel aller Jungfrauen so blind überlaufen sei. Er gab sein Ehrenwort, zu schweigen und sie vor aller Welt zu verbergen, bis sie sich wieder mit Sicherheit sehen lassen könne. Bis dahin sollte sie für krank gelten – unter diesem Vorwand und besserer Pflege willen beim Doktor wohnen; allen Umgang abbrechen.

      Die Schenkung des Landhauses beim Wirtshaus zur Schlacht von Abukir ward notarialisch und gerichtlich ausgefertigt; das Landhaus mitten im Winter bezogen. Die jungfräuliche Matrone ward darauf unsichtbar. Sie ließ sich von Suschen allein bedienen, und diese hatte sie selbst in das Geheimnis eingeweiht.

      Gute Folgen.

       Inhaltsverzeichnis

      «Das heißt doch,» sagte sie oft in heitern Stunden zu Suschen, denn immer konnte sie doch nicht verzweifeln; auch tat Suschen alles, was sie der Tante in den Augen las, so daß diese sich in ihrem ganzen Leben nicht so wohl verpflegt und behaglich gefühlt hatte wie im Schoß dieser glücklichen Familie: «Das heißt doch wahrlich, sein blaues Wunder erleben, wenn einen zuletzt noch solches Schicksal trifft. Hätte ich das je denken sollen! Ach, siehe wohl zu, daß du sicher stehest, auf daß du nicht fallest. Ich war aber in allzugroßer, geistlicher Sicherheit! Da ward ich gestraft. O der Trompeter! der Trompeter!»

      Die Begebenheit hatte inzwischen auf Jungfrau Sarah einen sehr wohltätigen Einfluß. Aus bloßer Furcht, sich von den neugierigen Augen ihrer ehemaligen Gesellschafterinnen und Kaffeeschwestern verraten zu sehen, entwöhnte sie sich von dem Umgang derselben, und gewann reinern Vergnügungen im Kreise der Falkschen Familie Geschmack ab. – Zwar hörte sie noch gar zu gern Stadtneuigkeiten, aber – sie gedachte ihrer Schwäche – und verdammte nicht mehr so lieblos wie sonst; höchstens seufzte sie wie eine Gebeugte, welche, ihr eigenes Gericht scheuend, nie wieder richten wollte. Sie ward so nachgiebig, bescheiden, ja demütig, wie man nie von ihr hätte erwarten können. Die Verpflanzung unter andere Menschen, Verhältnisse und Gegenstände, der heroische Entschluß, wodurch sie einen Teil ihrer Güter weggegeben hatte, die Versicherung des Doktors, sie habe Vermögen genug, um zu leben, er wolle es ihr verbürgen – das alles verwandelte sie so sonderbar, als lebe sie in einer andern Welt. Sie gab sogar ihr Wucherhandwerk auf, das sie ohnedem bei ihrer Entfernung von der Welt nicht mehr treiben konnte.

      Unterdessen spieen die drei Fakultäten Feuer und Flamme. Der Advokat Zange und das philologische und theologische Waldhorn machten entsetzlichen Lärm gegeneinander. Denn Jungfrau Sarah hatte ein für allemal einem jeden den fernern Zutritt verboten und jedem dabei gesagt, was der Advokat ausgeplaudert, sowie dem Advokaten, was der Primarius von ihm verraten habe. Die beiden Waldhorne versöhnten sich zwar dem Scheine nach, aber nur um desto stärker durch ihre Vereinigung gegen den Rabulisten zu sein, der ihnen auf alle Bewegungen lauerte, um Stoff zu einem Prozeß zu finden. Der Philosoph schrieb ein vortreffliches Werk gegen die menschlichen Leidenschaften, und der Primarius hielt alle Sonntage die rührendsten Predigten gegen Undank, Verleumdung, Neid, Klatschsucht und Bosheit. Beide stifteten damit viel Gutes, nur ihre eigene Galle wuchs immer dabei.

      Der fromme Betrug.

       Inhaltsverzeichnis

      Inzwischen war nach der langen Winterzeit der Frühling gekommen. Die warmen Sommertage nahten. Doktor Falk hatte schon früh gemerkt, daß sich seine Tante in der Tat Sorgen ohne Not gemacht. Er hatte ihr dies gemeldet und zugleich offenbart, daß ihre Kränklichkeit eine der weiblichen Schwachheiten sei. Umsonst, die Jungfrau ließ sich ihre Einbildung schlechterdings nicht ausreden. Suschen und Falk mußten schweigen und der Tante den lächerlichen Glauben lassen, weil sie drohte, Argwohn gegen des Doktors Freundschaft zu fassen. – Sie hütete meistens das Bett.

      «Sie macht mir bange!» sagte Suschen zu ihrem Manne: «Sie kömmt mir zuweilen wie eine Verwirrte vor.»

      «Das ist sie auch im vollen Sinne des Worts!» sagte der Doktor: «Es ist bei ihr Hypochondrie, fixe Idee! Mit meinen Arzneien treib' ich ihre Einbildungen nicht weg. Was ist zu tun, vielleicht heil ich ihr eine Phantasie mit der andern. Ich gebe seiner Zeit unser Kind ihr für das ihrige.»

      «Aber wird sie das glauben?»

      «Will sie es nicht glauben, so läßt sie es.»

      Nach einigen Wochen erschien Suschen nicht mehr bei der Sarah – so war's von den Eheleuten besprochen. – Der Doktor zeigte ihr an, Suschen habe Unglück gehabt.

      «Das Kind tot?» fragte Sarah.

      «Allerdings!» СКАЧАТЬ