Ausgewählte Werke von Heinrich Zschokke. Heinrich Zschokke
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Название: Ausgewählte Werke von Heinrich Zschokke

Автор: Heinrich Zschokke

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия:

isbn: 9788027214945

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СКАЧАТЬ nicht schmälere Bissen, denn gelebt mußte man doch haben – aber die Frau Doktorin kochte etwas magere Suppen. Item, es schlug allen wohl an. Vater und Mutter und ihre vier Kinder blühten und gediehen; es war eine Lust sie zu sehen. Man saß auf hölzernen Bänken und Strohstühlen so weich, als auf gepolsterten Sofas; schlief auf Laubsäcken recht sanft und ging in keinen kostbaren Kleidern, genug, wenn sie sauber und geschmackvoll waren. Darauf verstand sich denn Suschen vollkommen. Alles war in ihrem Hause so schön, so nett, daß jedermann geschworen hätte, der Doktor habe die beste Einnahme von der Welt. «Wie's auch die Leutchen anfangen mögen!» rief Tante Sarah oft, «Es ist ein blaues Wunder!»

      Freilich gab's auch trübe Tage, wenn die Kasse leer war, und man wochenlang keinen harten Taler im Hause gesehen hatte. Doch dann tröstete man sich so gut man konnte, wenigstens damit, daß Tante Waldhorn reich und kränklich und alt war. Und stieg die Not am höchsten, stand immer die Hilfe am nächsten. Ein wahres, liebes Sprichwort.

      Hoffende Erben.

       Inhaltsverzeichnis

      Der Doktor und Suschen rechneten inzwischen viel zu kühn auf die Erbschaft von der Tante. Denn vorausgesetzt, aber nicht zugegeben, diese teure Jungfrau wäre dem Tode nahe gewesen: blieb doch noch die Frage, ob denn auch Jungfrau Waldhorn ihre Nichte nebst Gemahl zum Universalerben erklären möchte? Zwar hatte dies seufzende Liebes- und Ehepaar die Erbschaft am nötigsten; allein es war noch eine andere Nichte nebst Gemahl, nämlich der Advokat Zange, und zwei Neffen vorhanden, nämlich der Pastor Primarius Waldhorn und der Professor Philosophiä gleichen Namens. Alle hatten so viel rechtliche Ansprüche als Suschen und ihr Mann. Alle hofften mit der gleichen Sehnsucht auf die baldige Himmelfahrt der Jungfrau.

      Der Philosoph Waldhorn hatte wohl dazu die wenigste Ursache. Er war reich genug, ließ sich seinen Braten und Wein wohl schmecken, und philosophierte dabei ganz vortrefflich. Ein Beweis von seinem scharf Sinn ist sein nun zwar vergessenes, damals aber unsterbliches Werk in fünf Bänden: «Die Weltreise unter den Übeln des Lebens», worin er bewies, daß es eigentlich in der Welt gar kein Leiden gäbe; daß aller Schmerz nur Einbildung sei und man alles von der angenehmen Seite betrachten müsse.

      In der Tat betrachtete er die Tante immer von der angenehmen, nämlich von der Geldseite. Er machte ihr fleißig Besuche, lud sie oft zu seinen Gastmahlen, schickte ihr allerlei fette Bissen in die Küche, und war daher auch ihr herzallerliebster Neffe. «Ich habe zwar nichts übrig,» sagte sie zuweilen, «aber sollt' ich einmal mit Tod abgehen, so will ich an Sie denken, Vetter.» – Das hörte der Philosoph gern. Er hoffte die Erbschaft allein zu ziehen, und alle seine Nebenbuhler zu verdunkeln.

      Wohl wär's ihm mit seiner Philosophie gelungen, wenn nicht sein Neffe, der Pastor Primarius Waldhorn, vermöge der Theologie großen Einfluß auf die Tante gehabt hätte. Sie war äußerst fromm und gottesfürchtig, und verachtete die Eitelkeit der Welt; besuchte die Betstunden der Frommen, wo das geistliche Waldhorn oft überlaut ertönte; nahm gern den Besuch des heiligen Vetters an, der mit ihr betete und ihr ziemlich deutlich machte, daß sie ohne seine Hilfe kaum selig werden könne. Wenn sie seufzend, und mit naßgeweinten Augen aus den Erbauungsstunden des Herrn Vetters kam, versicherte sie ihn, daß er der Retter ihrer Seele, ihr allergrößter Wohltäter sei: daß sie ihm noch in ihrem letzten Stündlein danken werde. Das hörte der Pastor recht gern. «Die Universalerbschaft kann mir nicht entgehen!» dachte er: «Oder es wäre, wie die gottesfürchtige Tante zu sagen pflegt, ein blaues Wunder!»

      Wohl hätte er nicht falsch gerechnet, wenn nicht sein Vetter, der Advokat Zange, vermöge seiner Rechtsgelehrsamkeit für die Tante einer der wichtigsten Menschen gewesen wäre. Jungfer Sarah verachtete den Mammon der Welt zwar von Herzen, und bedauerte die irdisch gesinnten Weltkinder, die daran hingen. Doch aus eben dem Grunde suchte sie nach allen Kräften die Weltkinder von besagtem Mammon, oder den Mammon von ihnen loszuziehen. Sie lieh nämlich Geld auf artige Zinsen und auf Pfänder aus, und arbeitete so redlich für das Seelenheil derer, die von ihr Geld borgten, daß diese immer ärmer wurden. «Selig sind die Armen!» rief sie, wenn sie sich Zins auf Zins zahlen ließ: «Käm es auf mich an, die ganze Stadt müßte bettelarm sein, um das Himmelreich zu ererben, oder es wär ein blaues Wunder. Je weniger man hier im Leben hat, je größer die Begierde nach dem da droben ist.» Nun aber geschah es oft, daß die gottselige Jungfrau in ihrem Liebes- und Tugendeifer zu weit ging, und wegen Unterpfänder und Zinsen, oder mit bösen Schuldnern in Streit und Prozeß geriet. Ohne Hilfe des Advokaten Zange, der in der Stadt als der beste Rabulist bekannt war, wäre sie vielmals um Zinsen und Kapital gekommen. Aber liebreich, wie sie, hartherzig und klug, wie er war, konnt es nicht fehlen. Eher mußte eine verschuldete Familie von Haus und Hof vertrieben werden, als ein ausgeliehener Gulden in Gefahr stehen, verloren zu gehen.

      «Ich wäre eine arme, verlassene und verlorene Person, liebster Vetter,» sagte sie oft zum Advokaten Zange, «wenn Sie sich nicht meiner annähmen. Was ich habe, dank ich Ihnen. Aber die Zeit wird ja auch kommen, wo ich vergelten kann.» – Das hörte der Jurist gern. Er hoffte, die Erbschaft allein zu ziehen, und einst das rechte Tempo schon zu treffen, wenn's Testament gemacht werden müsse.

      Das Bild der Jungfrau.

       Inhaltsverzeichnis

      Jungfrau Sarah Waldhorn sprach zwar manchmal aus eitler Gottesfurcht vom Tode und von ihrer Sehnsucht nach dem himmlischen Jerusalem und dem Seelenbräutigam; aber doch dachte sie noch öfter an einen irdischen Bräutigam, wie man wohl zuweilen an Dinge denkt, die einem durch den Kopf fliegen. Zwar seit ihrem fünfundvierzigsten Jahre hatte sie feierlich erklärt, sie wolle sich nicht verheiraten; aber doch wandelte sie dann und wann eine Mädchenschwäche an, zumal wenn ein stattlicher Witwer sie neckte, oder ein Junggesell des Tages mehr denn einmal unter ihrem Fenster vorbei ging und höflich grüßte. «Der hat gewiß Absichten!» dachte sie dann: «Kömmt Zeit, kömmt Rat. Man muß eigentlich nichts verschwören. Wenn's einmal sein soll, – nun, des Herrn Wille geschehe! Ich bin eben im schönsten Alter. Meine Namensschwester im alten Testament hatte ja schon achtzig Jahre, ehe sie Kindtauf' hielt. Das wäre noch kein blaues Wunder!»

      So plauderte sie oft mit sich, besonders wenn ein unvermählter Herr mit ihr freundlich getan hatte. Und weil dies leicht der Fall sein konnte, so traute sie nach und nach allen Männern in der Stadt «schlimme Absichten», wie sie es nannte, auf ihre jungfräuliche Person zu. Endlich, denn ungefähr seit zwanzig Jahren hatte die Einbildungskraft dies lose Spiel mit ihr getrieben, hielt sie jeden Unverheirateten für ihren verschwiegenen Anbeter, und jeden, der sich verheiratete, für ihren Ungetreuen.

      Daraus läßt sich erklären, warum sie auf die unversöhnlichste Weise mit ihrer Zunge gegen alle Hochzeiten zu Felde zog; auf das gottlose, leichtsinnige «Mannsvolk» schimpfte (denn sie hatte es in der Tat immer mit einem ganzen Volke zu tun); und noch giftiger gegen die koketten Mädchen eiferte, die sich schon in den Kinderschuhen (das heißt, Schuhe, so groß sie etwa neunzehn- oder zwanzigjährige Mädchen tragen mögen) unterstanden, an einen Mann zu denken.

      Einige gottesfürchtige, alte Jungfern standen ihr, als gewöhnliche Gesellschafterinnen, in dem löblichen Geschäft treulich bei, was in der Stadt vorfiel, auszuspähen, um darüber Betrachtungen beim Kaffee anzustellen. Da ward denn jeder neue Rock der Nachbarinnen, jede Hochzeit, jede Kindtaufe, und was sonst Neues geschehen sein mochte, gewissenhaft gewürdigt. Was man hier erfuhr, war schnell in alle Stadtviertel verbreitet, daher ein mutwilliger Maler einst die Göttin Fama, statt mit einer Trompete, mit einem Waldhorn vorstellte, und man von jeder Klätscherei sprichwörtlich sagte: «Da ist ins Waldhorn gestoßen:» statt: «man hat's der Jungfrau Sarah gesagt.»

      Denkt man sich zu diesen СКАЧАТЬ