Ausgewählte Werke von Heinrich Zschokke. Heinrich Zschokke
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Ausgewählte Werke von Heinrich Zschokke - Heinrich Zschokke страница 113

Название: Ausgewählte Werke von Heinrich Zschokke

Автор: Heinrich Zschokke

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия:

isbn: 9788027214945

isbn:

СКАЧАТЬ style="font-size:15px;">      Daheim erzählte ich den Kindern, wer der Fremde sei und was er von mir begehre. Ich wollte Jennys Rat hören. Sie sagte mitleidig:

      »Ich weiß, Vater, was Du denkst, darum habe ich Dir nichts zu raten.«

      »Und was denke ich denn?«

      »Du denkst, ich will gegen den armen Komödianten sein, wie ich wünsche, daß Gott und der Doktor Snart gegen mich sein möchten.«

      Das hatte ich zwar nicht gedacht, aber ich wünschte es gedacht zu haben. Ich suchte die zwölf Schilling hervor und gab sie an Jenny, daß sie dem Reisenden die Gabe brächte.

      Ich mag nicht gern das leidige Danken mit anhören, weil es mich demütigt. Undank erhöht mich. Auch wollte ich mich nicht in der Ausarbeitung meiner Predigt stören lassen.

       An demselben Tage abends.

      Der Komödiant ist gewiß ein guter Mensch. Als Jenny vom Wirtshause zurückgekommen war, wußte sie viel von ihm zu erzählen, nicht minder auch die Wirtin. Diese Frau hat es sogleich herausgebracht, daß ihr Gast einen leeren Beutel habe, und Jenny konnte es ihr nicht läugnen, daß ich ihm etwas Reisegeld schicke. Da mußte Jenny eine lange Strafpredigt anhören über den Leichtsinn des Gebens, wenn man selbst nichts habe; über die Gefahr, Landstreicher zu unterstützen, wenn man die eigenen Kinder nicht kleiden könne; das Hemd sei näher, als der Rock; selber essen mache satt u. s. w.

      Ich war eben wieder an meiner Predigt, als Herr Fleetmann hereintrat. Er wollte, sagte er Crekelade nicht verlassen, ohne seinem Wohltäter zu danken, durch welchen er aus der peinlichsten Verlegenheit gerissen sei.

      Jenny war daran, den Tisch zu decken. Wir hatten Rüben und einen Eierkuchen. Ich lud den Reisenden ein, mit uns zu Mittag zu essen; er schlug es nicht aus. Er mochte es wohl nötig haben, denn er hatte sich im Wirtshause an seinem Frühstück schwerlich satt gegessen. Polly mußte Bier holen. Wir hatten lange nicht so gut gelebt.

      Herr Fleetmann schien sich bei uns zu gefallen; er hatte sein voriges Kummergesicht ganz verloren, doch blieb ihm das, unglücklichen Leuten eigene, schüchterne, verlegene Wesen. Er meinte, wir wären sehr glücklich, und das bestätigten wir auch; daß ich aber wohlhabender und reicher sei, als ich zu sein das Ansehen haben wollte, darin irrte er sich. Ohne Zweifel täuschte den guten Menschen die Ordnung und Reinlichkeit unserer Zimmer, die Klarheit der Fenster, die Sauberkeit der Vorhänge, des Tischgeräts, des Fußbodens, der Firniß unserer Tische und Stühle. In den Hütten der Armut pflegt man gewöhnlich den Unflath überall zu sehen, weil arme Leute nicht zu sparen wissen. Ordnung und Reinlichkeit aber, das predigte ich meiner seligen Frau und meinen Töchtern immer, sind die ersten aller Sparmittel. Jenny ist darin Meisterin.

      Unser Gast war mit uns allen bald sehr bekannt und traulich; doch sprach er weniger von seinem, als von unserm Schicksale. Der arme Mensch muß einen schweren Kummer auf dem Herzen haben, ich will nicht glauben, auf seinem Gewissen. Ich bemerkte, daß er oft plötzlich im Gespräch abbrach und sich verfinsterte, dann sich anstrengte, wieder heiter zu sein.

      Seine letzten Worte waren: »Es ist unmöglich, Ihnen kann es in dieser Welt nicht übel gehen; Sie haben den Himmel in der Brust und zwei Engel Gottes neben sich.«

      Bei den letzten Worten deutete er auf Polly und Jenny.

       Am 20. Dezember.

      Der Tag verstrich sehr ruhig, doch kann ich nicht sagen, angenehm. denn der Krämer Loster schickte mir die Jahresrechnung. Sie war für die bei ihm genommenen Waren größer, als wir erwartet hatten, obgleich wir nichts genommen, was nicht auch von uns aufschrieben worden wäre. Allein er hatte bei allen Artikeln im Preise aufgeschlagen; sonst traf seine Rechnung redlich mit der unsrigen zusammen.

      Das schlimmste ist der Rückstand meiner Schuld vom vorigen Jahre bei ihm. Er bat um Zahlung derselben, weil er in größter Geldverlegenheit sei. Die Gesamtsumme aber betrug achtzehn Schilling.

      Ich begab mich zu Herrn Loster. Es ist ein sehr höflicher und billiger Mann. Ich hoffte ihn mit einer Zahlung auf Rechnung zu beruhigen und versprach den Rest auf Ostern abzutragen. Er war aber nicht zu bewegen und bedauerte, daß ihn die Not zwingen könne, zu den äußersten Mitteln zu greifen. Wenn er es vermöchte, würde er gerne warten; allein binnen drei Tagen habe er einen Wechsel, der auf ihn ausgestellt sei, zu zahlen. Einem Kaufmanne gehe der Kredit über alles.

      Dagegen ließ sich nichts mehr einwenden, nachdem meine wiederholten Bitten eitel gewesen waren. Hätte ich es sollen gegen mich zu richterlicher Beitreibung kommen lassen, wie er drohte? Ich schickte ihm das Geld und zahlte ihm die ganze Schuld ab. Nun aber ist auch mein ganzes Vermögen auf elf Schilling herabgeschmolzen. Gebe der Himmel, daß mir der Komödiant den Vorschuß bald zurückschicke; sonst weiß ich nicht, wie mir helfen!

       Am 24. Dezember.

      Man kann doch auch beim wenigsten recht froh sein. Wir haben tausend Freuden an Jennys neuem Rock. Sie steht darin, schön wie eine Braut. Aber sie will ihn erst zum Neujahrstage das erstemal öffentlich in der Kirche tragen.

      Sie rechnet mir jeden Abend vor, mit wie geringen Unkosten sie den Tag die Haushaltung bestritten hat. Freilich müssen wir schon abends sieben Uhr ins Bett, um Lampenöl und Kohlen zu sparen. Daran liegt auch nicht viel. Die Mädchen sind am Tage desto fleißiger und plaudern im Bette bis Mitternacht. Wir haben von Rüben und Gemüse schönen Vorrat. Jenny meint, sechs bis acht Wochen wolle sie uns durchhelfen, ohne Schulden zu machen. Das wäre nun wohl ein Kunststück ohne gleichen, und bis dahin hoffen wir alle, werde Herr Fleetmann als ehrlicher Mann Wort halten und mein Darlehn zurückzahlen. Wenn ich zu der Hoffnung eine bedenkliche Miene mache, kann Jenny wahrhaftig in Eifer geraten. Sie läßt auf den Komödianten nichts kommen.

      Er ist unser Gespräch; besonders machen sich die beiden Mädchen mit ihm zu schaffen. Seine Erscheinung brachte in die Einförmigkeit unseres Lebens etwas neues, ein halbes Jahr lang giebt er uns wohl zur Unterhaltung Stoff. Lustig ist besonders Jennys Zorn, wenn die mutwillige Polly sagt: »Aber er ist ein Komödiant!« Dann erzählt Jenny von den berühmten Schauspielern in London, die sogar bei den Prinzen des königlichen Hauses essen dürfen, und will sogar beweisen, Fleetmann werde einer der besten Schauspieler von der Welt werden. Er habe große Anlagen, vielen Anstand und wohlgewählte Redensarten. »Ja freilich,« sagte die schelmische Polly heute sehr witzig, »schöne Redensarten! Er hat Dich ja einen Engel Gottes genannt.«

      »Und Dich auch!« rief Jenny ärgerlich.

      »Ganz gut: ich ging mit in den Kauf,« erwiderte ihr Polly, »aber Dich sah er dazu an.«

      Die Plaudereien und kindischen Neckereien meiner Kinder erwecken mir doch Besorgnis. Polly wächst heran, Jenny ist achtzehnjährig. Welche Aussichten habe ich, die armen Kinder versorgt zu sehen? Jenny ist ein wohlerzogenes, hübsches Mädchen, aber ganz Crekelade kennt unsere Armut; daher sind wir wenig geachtet und es wird sich schwerlich ein Mann für Jenny finden. Ein Engel ohne Geld ist heutiges Tages nicht halb so viel wert, als ein Teufel mit einem Sack von Guineen. Das einzige hat Jenny von ihrem zarten Gesicht, es sieht sie jedermann freundlicher an. Hat ihr doch sogar der Krämer Loster, als sie ihm das Geld brachte, ein Pfund Rosinen und Mandeln zum Geschenk gegeben und die Versicherung, er bedaure sehr, von mir das Geld nehmen zu müssen; aber er wolle mir wieder, wenn ich bei ihm Ware nehme, bis Ostern kreditieren. So viel versprach er mir selbst nicht einmal.

      Wenn ich mit Tode abginge, wer würde sich meiner verlassenen Kinder annehmen? Wer? . . . Nun doch ihr Vater im Himmel! Sie sind zum Glück soweit, daß sie irgendwo in Dienst treten können. Ich will mich nicht um das Künftige härmen.

       СКАЧАТЬ