Ausgewählte Werke von Heinrich Zschokke. Heinrich Zschokke
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Название: Ausgewählte Werke von Heinrich Zschokke

Автор: Heinrich Zschokke

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия:

isbn: 9788027214945

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СКАЧАТЬ Mir stand der Tisch gedeckt und auf demselben eine Flasche Wein zur Stärkung. Es war ein Neujahrsgeschenk von unbekannter gütiger Hand.

      Vor allem freute mich der Anblick des muntern Kindes in Jennys Arm. Polly wies mir die schönen Bettchen unseres Pfleglings, das Dutzend seiner Windeln, die wunderschönen Hauben und Nachtjäckchen, welche in der Schachtel gewesen waren . . . dann ein versiegeltes Geldpäckchen mit der Aufschrift an mich, das man zu Füßen des Kindes gefunden hatte, als es erwachte und herausgenommen worden war.

      Begierig, von der Herkunft meines kleinen, unbekannten Hausgenossen etwas zu erfahren, öffnete ich das Päckchen. Es enthielt eine Rolle mit zwanzig Guineen und einen Brief, der folgendermaßen lautet:

      »Im Vertrauen auf Eurer Wohlehrwürden Frömmigkeit und Menschenliebe übergeben Ihnen unglückliche Eltern ihr teures Kind zur Pflege. Verlassen Sie dasselbe nicht: wir werden einst, wenn wir uns Ihnen entdecken dürfen, dankbar sein! Wir werden auch, was Sie unserem Kinde leisten, aus der Ferne mit unverwandtem Blick beobachten . . . Der liebe Knabe heißt Alfred; er ist schon getauft. Das Kostgeld für das erste Vierteljahr liegt beigeschlossen. Pünktlich wird Ihnen, von drei Monaten zu drei Monaten, die gleiche Summe ausbezahlt werden. Nehmen Sie sich des Kindes an; wir empfehlen es der Zärtlichkeit Ihrer edeln Jenny!«

      Als ich den Brief las, sprang Polly hoch auf vor Freuden, und rief:

      »Da haben wir die Bischofsmütze! Gütiger Himmel, wie reich werden wir plötzlich! Nun fahre hin, armselige Vikarstelle! . . . Doch sollte ich mich eigentlich nicht einmal so freuen. Nein, der Brief hätte doch wohl auch der edlen Polly Erwähnung thun können!«

      Wir lasen den Brief wohl zehnmal; wir trauten unsern Augen nicht beim Anblick des vielen Geldes auf dem Tische.

      Welch ein Neujahrsgeschenk! Der schwersten Sorgen um unsere Zukunft war ich plötzlich entbunden, aber auf wie seltsame, unbegreifliche Weise! Ich sann vergebens die Reihe von Menschen durch, die ich kannte, um unter denselben einen einzigen zu entdecken, der vielleicht durch Stand und Geburt gezwungen wäre, seines Kindes Dasein verheimlichen zu müssen, oder der solche Belohnungen für einen christlichen Liebesdienst gewähren könnte. Ich sinne noch immer; ich finde keinen; und doch müssen die vornehmen Eltern mich und die Meinigen genau kennen.

      Die Wege der Vorsehung sind wunderbar!

       Am 2. Januar.

      Das Glück überhäuft mich mit seinen Schätzen. Diesen Morgen erhielt ich abermals ein Päckchen Geld von der Post mit zwölf Pfund Sterling, nebst einem Brief von Herrn Fleetmann. Es ist zu viel: für den Schilling giebt er ein Pfund Sterling zurück. Es muß ihm sehr gut gegangen sein. Auch meldet er das. Ich kann ihm leider nicht danken, da er vergessen hat, seinen Aufenthaltsort zu nennen. Behüte der Himmel, daß ich durch meinen gegenwärtigen Reichtum übermütig werde. Jetzt hoffe ich, Herrn Withiel Brook's Schuld nach und nach in Fristen ehrlich abzahlen zu können.

      Wie ich meinen Töchtern sagte, Herr Fleetmann habe geschrieben, war ein neues Fest. Ich begreife nicht, was die Mädchen mit Herrn Fleetmann haben. Jenny wurde rot und Polly sprang lachend zu ihr und hielt ihr beide Hände vor das Gesicht. Da that Jenny, als wäre sie recht böse auf das kindische Mädchen. Ich las Fleetmann's Brief vor:

      »Als ich, edler Mann, aus Ihrem Hause ging, ward mir, als ging ich aus meines Vaters Hause wieder in das wüste Leben hinaus! Ich vergesse Sie zeitlebens nicht; zeitlebens nicht, wie wohl mir bei Ihnen war. Noch sehe ich Sie vor mir, in Ihrer reichen Armut, in Ihrer christlichen Demut, in Ihrer patriarchalischen Seelenhoheit. Und die wunderliebliche, flatternde, schmeichelnde Polly; und die . . . ach, für Ihre Jenny giebt es ja kein Beiwort! Welches Beiwort giebt man den Heiligen, unter deren Berührung alles Irdische sich verklärt? . . . Ich werde ewig des Augenblicks gedenken, da sie mir die zwölf Schillinge gab; ewig, ewig, wie sie mir tröstend zusprach . . . Verwundern Sie sich nicht, ich habe die zwölf Shillinge noch, ich gebe sie um tausend Guineen nicht. Ich werde Ihnen vielleicht bald alles mündlich erklären. Ich bin, seit ich atme, nie glücklicher und nie unglücklicher gewesen, als jetzt. Empfehlen Sie mich Ihren holdseligen Töchtern, wenn sich dieselben meiner noch erinnern mögen.«

      Aus diesen Zeilen zu schließen, gedenkt er wieder nach Crekelade zu kommen. Es wäre mir lieb; ich könnte ihm meinen Dank bezeigen. Der junge Mensch hat mir vielleicht mit unmäßiger Erkenntlichkeit sein alles gegeben, weil ich ihm damals die Hälfte meiner Barschaft lieh. Das wäre mir leid. Leichten Sinnes scheint er zu sein, doch hat er ein redliches Gemüt.

      Dem kleinen Alfred gefällt es bei uns. Das Kind hat heute schon Polly angelächelt, als Jenny es wie eine junge Mutter im Arm trug. Die Mädchen werden mit dem kleinen Weltbürger besser fertig, als ich vermuten konnte. Aber es ist auch ein schönes Kind. Wir haben ihm eine zierliche Wiege gekauft und alle kleinen Bedürfnisse in Fülle angeschafft. Die Wiege steht neben Jennys Bette. Sie wacht Tag und Nacht wie ein Schutzgeist über ihrem zarten Pflegesohn.

       Am 3. Januar.

      Heute stieg der Herr Vikar Bleching mit seiner jungen Frau Gemahlin im Wirtshause ab und ließ mich rufen. Ich begab mich sogleich zu ihm. Er ist ein angenehmer Mann, der viel Höflichkeit hat. Er eröffnete mir, daß er mein erwählter Nachfolger im Amte sei; daß er wünsche, seine Stelle, wenn ich nichts dagegen habe, sogleich einzunehmen; daß ich inzwischen das Pfrundgebäude bis Ostern bewohnen könne; er werde einstweilen im Hause des Herrn Alderman Fieldson einige für ihn bereitete Zimmer beziehen.

      Ich erwiderte, wenn es ihm Vergnügen mache, wolle ich ihm alle Amtsgeschäfte sogleich übergeben, um desto mehr Freiheit zu haben, mich nach einem andern Dienste umzusehen. Nur wünsche ich, in den Kirchen, in denen ich so lange Jahre das Wort des Herrn verkündigt habe, meinen bisherigen Zuhörern eine Abschiedspredigt halten zu können.

      Darauf versprach er, nachmittags zu mir zu kommen, um den Zustand des Pfrundhauses zu besichtigen. Er ist wirklich mit seiner Gemahlin und dem Herrn Alderman am Nachmittag gekommen. Die junge Frau ist hochschwanger, sie scheint etwas stolz und von vornehmer Abkunft zu sein, denn es war ihr im ganzen Hause nichts recht und meine Töchter würdigte sie kaum eines Blickes. Als sie den kleinen Alfred in der Wiege sah, wandte sie sich zu Jenny und fragte: »Sind Sie schon verheiratet?« Die gute Jenny ward blutrot im Gesicht und schüttelte verneinend das Köpfchen, indem sie etwas leise dazu stammelte. Ich mußte dem armen Mädchen aus der Verlegenheit helfen. Frau Bleching hörte meine Erzählung mit großer Neugier an, verzog den Mund und drehte mir den Rücken zu. Ich fand das sehr unanständig, sagte aber nichts. Als ich zu einer Tasse Thee einlud, ward mir's abgeschlagen. Der Herr Vikar scheint den Winken seiner jungen Gemahlin unbedingt gehorchen zu müssen.

      Wir waren recht froh, den Besuch los zu werden.

      Herr Withiel ist ein trefflicher Mann, seinem Briefe nach zu urteilen. Er bedauert mich wegen meiner unglücklichen Bürgschaft und spricht mir mit der Erklärung Trost zu, daß ich der Zahlung wegen in keine Unruhe geraten solle und wenn ich ihm auch erst in zehn Jahren oder nie zahlen könne. Er scheint mit meinen häuslichen Umständen bekannt zu sein, denn er spielt darauf sehr schonend an. Er hält mich für einen ehrlichen Mann; das freut mich am meisten; auch soll er sich nicht geirrt haben. Ich werde nun selbst, sobald ich kann, nach Trowbridge reisen, und ihm Fleetmann's zwölf Pfund Sterling auf Abschlag meiner ungeheuren Schuld bringen.

       Am 8. Januar.

      Meine Abschiedspredigt war von den Thränen der meisten Zuhörer begleitet. Nun sehe ich erst, daß ich doch den Gemeinden lieb war. Man hat mir von allen Seiten viel Verbindliches gesagt und mich mit Geschenken überhäuft. Nie habe ich so viele Lebensmittel und Leckerbissen aller Art und so viel Wein im Hause gehabt, als jetzt. Hätte ich ehemals, an manchem Nottage, nur den hundertsten Teil davon besessen, ich würde mich für überglücklich gehalten СКАЧАТЬ