Leiden und Freuden eines Schulmeisters. Jeremias Gotthelf
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Читать онлайн книгу Leiden und Freuden eines Schulmeisters - Jeremias Gotthelf страница 18

СКАЧАТЬ umgehen. Wenn er später welches in die Hände kriegt, so kommt er gar zu gerne um dasselbe. Mancher wird zu allerlei Bösem verführt, um zu solchem zu kommen. Selbst Baurensöhne werden Diebe, durch die Kargheit ihrer Väter dazu getrieben. Man stelle sich doch nur einen jungen Menschen vor, der kein Geld hat, wie er ausgeschlossen wird von der Gesellschaft. Nun es gibt welche (und ich tadle die gar nicht), die keine Kameradschaft begehren, die Jahr aus Jahr ein zu Hause bleiben; aber die haben gewöhnlich ein Interesse dabei; sie wollen kein Geld verthun, wollen sich etwas ersparen und an den ersparten 10 Kreuzer laben sie sich die ganze Woche durch, weil sie näher zu ihrem Ziele, der erwünschten Summe gekommen. Allein wenn man gar kein Interesse hat, sich nichts ersparen kann bei aller Arbeit, weil man gar nichts erhält und doch sich ausschließen soll von allem — das macht elend. Und ausschließen muß man sich ohne Geld. Ging ich zu Kameraden, so wollten die etwas gwerben; beim Kugelwerfen hatten die Verlierenden Wein zu bezahlen; wanderte man an einen Ort hin, so mußte man einkehren; — und zu dem allem hatte ich kein Geld.

      Und doch verdiente ich außer dem Kostgelde bald in der Woche wenigstens 80 bis 40 Batzen, fast so viel als der Vater. Gleichwohl hatten wir es in der Haushaltung nicht besser, obschon der Verdienst sich vermehrt hatte. Es war immer das gleiche Klagen, Schinden und Brummen, und Erdäpfel z‘Morge, z‘Mittag und z‘Nacht, dünner Kaffee, meist Schiggore. Der Vater ließ es sich behaglicher sein, arbeitete weniger früh und weniger spät, ließ sich leichter versäumen. Wenn er auf Burgdorf oder Langenthal ging und die Hälfte mehr Geld einstrich, trank er einen Schoppen mehr und aß eine Bratwurst mehr, kramte seinem Kronprinzen zwei Lebkuchen statt einen und kehrte auf dem Heimwege wohl noch ein oder zwei Mal ein. Die Mutter wurde auch begehrlicher, branzte mehr Geld zu Kleidern ab, kaufte breitere Sammetschnüre für ihre Meitscheni, unghürigere Spitzli, und wenn sie zu Ader ließ, trank sie eine Halbe statt einen Schoppen. So lebten alle aus meinem Verdienst besser, nur ich nicht, und erhielt dafür nicht einmal gute Worte.

      O wie das mir Stiche gab ins Herz durch und durch, so ein Sklave zu sein ohne Lohn und ohne Liebe! Und wenn ich an einem schönen Sonntag vom Waldrain weg Mädchen und Bursche fröhlich ziehen sah dem Dorfe zu kummerlos, und wenn der Jubel von dort her zu mir scholl und Paar um Paar Arm in Arm zurück kamen, und ich da oben alleine war verlassen und freudelos — o wie oft drückte ich da die brennenden Augen ins grüne feuchte Gras!

      Wer will wohl den Stein auf mich werfen, wenn in dem weinenden Herzen böse Gedanken entstunden und dort die sich sammelnden Thränen in Tropfen bitterer Galle verwandelten; wenn die Selbstsucht der andern auch die meinige erzeugte; wenn ich das vergaß, was die Eltern an mir gethan und nur das ihnen nachrechnete, was sie von mir genossen; wenn der Widerwillen immer größer wurde etwas für sie zu thun und der Entschluß empordämmerte, sie zu verlassen und für mich selbst zu sorgen?

      Man sieht und sah immer eine Menge Kinder, die sich um ihre Eltern nicht bekümmern, sie gefühllos dem Elend überlassen, als ob dieselben sie nichts angingen, sie ihnen gar nichts schuldig wären, und es wurden und werden immer Kinder verdammt, die wie des Waldes wildes Tier ihren Erzeugern vor dem Munde weg das Essen stehlen, wenn sie die stärkern geworden sind.

      Und es ist allerdings kein häßlicheres Geschöpf als so ein aufgeputztes Ding, das all sein Hab und Gut an ein paar silberne Häfte, ein Fürtuch oder an einige Mänteli gewandt und Händschli an hat; dessen Mutter barfuß läuft und an der Thüre bettelt, innert welcher ihr Meitschi prächtlet und Buben Wein zahlt. Wenn so ein Meitschi, das eine ganze Samstagnacht nicht schlafen kann aus freudiger Erwartung, was wohl die ganze Welt zu dem Tschöpli und zu den breiten Haarschnüren sagen werde, mit welchen es am Sonntag aufzuziehen gedenkt und nicht zweifelt an gutem Schick und hoffet für eine Baurentochter sich ausgeben zu können; — wenn so ein Meitschi, sage ich, wüßte, wie die Welt mit Fingern auf ihns zeigt und sagt: »Die ma wohl, mr hei ihrer Mueter erst gester ds Almuese gä!« — es würde sich wohl schämen und weniger an die Sache thun. Und so ein Bürschli, dem am Sonntag kein Weg breit genug ist, das seine Sackuhr spienzlet und ganze Wolken Rauch aus seiner Tabakspfeife bläst, Mädchen schryßt und Wein zahlt und Weggen frißt wie ein Wolf und nur meint, er allein sei groß und mache sich g‘estimiert; — wenn dieses Bürschchen wüßte, wie man ihns verachtet und wie man wohl weiß, daß sein Vater läng Zyt kein Brot hat, auf Hudlen schläft, Schwefelholz verkauft und dr Gottswille z‘esse heuscht, — es würde zu Hause bleiben und seine Kreuzer sparen, um seinem Vater die Kutte blätzen zu lassen.

      So laufen allerdings eine Menge Kinder von ihren Eltern weg, sobald sie vom Herren sind; bekümmern sich um die Eltern nicht nur nichts, ds Gunträri sie nehmen noch von ihnen was sie können. Sie verthun ihre Löhnli mit Hoffahrt und Hudlen und lassen schamlos der Gemeinde die Eltern zur Last fallen. Fremde müssen an diese Eltern wenden, was sie mit saurem Schweiß aufbringen mögen, während die Kinder sich den Buckel voll lachen und sagen: es thuet ne ‚s sauft, dene D —. Und wenn so ein hungriger Vater oder eine frierende Mutter Stunden weit die matten Beine schleppt, in der Hoffnung, von Sohn oder Tochter, denen man keinen Mangel ansieht, etwas zu einem guten Tag zu erhaschen, so verschämen sich die Kinder, verleugnen die Eltern oder fertigen sie mit schnödem Bescheid ab, daß sie merken, wie unwert sie gekommen und das Wiederkommen sie nicht wieder gelüstet. Schon manche Meisterfrau hat sich einer alten Mutter erbarmet, welche die eigene Tochter puckt fortgewiesen hätte. Was meint man wohl, wenn ein so abgefertigter Alter mit seinen schlotternden Gliedern kaum heimzukommen vermag, was für Gebete für sein Kind wird sein Herz auf seine Zunge legen, welcher Segen kömmt über die brummenden Lippen? Andere Kinder bleiben bei ihren Eltern, aber nur um sie auszusaugen und sie auf die Gemeinde zu bringen, und gar mancher Vater kann husen, so lange die Kinder klein sind; sobald diese aufgewachsen sind, kömmt er in die Armut. Was sie verdienen, brauchen sie für sich; was er verdient, soll er mit allen teilen, soll dafür alles anschaffen, und reicht das nicht hin, behält er nichts für sich, so bekümmert sich keins der Kinder darum. Da kann der Alte zusehen, und mag er nicht mehr gfahren, so lassen sie ihn im Stich und die Gemeinde kann zusetzen und zuschießen.

      Also selbstsüchtige unkindliche Kinder gibt es in großer Menge, die ihren Eltern nicht zur Stütze, sondern zum Schaden herangewachsen sind, Kinder, die ihnen nicht Trost geben, sondern Schmerz bereiten. Aber bleiben wir nicht blos bei dieser Erscheinung stehen, sondern denken wir tiefer nach und forschen wir nach den Gründen dieser Erscheinung, nach den Gründen, warum so viele Eltern von ihren Kindern hintangesetzt und schnöde behandelt werden, — dann werden wir finden, daß nicht alle Schuld bei den Kindern zu finden ist, sondern daß viele Eltern den größten Teil derselben tragen.

      Betrachten wir das Betragen der Kinder, so ist es dasjenige, welches allen Tieren gemein ist. Ein alt schön Lied sagt, der Mensch sei halb Tier halb Engel, d. h. als Tier wird er geboren, ein Engel soll er werden. Dazu besitzt er die Anlagen, dazu hilft ihm Gott, dazu beruft ihn das Christentum. Aus dem Tier muß sich der Engel herauskämpfen, wie aus der Puppe der Schmetterling sich entfaltet. Das Beginnen dieses Ringens oder das Trachten nach dem was droben ist, das, so lange der Mensch im Leibe lebt, kein Ende nimmt, bloß rüstiger und freudiger wird, nennt Christus die Wiedergeburt, Paulus: Absterben des alten, Auferständnis des neuen Menschen. Zu diesem Ringen, zu einem werdenden Engel das tierisch (in der Erbsünde) geborne Kindlein zu erziehen, verpflichtet sich der christliche Vater in der Taufe, und unchristlicher Unverstand, kirchlicher Unsinn ist‘s, wenn in einem christlichen Staate diese Verpflichtung tierisch gebliebenen oder aberwitzig gewordenen Vätern erlassen wird. Aus der Selbstsucht geht des Tiers Leben hervor; im Engel lebt die Liebe, sie tritt aus ihm heraus und wird die Mutter seines Thuns.

      Nun lebt leider in einer Menge von Eltern nur noch das Tier; der Engel in ihnen weint ohnmächtig, die Selbstsucht drückt ihrem ganzen Betragen ihr Siegel auf, auch dem Betragen gegen ihre Kinder. Von einer höheren Bestimmung des Menschen haben sie gar keinen Begriff und noch weniger davon, daß man diese Bestimmung teilweise schon auf Erden erfüllen müsse. Ihr Dichten und Trachten geht darauf aus, es gut zu haben auf der Welt. Zu diesem Guthaben sollen alle andern Menschen ihnen helfen, und wer sie daran stört, betrachten sie als eine Last oder als einen Feind. Kinder stören also vor allem aus ihre Behaglichkeit, ihr Guthaben, durch unruhige Nächte und geschreivolle Tage; aber Kinder СКАЧАТЬ