Leiden und Freuden eines Schulmeisters. Jeremias Gotthelf
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Читать онлайн книгу Leiden und Freuden eines Schulmeisters - Jeremias Gotthelf страница 13

СКАЧАТЬ Darum wäre es von großer Wichtigkeit, wenn man während der Arbeit die Gedanken mit etwas Gutem beschäftigen könnte, so daß die bösen keinen Platz fänden. Das wäre so gar nicht schwer, wenn man nur wollte. Aber man legt so gar wenig Gewicht auf seine Gedanken, und bedenkt nicht, daß Jesus sagt: Aus dem Herzen heraus, von den Gedanken her, kommt alles Arge. Man ist gewöhnlich auch so wenig Meister seiner Gedanken, daß man den einen nicht befehlen kann zu kommen, den andern nicht zu gehen. Man hat es mit ihnen wie mit den Einquartierungen; sie kommen und gehen nach Belieben; und sie gehen heißen fällt niemand ein, weil man wähnt, es hülfe nichts, sie blieben doch. So lange aber einer nicht Herr seiner Gedanken wird, daß er sie kann auf- und abmarschieren lassen nach Gefallen, so lange ist er nicht Herr in seinem Hause. Er ist ein Sklave und weiß weder für heute noch morgen, was seine Gedanken aus ihm machen werden.

      So kam ich ganz gewaltig vorwärts. Die Fragen waren im Hui auswendig gelernt, Psalmen eine Menge ebenfalls. Davon verstund ich freilich nichts, aber aufsagen konnte ich, daß man mit keinem Hammerlein dazwischen schlagen konnte. So weit hatte ich es in der Kunst aufzusagen gebracht, daß ich bei vielen Fragen nie Atem schöpfte, und selten mehr als einmal. Freilich mußte ich dann gar tief aufatmen, wenn ich fertig war. Aber das gefiel den Leuten gar wohl, und wer am wenigsten zu atmen brauchte, den hielten sie für den Geschicktesten. Am Ende des Winters gehörte ich unter die Geschicktern, und der Schulmeister, dem ich gar lieb war, hätte mich gerne auf eine vordere Bank gethan. Er durfte es nicht, weil gerade ob mir des Weibels Bueb saß. Hätte er mich über den springen lassen, so würde es einen Lärm abgesetzt haben furchtbarlich, daß des Webers Bueb über ds Weibels Bueb hinauf gesetzt worden sei im Examenrodel und einen halben Batzen mehr Examengeld bekommen solle. Aber meine Fortschritte waren erst bei Anfang der Schulen im folgenden Winter recht auffallend. Vor allem ging es an ein Repetieren, und bis repetiert war, war von Schreiben und Rechnen keine Rede. Dieses Repetieren dauerte wenigstens bis zum Neujahr; bei vielen, die erst nach dem Dreschen kamen, bis nach Fastnacht. Und andere brachten es nicht mehr so weit, als sie im vergangenen Winter gewesen waren. Den ganzen Sommer hatten nämlich die meisten Kinder gar kein Buch angesehen; mit den Strümpfen im Frühjahr hatten sie es weggelegt, und erst mit den Strümpfen oder oft noch nach denselben nahmen sie es wieder vor. So war bei vielen alles rein vergessen. Buchstabierer mußten Buchstaben wieder kennen lernen. Wer die Fragen im letzten Winter zum ersten Mal auswendig gelernt, hatte alle vergessen. Das Lesen ging durchaus schlecht, und viele, die es gekonnt, mußten wieder zu buchstabieren anfangen. Daher wurden in der Schule so geringe oder gar keine Fortschritte gemacht. Weil ich nun den ganzen Sommer durch gelernt hatte beim Spuhlen und für mich immer aufsagte, wo ich ging und stund, so war ich im Herbst allen vor, mit dem Repetieren im Nu zu Ende, und konnte bald mehr auswendig als alle anderen.

      Das gefiel dem Schulmeister gar wohl. »Peterli«, sagte er, »du gisch e rechte Bickel ab. Es isch schad, daß du ume e‘s Webers Bueb bisch, u daß dr alles, du masch lere was d‘wilt, nüt nützt und dr nit viel abtreit«. Ich hielt bei ihm um zwei Dinge an. Vor allem wünschte ich, die andern bhören zu können, oder mit andern Worten, sein Stellvertreter zu werden. »Peterli«, sagte er, »es ist mr leid; du chasch wohl bhöre, aber eis chasch no nit: du chasch no nit z‘hingerfür lese, u bis das chasch, cha di nit bruche drzue; dr anger Winter cha ‚s de scho gä«. Wer nämlich sein Stellvertreter sein wollte, der mußte mehr auswendig können als die andern, so daß er zum Abhören derselben kein Buch brauchte. So that es der Schulmeister, so, meinte man, müsse es auch dessen Stellvertreter können. Zweitens mußte er die Buchstaben verkehrt kennen und so lesen können. Der Schulmeister stund vor den Büchern der Lernenden, sah in der Kinder verkehrte Bücher und mußte sie so verstehen. So that der Schulmeister, und daß es sein Stellvertreter auch könne, war seine zweite notwendige Eigenschaft. — Drittens mußte er, wie schon gesagt, vornehm sein, und es gehörte zu den denkwürdigen Seltenheiten, wenn einer der Untergebenen die Rute, d. h. als Scepter erhielt. Und dieses Letztere war wahrscheinlich eigentlich der Grund, warum der gute Mann mir das Amt nicht anvertrauen konnte. Im andern Winter ging dann des Statthalters Bueb in die Unterweisung, und kein vornehmes Söhnchen war vorhanden, das alt genug dazu war.

      Das andere, warum ich ihn bat, war, daß ich auch schreiben und rechnen lernen dürfte. »Peterli«, sagte er, »das treit dr glatt nüt ab; du wirsch nie Gülti z‘rechne ha, u-n-e Gemeinsvater wirsch o nie. Die müeße öppe Gschribnigs chönn e aber je minger je besser, u we‘s die Manne gsächte, daß i di das lehrti, su würde si mi balge u säge, das bruchti si nüt; wer Tüfel wett Vorgsetzte sy, wenn e jedere Hudel öppis lerti und schrybe u rechne chönnti; u we eine nüt heig und z‘viel chönni, su gäb das dr Wüestischt und so eine heig geng ume z‘räsoniere. Drum, Peterli gib lugg, es treit dr nüt ab«. Aber Peterli het nit lugg gäh, sondern chärete fort und fort, bis er endlich das Versprechen erhielt, daß im andern Winter, wenn er sich gut stelle und das z‘Hingerfürlese gut lerne, er auch solle in die Geheimnisse der Schreib- und Rechenkunst eingeweiht werden.

      Auf das hin studierte ich mit unermüdlichem Eifer in umgekehrten Büchern, bis ich es zu ordentlicher Fertigkeit im Lesen brachte. Mein Vater sah dem Ding mit Verwunderung zu. Daß so ein Weberlein sich gerne rühmt und eben nicht viel Stoff zum rühmen hat, so rühmte er sich meiner nicht wenig, obgleich er mir deswegen nicht holder ward. Er habe einen Buben, pflegte er zu sagen, der könne lesen bed Weg in allen Büchern, man möge ihm vorlegen welche man wolle; eine Halbe vom Bessern wolle er wetten, er mög dr Pfarrer weit. Gewöhnlich pflegte er dann noch hinzuzusetzen: ob er aber ein Narr wird oder öppis angers, das weiß ich selbst noch nicht.

      Im nächsten Winter übergab mir der Alte, mit einigem Widerstreben freilich, die Rute; es machte aber auch nicht geringes Aufsehen, daß ds Webers Bueb in der Schule z‘bifehle habe. Es chömm afe lustig, hieß es im Dorfe, wenn me sellige Lüte dGringe gai ga groß mache, u so am-e-ne Schuldebürlis Bueb meh ästimieri, als dBuresöhn, so syg‘s afe nimme drby z‘si. Eine Mutter, deren Mädchen ich mit der Rute getroffen, kam geradezu in die Schule, sagte dem Schulmeister wüst, und wollte an mir Gegenrecht üben. Glücklicherweise war es nur eine Taunersfrau, die halt nicht wollte ihre Kinder von ihresgleichen züchtigen lassen. Von den Vornehmern hätte sie es geschehen lassen. Weil also die Frau auch nicht viel zu bedeuten hatte, so wurde sie bündig zur Thür ausgewiesen. Der Schulmeister war aber doch in Verlegenheit, und würde mich wohl abgesetzt haben, wenn er sich bei meinem Regiment nicht so wohl befunden hätte. Früher hatten alle Kinder gegen ihn Partei gemacht, ja die Lehrmeister waren als die Ältesten oder Vornehmsten gewöhnlich die Rädelsführer aller Streiche gegen ihn gewesen. Jetzt stund ich auf seiner Seite, und konnte kraft meines Amtes vieles abwenden. Darum konnte er sich nicht entschließen, mich zu entlassen; aber er schärfte mir die größte Vorsicht ein, und bezeichnete mir die, welche ich schlagen dürfe, ohne daß es etwas mache. Die andern sollte ich ihm überlassen. Unter denen, die am meisten kriegten, waren meine Schwestern. O wie that das mir so wohl, wenn ich ihnen in der Schule eintreiben konnte, was ich zu Hause von ihnen abthun mußte; o wie wohl that mir überhaupt das Regieren! Wenn ich so mit der Rute in der Hand die Stube auf- und abspazierte; wenn ich mit angestrengter Stimme rufen konnte: »Lerit;« oder einem das Buch in der Hand zurückstoßen und sagen konnte: »Du chast aber nüt, lehr‘s besser« — o da glaubte ich nicht, daß irgend auf der Erde jemand mehr zu bedeuten hätte als ich.

      Freilich ging dieses alles mir nicht ungestraft hin. Sobald die Schule aus war und die Herde auf der Gasse, so war ich wie vogelfrei, und jedes suchte sich an mir zu rächen, und zu Hause vergaßen meine Schwestern auch nicht, was sie in der Schule von mir erhalten hatten. Ich war keiner der stärksten und verstund anfangs gar nicht, mich zu wehren. Ich glaubte, sie sollten auch außer der Schule vor mir Respekt haben, und drohte mit Verklagen, statt wieder zu schlagen. Allein da der Respekt nicht kommen wollte, so lehrte die Not mich besser zu verteidigen und die andern Kinder so viel möglich zu meiden. Das machte mir die Schule und den Schulmeister immer lieber, weil ich in derselben und bei demselben am sichersten und wöhlsten war.

      Die Erfüllung des zweiten Versprechens hielt aber noch viel härter als die des ersten. Schreiben und Rechnen wollte ich jetzt auch lernen, aber mein Schulmeister wollte lange nicht daran. Er dürfe es uf sy Seel nicht veranworten bei den Vorgesetzten, sagte er. So lang das Schulhaus stehe, СКАЧАТЬ