Leiden und Freuden eines Schulmeisters. Jeremias Gotthelf
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Читать онлайн книгу Leiden und Freuden eines Schulmeisters - Jeremias Gotthelf страница 15

СКАЧАТЬ Kinder gesehen, die etwas in den Nastüchern Eingebundenes in des Schulmeisters Stube trugen; ich hoffte daher auf einen tüchtigen Küchlischmaus zum Lohn meiner Stellvertreterei und freute mich gar sehr. Aber als ich in seine Stube kam, sah ich keine Küchli auf dem Tisch, sondern eine Tafel und der Schulmeister sprach also zu mir: ›Peterli, du bisch e bsungerbar e guete Bueb u hesch e Gring wie-n-e Heuschür; i wett, du wärisch myne, du müeßtisch e Schulmeister gäh. Aber notti will dr nenis zeige, i ha‘s no kem zeigt, die Großgringe bruche nit alles z‘wüsse, si meine sust scho, di Welt syg alli ihn; es isch geng guet, we si dr Schulmeister o noh nötig hey.‹

      Nun fing er an, mir zu erläutern, daß er noch keinem gezeigt, wie man die Zahlen setzen müsse, und noch keinem sei es in Sinn gekommen darnach zu fragen. Sie betrachteten das als etwas, das sich gar nicht lernen lasse. Darum kämen sie auch in keinen Rechnungen fort und müßten immer zu ihm kommen damit, indem sie immer das hinterst zu vorderst setzten. Mir nun, sagte der Alte, wolle er es zeigen. Es gebe doch vielleicht eine Zeit, wo ich es brauchen könne. ›Nun paß auf, Peterli,‹ sagte er. ›Wenn du Zahlen setzen willst, so mußt du immer z‘vorderischt anfangen, gerad so wie man schreibt und wie man redet. Man sagt hundert und fünfzig, darum setze zuerst 1, das bedeutet hundert, und dann 50 nach, das bedeutet dann hundert und fünfzig. So sagt man auch tausend zehn hunderttausend zuerst und dann erst was nachkömmt. Aber paß geng gut auf und vergiß keine zu schreiben, die man sagt. Es ist besser du setzest eine zu viel als eine zu wenig. Und wenn dir jemand Zahlen aufmacht, daß du sie aussprechen sollst, so vergiß nicht, daß wenn 3 Zahlen sind, so bedeutet es, daß sie hundert machen, 4 machen tausend, 5 zehn- 6 hunderttausend. Mehr zu wissen, braucht kein Christ. Man sagt, es gab noch Millionen, aber vo dene ha-n-i no keni g‘seh. Und noch eins, Peterli, vergiß nicht. Wenn dir einer mit hunderttausend anfangt, so mußt allweg 6 Zahlen schreiben, wenn er auch nicht 6 ausspricht. Du mußt dann Nullen zwischen ein thun, bis 6 hast, eine, zwei oder drei, je nachdem es sie mangelt; und du wirst bald merke, wo-n-es st am beste schickt.‹

      Das war das große Geheimnis, an dem ich gar unbändig große Freude hatte und Zahlen schrieb und aussprach, bis ich fast sturm wurde. Auch brachte ich es zu einer gewissen Fertigkeit und Sicherheit die Nullen anzubringen.

      Es möchte irgend jemand glauben, ich schreibe da etwas Ersinnetes ins Blaue hinein, um entweder die alte Zeit oder die alten Schulmeister zu verleumden; ich schreibe da etwas, das nie so gewesen. Nein, wertgeschätzte und allerliebste Leser (zu den Hochgeachteten rede ich nicht, die sind nicht zu brichten), ich lüge wahrhaftig nicht: so ist es vor dreißig bis vierzig Jahren nicht nur in einer, sondern in vielen Landschulen des Kantons Bern gewesen. Waren doch vor noch nicht acht Jahren Schulen in der Stadt Bern, in denen nur zwei Stunden Schreib- und Rechenunterricht in der Woche waren, und für hundertfünfzig Mädchen in einer Stube, wo nicht siebzig Platz hatten; wo schreiben und rechnen konnte, wer gerne wollte. Ich berufe mich z.B. auf einen grausam vornehmen Mann, der jetzt feine Kinder besser schulen lassen will, ob es nicht so gewesen. Der kann‘s erzählen, wie es ihm ergangen, als er die Fragen konnte, die Noten kannte, eine Menge Psalmen und Historenen auswendig wußte, und nun dem Schulmeister sagte, er möchte noch mehr lernen, er hätte wohl Zeit noch für Rechnen und Schreiben. Der kann‘s erzählen, wie er nicht zur Erfüllung seines Wunsches kam, sondern wie der Schulmeister, der rechnen und schreiben für die damalige Zeit recht ordentlich konnte, ihm sagte: »Los, Christi, was witt das lere, du bruchst das nüt; we d‘ de öppis z‘schribe u z‘rechne hest, su chum nume zu mir, i will dr‘s scho mache. We-n-e-n-iedere alles lere wett, es war grad ke Religion meh, dLüt glaube scho jetz je länger je minger.«

      So hinterhielten nicht nur die Reicheren den Ärmern das Lernen, sondern auch die Reicheren konnten oft trotz dem besten Willen nicht dazu kommen, wenn der Schulmeister ein Pfiffikus und ein Politikus war. So wäscht eine Hand die andere. Die Bauren gaben dem Lehrer einen Hundelohn, bei dem er nicht leben, nicht sterben konnte; und die Lehrer halfen sich dadurch, daß sie die Bauren in der Unwissenheit ließen und dadurch zinsbar behielten in allen ihren Geschäften. So straft sich der Geiz und die unverständige Kargheit gewöhnlich. Die Bauren blieben unwissend und mußten diese Unwissenheit sehr oft mit schwerem Gelde büßen, aus welchem sie viele Schullöhne hätten bezahlen können. Aber merkwürdig bleibt es doch, daß dieses alles so geschehen konnte, und daß die Schulmeister lehren konnten, was und wie viel einer wollte; daß niemand da war, der dieser Willkür ein Ende machte. Diese Zeit ist bis auf den heutigen Tag noch nicht ganz vorüber, und das ist das merkwürdigste an der ganzen Geschichte.

      Sechstes Kapitel. Wie ich auch um dieses Prinzentum komme

      Durch mehrere Jahre hatte ich mein Regiment standhaft und am Ende unangefochten geführt. Da war ich herangewachsen zur Unterweisung und mit derselben ging meine Herrlichkeit zu Ende. Es war nämlich in unserer Gemeinde, wie in vielen andern, die Sitte, daß kein Unterweisungskind die Schule mehr besuchte. Und als einst ein naseweiser junger Vikar es anders wollte, sprach die versammelte ehrbare Gemeinde: Seit Menschengedenken habe kein Unterweisungskind die Schule besucht, solche Neuerungen seien gegen alle Religion. Wie ihre frommen Vorväter es gehalten, so solle es bleiben ihr lenbenlang. Wer etwas andres wolle, solle es nur probieren, sie wollen b. D. sehen. Und dabei blieb es. Noch während der Kinderjahre — denn so lange man noch nicht unterwiesen ist, ist man ein Kind, und viele bleiben Kinder bis und über das Schwabenalter hinaus, ja bis zum Tode — während dieser Zeit noch vergaßen viele bereits einen Teil des Gelernten; sie repetierten nicht mehr und in wenig Jahren war das Meiste in Wind gegangen. So hatten die Menschen im Grunde auch nicht unrecht, wenn sie behaupteten, die Schule trage eigentlich nichts ab und die Geschicktesten würden später die Schlimmsten; wenn die Kinder einmal aus der Schule seien, so rührten sie kein Buch mehr an. Da in einer Schule fast nichts getrieben wurde, als unverstandene Dinge auswendig lernen: so war mit ihrem Vergessen die ganze langjährige Arbeit verflogen; die Schule war wie eine Mühle, in welcher nur Mehlstaub gemahlen wurde, um denselben dem Winde vorzuschütten.

      Wenn ich an das so recht lebhaft denke, so werde ich immer g‘wundrig, was der liebe Gott gedacht haben und einst sagen werde, zu solchen Schulen, zu der verschleuderten Zeit, zu den Schweißtropfen der Kinder, zu den Schulmeistern, die wie Eichhörnchen in einer Trülle rundum liefen aber nirgends hin. Ganz sicher wird er manches sagen, aber über die schwitzenden Kinder und die trüllenden Schulmeister wird er sich erbarmen: denn sie wußten es nicht besser, und die andern wollten es nicht besser.

      Sobald ich in die Unterweisung eingeschrieben war, hörte also das Schulgehen auf, was mir sehr weh that und ich mußte zum Handwerk, ein Weber sollte ich werden. Wahrscheinlich dachte das mein Vater nicht einmal, sondern er dachte nur daran, wenn zwei weben, so sei der Verdienst größer und er könne es besser haben.

      Aber Lehrbub sein bei ihm, das war eine gar strube schlimme Sache. Er hatte keine Geduld mit mir und doch mußte ich das schlechteste Garn, das alle Augenblicke riß, verarbeiten. Schläge bekam ich, wenn ich nicht fort mehr konnte, wenn ich nicht auf der Stelle alles begriff, wie der Vater es mir befahl; am meisten aber, wenn das Tuch nicht so schön gewoben war, als der Vater, ein vierzigjähriger Weber es gemacht hätte. Lust bekam ich auf diese Weise gar keine zur Arbeit, Furcht vor den Schlägen ließ mich aufpassen und arbeiten, so gut ich konnte.

      Meine einzige Freude war das Besuchen der Unterweisung, über die aber der Vater, wenn sie ihm zu oft wiederkam, lästerlich schimpfte. Ehemals sei die Welt viel besser gewesen und die Leute ganz anders und doch hätte man nicht halb so viel in die Unterweisung müssen, pflegte er zu sagen. Aber ehemals hätten sie unterweisen können, es heig fry gsurret a de Wänge, u da sig der Schulmeister mit der Ruete da gsy, dä heyg eim ufgleyt bis me‘s chönne heyg. Er sehe gar nicht ein, was das Laufen abtrage. Je besser es einer könne, desto kürzer mache er es. Ich ging gar gerne in die Unterweisung, weil ich dadurch vom Webstuhl weg an die freie Luft kam und gewöhnlich noch einige Zeit in der Schule mich aufhalten konnte, wo es mich an die alten schönen Zeiten nicht wenig heimelete, so daß ich noch oft die Rute zur Hand nahm und mein altes Amt übte, bis der Pfarrer kam.

      Der Pfarrer war ein alter freundlicher Herr, СКАЧАТЬ