Leiden und Freuden eines Schulmeisters. Jeremias Gotthelf
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Читать онлайн книгу Leiden und Freuden eines Schulmeisters - Jeremias Gotthelf страница 17

СКАЧАТЬ Predigt und abgenommenem Eide schlug sich der Statthalter zum Landvogt, der ein schönes Essen geben mußte; die Knaben sollten nach Hause. Das thaten sie aber nicht; sie dachten, ebenso gut das Recht zu haben, zu essen und zu trinken, als der Statthalter und der Landvogt. Zahlten sie doch, wie sie meinten, ihre Üerti aus dem eigenen Sack und nicht von anderer Leuten Gelde.

      Sie machten sich aber von den schmausenden Honoratioren weg, so weit, daß diese sie nicht mehr hören konnten, in irgend ein Wirtshaus, wo noch Knaben aus mehreren Gemeinden beisammen waren. Wie die Burschen da so stolz eintraten, sich in die Brust warfen, kommandierten, anstießen, daß die Gläser spalteten und der Wein überfloß; es war eine Freude für alle Anwesenden. Jeder wollte der Größte sein und meinte, er müßte es dadurch zeigen, daß er am wüstesten thäte.

      Aber noch auf etwas anderes paßten die Leute. Es war nämlich die Zeit noch, wo jede Gemeinde die andere haßte, jede ihren Übernamen hatte, keine Gemeinde mit der andern gemeinsame Sache machte, außer etwa im Streit, gegen eine dritte die Zeit, wo fast allemal, wenn Leute aus verschiedenen Dörfern in einem Wirtshause tranken, blutige Händel entstunden und nicht nur zwischen jungen Burschen, sondern wo auch erwachsene Männer, ja selbst Greise daran teilnahmen. Es war die gute alte liebe Zeit, welche die Unverständigkeit der heutigen Zeit immer wieder als Muster der Religiosität und guten Sitte vorhält, vorhält als eine Zeit, in welcher Ordnung und Einigkeit geherrscht hätten. Die Buben, schon lange eingeweiht in diesen Haß, mußten nun zeigen, daß sie ihrer Väter würdig seien, treue Söhne der Oberkeit, d. h. unfähig, unter sich gemeinschaftliche Sache zu machen. Bald fing der ungewohnte Wein in den jungen Schläuchen an zu gären, Stichworte flogen, Begegnende müpften sich wie zufällig, ältere schürten das Feuer; Gläser folgten den Worten nach und bald war ein Handgemeng zustande gebracht, das heftiger und blutiger wurde, je nachdem die Anwesenden, welche am Ende die Streitenden auseinander brachten, vernünftiger oder unvernünftiger waren. Geprügelt zog man heim mit zerzaustem Sonntagsstaat und blutigen schlag- und weinsturmen Köpfen. Und um ja alles zu thun, was die Großen, rauchten viele zum ersten Male aus kreuzerigen Pfeifchen dreikreuzerigen Tabak in vollen Zügen. Der setzte nun das Düpfli auf den I und übel zugeputzt kam man nach Hause und am folgenden Morgen dachte man an alles andere, nur nicht an den Eid, den man abgelegt.

      Dieser Tag und seine Erwartungen waren es, welche mich die entschwundene Ostern vergessen ließen. Einige Batzen Examengeld hatte ich mir erspart, hatte meinem Götti einen Besuch gemacht, mein Tintenhaus und Federnrohr, die ich doch vor meinem Vater nicht zeigen durfte, verkauft, einige Kreuzer im Stöckeln gewonnen, so daß ich den für mich unerhörten Reichtum von 12-1/2Batzen zusammengeraxet hatte. Diese zählte ich doch manchmal während der langen Woche so heimlich als möglich, denn um meinen Schatz durfte im Hause niemand wissen. Am Sonntag aber, nachdem ich das Haar tüchtig genetzt, eine halbe Stunde lang schön glatt über die Augen hinunter gestrählt hatte, that ich das Geld in den rechten Hosensack und, kaum vom Hause weg, klimperte ich mit der Hand den ganzen Tag darin, bis keins mehr war darin. Andere klimperten freilich mit Brabänteren.

      Wir zogen hin, den Statthalter voran, der gewiß nicht recht z‘Morgen gegessen hatte, damit ihm am Mittag der Appetit ja nicht fehle. Der Pfarrer hielt eine lange Predigt, auf die ich aber nicht viel hörte; denn ich hatte meine rechte Hand im rechten Hosensack und mit der linken strich ich meine Haare glatt. Darauf trat der Landvogt vor, ein schöner, großer Herr trotz dem töllsten Küher; der hatte einen langen Säbel an der Seite und einen Dreispitz in der Hand, und der that eine kurze Rede dar; er sagte nämlich: »Heit dr ghört, was dr Herr Pfarrer so schön Euch gseit het? Ich loset, was dr Amtschreiber Euch wird ablesen u de heit drei Finger vo dr rechte Hand uf u säget mr de nache, was i-n-ech vorsäge. Herr Amtschreiber, leset ab!« Derselbe war ein spitzes, mageres Männchen, das der Landvogt fast in die Kuttentäsche hätte stoßen können, wenn die Nase nicht gewesen wäre, denn die war gar lang und spitz und recht gemacht, für sie in alles zu stecken.

      Mit krähender Stimme las derselbe etwas ab von Obrigkeit und Gehorsam, von Treue und Wahrheit, und darauf sprach wieder der Landvogt etwas vor, das man mit erhobenen Fingern nachsprechen mußte; aber wir hinten Sitzenden verstanden blutwenig davon, machten und brummten den vordern nach und konnten nicht warten, bis wir aus der Kirche waren. Der Boden brannte uns ordentlich unter den Füßen und das Geld war wie lebendig in den Säcken. Endlich gingen die Thüren auf, wir wurden losgelassen; doch erhielten wir auf dem Kirchhof vom Statthalter noch die Mahnung, alsobald nach Hause zu gehen und nicht wüst zu thun. Er hatte sie sparen können; er wußte wohl, daß wir nicht darum thaten; aber das dachte er nicht, daß wir zu einander sagten: »Da het guet chräye, da geit jetz ga fresse u ga sufe u mr seu nüt ha. Dä cha-n-is i dSchueh blase u mir gö, wo mir wey«.

      Und wir gingen und tranken und poleteten unserer Väter würdig. Jeder von uns dünkte sich ein Held, auf den Straßen wurde niemand respektiert und schon auf dem Wege, ehe man noch ins Wirtshaus gelangt war, gab es einige Raufeten, Vorspiele des kommenden. Der Wein zündete erst recht an und was ging, will ich nicht weiter beschreiben. Nur will ich kurz sagen, daß ich um all mein Geld kam, ein schönes Halstuch mir zerrissen wurde, daß ich Schläge erhielt recht tüchtige, zuerst von andern Buben, dann von Erwachsenen, die sich in den Streit mischten; daß ich betrunken heim taumelte mit einer Pfeife im Munde und mit andern einen Kiltgang abgeredet hatte; daß ich aber an einem Zaune liegen bleiben und dem Ulli rufen mußte und sterben zu müssen glaubte. Da wurde ich nüchtern, der Geist des Großmachens lag am Hag im D..ck, und marode, matt, krank, elend schlich ich nach Hause und war seelenfroh, daß der Vater mich nicht noch in die Finger nahm und ich ruhig ins Bett konnte, den stürmen Kopf zur Ruhe zu legen. Das war ein sogenannter Huldigungstag!

      Siebentes Kapitel. Wie das Vaterhaus mir zum Diensthause gemacht wird

      Schon früher hatte ich also das Weben lernen müssen. Seit aber die verfluchte Unterweisung, wie der Vater gesagt hatte, zu Ende war, wurde ich nun förmlich eingespannt und an dem Webstuhl angekettet. Vom Morgen früh bis abends spät sollte ich daran sein und doch wieder der Mutter auf dem Heimet helfen. War ich nun durch schlechtes Garn oder durch von der Mutter erzwungene Arbeit auf dem Lande abgehalten worden, das Stück in der Zeit fertig zu haben, in welcher dessen Vollendung der Vater sich in den Kopf gesetzt, so schnauzte er mich ab ärger als einen Hund; das schlechte Garn, die andere Arbeit brachte er nicht in Anschlag. Einigemal wob ich ganze Sonntagsmorgen, um solche Versäumnisse einzubringen. Flugs machte er das zu einem Recht und verkürzte mir die Zeit, in welcher ein Wubb fertig sein sollte. Was aber hatte ich von dieser angestrengten Arbeit? Nichts! Kleider hatte ich nur die notdürftigsten und auch die nur mit Mühe und Not und manchem bitteren Wort. Bat ich z. B., wenn der Schuhmacher auf der Stör war, um ein Paar Schuhe, so hieß es, für den Webkeller seien meine noch lang gut genug, und wenn ich schon keine hätte für da ume z‘gheie, so sei es nur um so besser. Erst wenn alle hatten und noch ein Rest des schlechtesten Leders blieb, ward es mir zu teil. Wenn dann meine Schuhe, wie natürlich, zuerst gebrochen waren, so war ich der unerchantest Hung, der nichts könne als düre mache.

      Erhielt ich kaum Kleider, so bekam ich noch viel weniger Geld; 12 ½ Batzen brachte ich nicht mehr zusammen, kaum 6 Kreuzer. Es ist nicht gut, wenn junge Leute zu viel Geld in Händen haben. Sie verschwenden dasselbe nicht nur leicht sondern gewöhnen sich an Verschwendung und glauben gar zu gerne, die Quelle, welche ihnen jetzt ihre Taschen füllt, vertrockne nie und gebe immer das Hinreichende. So sieht man Baurensöhne, Handwerksbursche, Knechte in die Wette Geld verthun in ihrer ledigen Zeit, auf die liederlichste Weise es verbrauchen, mancher auf eine Weise, bei der er nicht einmal Freude hat, sondern nur den Genuß, daß man von ihm redet als von einem Generalslümmel. Diesen allen kömmt die Zeit, wo das Geld rarer wird bei ihnen, wo sie sich für jeden unnützen Kreuzer, den sie verthan, die Haare ausraufen möchten, und ganze Nächte schlaflos zubringen mit dem trostlosen Rechnen, was sie jetzt mit dem vergeudeten Gelde anfangen könnten. Es kommt die Zeit, wo sie für sich selbst sein möchten oder eine Haushaltung anfangen müssen; dann fehlt das Geld hinten und vornen und Tausende verlieren den Mut, gehen zu Grunde, fallen den Gemeinden zur Last, die Männer gegeben hätten, wenn sie fünfzig Kronen zum Anfang gehabt hätten.

      Aber СКАЧАТЬ