Ein feines Haus. Emile Zola
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Название: Ein feines Haus

Автор: Emile Zola

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Die Rougon-Macquart

isbn: 9783754188521

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СКАЧАТЬ zwar kalt, aber da ist halt nichts zu machen!«

      Nun schnüffelte auch Berthe vergebens herum. Schließlich belegte sie eine Flasche mit Beschlag, in der ihre Mutter einen alten Topf Eingemachtes mit Wasser verdünnt hatte, um Johannisbeersaft für ihre Abendgesellschaften herzustellen. Sie schenkte sich ein halbes Glas davon ein und sagte:

      »Halt, ich habe eine Idee! Da werde ich mir Brot drin eintunken! Wo doch weiter nichts da ist!«

      Aber die besorgte Frau Josserand schaute sie streng an.

      »Tu dir keinen Zwang an, schenke dir das Glas voll ein, wenn du schon mal dabei bist! Morgen setze ich den Damen und Herren Wasser vor, nicht wahr?«

      Zum Glück wurde ihre Strafpredigt durch eine neue Missetat Adèles unterbrochen. Frau Josserand, die immer noch hin und her ging und suchte, was Adèle wohl sonst noch verbrochen haben könnte, gewahrte auf dem Tisch ein Buch; und nun gab es einen nicht mehr zu überbietenden Ausbruch.

      »Oh, dieses Dreckstück! Schon wieder hat sie meinen Lamartine11 in die Küche mitgenommen!«

      Es war ein Exemplar von »Jocelyn«. Sie nahm es, rieb daran herum, als wolle sie es abtrocknen; und sie sagte immer wieder, zwanzigmal habe sie ihr schon verboten, es überall so herumliegen zu lassen, um ihre Rechnungen darauf zu schreiben.

      Berthe und Hortense hatten sich unterdessen das übriggebliebene Stückchen Brot geteilt; mit ihrem Abendbrot in der Hand zogen sie los, sie wollten sich zuerst einmal ausziehen. Die Mutter warf einen letzten Blick auf den eiskalten Herd und kehrte, ihren Lamartine unter dem überquellenden Fleisch ihres Armes fest an sich gepreßt, ins Eßzimmer zurück.

      Herr Josserand schrieb weiter. Er hoffte, seine Frau werde sich damit begnügen, ihn mit einem verächtlichen Blick niederzuschmettern, wenn sie durch das Zimmer kam, um schlafen zu gehen. Aber sie ließ sich wiederum ihm gegenüber auf einen Stuhl sinken und starrte ihn an, ohne ein Wort zu sprechen. Er spürte diesen Blick, ihn überkam eine solche Bangigkeit, daß seine Feder das dünne Papier der Streifbänder zerkratzte.

      »Du also hast Adèle daran gehindert, eine Cremespeise für morgen abend zu machen?« sagte sie schließlich.

      Verdutzt entschloß er sich, den Kopf zu heben.

      »Ich, meine Liebe?«

      »Ach, du willst es wohl wieder abstreiten wie immer ... Warum hat sie dann die Cremespeise nicht gemacht, die ich ihr aufgetragen habe? Du weißt genau, daß wir morgen vor unserer Abendgesellschaft Onkel Bachelard zum Essen da haben, dessen Namenstag sehr ungünstig fällt, gerade auf einen Empfangstag. Wenn es keine Cremespeise gibt, dann muß Eis dasein, und damit sind wieder mal fünf Francs rausgeschmissen!«

      Er versuchte sich nicht zu rechtfertigen. Da er seine Arbeit nicht wieder aufzunehmen wagte, fing er an, mit seinem Federhalter zu spielen. Es herrschte Schweigen.

      »Morgen früh«, fuhr Frau Josserand fort, »wirst du mir den Gefallen tun, bei den Campardons vorzusprechen und sie sehr höflich – wenn du das kannst – daran zu erinnern, daß wir am Abend auf sie rechnen ... Heute nachmittag ist ihr junger Mann angekommen. Bitte sie, sie möchten ihn mitbringen. Ich will, daß er kommt, hörst du!«

      »Welcher junge Mann?«

      »Eben ein junger Mann; es würde zu lange dauern, dir das zu erklären ... Ich habe meine Erkundigungen eingezogen. Ich muß wirklich alles versuchen, da du mir deine Töchter ja wie einen Packen Dummheiten auf dem Halse läßt, ohne dich mehr um ihre Verheiratung zu kümmern als um die des Großtürken.« Dieser Gedanke entfachte ihren Zorn aufs neue. »Du siehst, ich beherrsche mich, aber mir stehtʼs bis obenhin, jawohl, bis obenhin! Sage nichts, mein Lieber, sage, nichts, sonst explodiere ich wahrhaftig ...«

      Er sagte nichts, und sie explodierte trotzdem.

      »Das ist ja nachgerade unerträglich! Laß dir das gesagt sein, ich haue eines schönen Morgens ab und lasse dich mit deinen beiden Töchtern, diesen Gänsen, sitzen ... Bin ich etwa für dieses Bettlerleben geboren? Immer jeden Heller dreimal umdrehen, sich sogar ein Paar Stiefeletten versagen, nicht einmal seine Freunde auf anständige Art und Weise empfangen können! Und das alles durch deine Schuld! – Ach, wackle nicht mit dem Kopf, bring mich nicht noch mehr hoch! Jawohl, durch deine Schuld! Du hast mich getäuscht, mein Lieber, schändlich getäuscht. Man heiratet keine Frau, wenn man entschlossen ist, es ihr an allem fehlen zu lassen. Den Prahlhans hast du gespielt, hast mit einer schönen Zukunft angegeben; du warst der Freund der Söhne deines Chefs, dieser Brüder Bernheim, die dich seitdem so schön zum besten gehalten haben ... Wie? Du wagst zu behaupten, sie hätten dich nicht zum besten gehalten? Du müßtest jetzt doch längst ihr Teilhaber sein! Du warst es doch, der ihre Kristallwarenfabrik zu dem gemacht hat, was sie ist, nämlich zu einer der ersten Pariser Firmen, und du bist ihr Kassierer geblieben, ein subalterner Angestellter, ein Lohnempfänger ... Jawohl, dir fehlt es an Mut, halt den Mund!«

      »Ich habe achttausend Francs im Jahr«, murmelte der Angestellte. »Das ist ein schöner Posten.«

      »Ein schöner Posten nach mehr als dreißig Dienstjahren!« entgegnete Frau Josserand. »Du reibst dich auf dabei, und du bist noch entzückt ... Weißt du, was ich getan hätte? Na, zwanzigmal hätte ich die Firma schon in die Tasche gesteckt. Das war ja so leicht, das habe ich gemerkt, als ich dich geheiratet habe; seitdem habe ich nicht aufgehört, dich dazu anzutreiben. Aber dazu hätte man eben Unternehmungsgeist und Verstand gebraucht, es kam darauf an, nicht wie ein Blödhammel auf seinem Sitzleder einzuschlafen.«

      »Na, hör mal«, fiel Herr Josserand ein, »willst du mir jetzt etwa einen Vorwurf daraus machen, daß ich ehrlich gewesen bin?«

      Sie stand auf und ging, mit ihrem Lamartine herumfuchtelnd, auf ihn zu.

      »Ehrlich? Was meinst du damit? Sei doch erst mal ehrlich gegen mich. Dann kommen doch hoffentlich erst die anderen! Und ich sage es dir noch einmal, mein Lieber, es ist keine Ehrlichkeit, wenn man ein junges Mädchen hineinlegt, indem man sich den Anschein gibt, als sei man gewillt, einst reich zu werden, und dann tierisch dabei verblödet, indem man die Kasse anderer verwaltet. Wirklich, ich bin auf eine schöne Art und Weise angeschmiert worden! Ach, wenn ich doch noch mal vor diese Entscheidung gestellt würde und wenn ich bloß deine Familie gekannt hätte!« Sie ging ungestüm auf und ab.

      Trotz seiner großen Sehnsucht nach Frieden konnte er eine aufkommende Ungeduld nicht unterdrücken.

      »Du solltest schlafen gehen, Eléonore«, sagte er. »Es ist ein Uhr durch, und ich versichere dir, die Arbeit hier ist eilig ... Meine Familie hat dir nichts getan, rede nicht über sie.«

      »Sieh mal an, warum denn? Deine Familie ist auch nicht heiliger als eine andere, denke ich ... Jedermann in Clermont weiß genau, daß dein Vater sich nach Verkauf seiner Anwaltspraxis von einem Dienstmädchen hat ruinieren lassen. Du hättest deine Töchter schon längst verheiratet, wenn er mit über siebzig Jahren nicht der Nutte nachgelaufen wäre. Auch so einer, der mich angeschmiert hat!«

      Herr Josserand war bleich geworden. Er erwiderte mit bebender Stimme, die nach und nach anschwoll: »Hör mal, wir wollen uns doch nicht schon wieder gegenseitig unsere Familien unter die Nase reiben ... Dein Vater hat mir deine Mitgift, die dreißigtausend Francs, die er versprochen hatte, niemals ausgezahlt.«

      »He? Was? Dreißigtausend Francs?«

      »Allerdings, tu nicht so erstaunt ... Und wenn meinem Vater auch allerlei Unglück zugestoßen ist, so hat deiner sich uns gegenüber nichtswürdig verhalten. Bei seinem Nachlaß habe ich nie so ganz klargesehen, es СКАЧАТЬ