Ein feines Haus. Emile Zola
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Название: Ein feines Haus

Автор: Emile Zola

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Die Rougon-Macquart

isbn: 9783754188521

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СКАЧАТЬ den Salon begleitete, wo die Herren ihre Hüte holten.

      Angèle folgte ihnen mit eckigen Bewegungen. Aber ihr Klavierlehrer wartete auf sie, und gleich darauf klimperte sie mit ihren dürren Fingern auf dem Instrument los. Octaves Stimme wurde übertönt, als er in der Diele zurückblieb, um sich abermals zu bedanken. Und als er die Treppe hinabging, schien ihn das Klavier zu verfolgen: inmitten des lauen Schweigens antworteten bei Frau Juzeur, bei den Vabres, bei den Duveyriers andere Klaviere, spielten in jedem Stockwerk andere Melodien, die fern und fromm aus der Andächtigkeit der Türen hervortönten.

      Unten bog Campardon in die Rue Neuve-Saint-Augustin ein. Er schwieg, sah gedankenversunken aus, wie jemand, der nach einer Überleitung sucht.

      »Erinnern Sie sich noch an Mademoiselle Gasparine?« fragte er schließlich. »Sie ist erste Verkäuferin bei den Hédouins ... Sie werden sie gleich sehen.«

      Octave hielt die Gelegenheit für gekommen, seine Neugier zu befriedigen.

      »Aha«, sagte er. »Wohnt sie bei Ihnen?«

      »Nein, nein«, rief der Architekt lebhaft und gleichsam gekränkt aus. Da der junge Mann über seine Heftigkeit überrascht zu sein schien, fuhr er dann ziemlich verlegen und voller Sanftmut fort: »Nein, Mademoiselle Gasparine und meine Frau verkehren nicht mehr miteinander ... Sie wissen ja, wie das in den Familien so ist ... Ich bin ihr begegnet, und ich mußte ihr wohl oder übel behilflich sein, nicht wahr, zumal das arme Mädchen nicht gerade im Geld schwimmt. So kommt es, daß die beiden Frauen jetzt durch mich voneinander erfahren, wie es ihnen geht ... Bei diesen alten Streitigkeiten muß man es der Zeit überlassen, die Wunden zu heilen.«

      Octave entschloß sich gerade, ihn rundheraus über seine Heirat zu fragen, als der Architekt das Gespräch kurz mit den Worten abbrach: »Da sind wir!«

      Es war ein an der Ecke der Rue Neuve-Saint-Augustin und der Rue de la Michodière gelegenes Modewarengeschäft, dessen Tür zum schmalen Dreieck des Place Gaillon zu lag. Auf einem Ladenschild, das zwei Fenster des Zwischenstocks versperrte, stand in großen verblaßten Goldbuchstaben »Paradies der Damen, gegründet 1822«, während auf den Spiegelglasscheiben der Schaufenster rot aufgemalt der Firmenname »Deleuze, Hédouin & Co.« zu lesen war.

      »Es hat keinen modernen Schick, ist aber ehrbar und solide«, erklärte Campardon schnell. »Herr Hédouin, ein ehemaliger Verkäufer, hat die Tochter des ältesten Deleuze geheiratet, der vor zwei Jahren gestorben ist, so daß die Firma jetzt von dem jungen Ehepaar, dem alten Onkel Deleuze und einem anderen Teilhaber, die sich, glaube ich, beide abseits halten, geleitet wird ... Sie werden Frau Hédouin ja sehen. Oh, eine Frau mit Köpfchen! – Gehen wir hinein.«

      Herr Hédouin war gerade zum Einkauf von Leinwand in Lille. So wurden sie von Frau Hédouin empfangen. Sie stand da, einen Federhalter hinter dem Ohr, und erteilte zwei Ladendienern, die Stoffballen in Fächer einordneten, Anweisungen; und sie erschien Octave so groß, so bewundernswert schön mit ihrem regelmäßigen Gesicht und ihrem schlichten, glattgescheitelten Haar, so ernst lächelnd in ihrem schwarzen Kleid, von dem sich ein flacher Kragen und eine kleine Herrenkrawatte abhoben, daß er, der seinem Wesen nach doch wenig schüchtern war, zu stottern begann. Alles wurde mit ein paar Worten erledigt.

      »Nun gut«, sagte sie mit ihrer ruhigen Miene in ihrer gewohnten Verbindlichkeit als Geschäftsfrau, »da Sie ja frei sind, besichtigen Sie doch den Laden.«

      Sie rief einen Verkäufer und vertraute ihm Octave an; nachdem sie dann auf eine Frage Campardons höflich erwidert hatte, Fräulein Gasparine mache eine Besorgung, wandte sie sich ab, fuhr mit ihrer Arbeit fort, warf mit ihrer sanften und befehlenden Stimme Anweisungen hin.

      »Nicht dorthin, Alexandre ... Legen Sie die Seidenstoffe nach oben ... Das ist nicht mehr dieselbe Marke, passen Sie doch auf!«

      Zögernd sagte Campardon schließlich zu Octave, er werde wieder vorbeikommen und ihn zum Abendessen abholen.

      Nun besichtigte der junge Mann zwei Stunden lang den Laden. Er fand, daß er schlecht beleuchtet, klein und mit Waren überfüllt war, die aus dem Kellergeschoß hervorquollen, sich in den Ecken stauten, so daß zwischen den hohen Mauern von Stoffballen nur überaus enge Durchgänge frei blieben. Wiederholt begegnete er dort Frau Hédouin, die geschäftig durch die schmälsten Gänge huschte, ohne je mit einem Zipfel ihres Kleides hängenzubleiben. Sie schien die lebende und ausgeglichene Seele des Hauses zu sein, dessen ganzes Personal dem leisesten Wink ihrer weißen Hände gehorchte. Octave war gekränkt, daß sie ihn nicht mehr ansah. Als er gegen drei Viertel sieben Uhr ein letztes Mal aus dem Kellergeschoß wieder nach oben stieg, sagte man ihm, Campardon sei im ersten Stock bei Fräulein Gasparine. Dort befand sich eine Wäscheabteilung, die dieses Fräulein leitete. Aber oben an der Wendeltreppe blieb der junge Mann hinter einer Pyramide aus gleichmäßig aufgestapelten Kalikoballen plötzlich stehen, als er hörte, wie der Architekt Gasparine duzte.

      »Ich schwöre dir: nein!« rief er und vergaß sich dabei so weit, daß er die Stimme hob.

      Es trat Stillschweigen ein.

      »Wie geht es ihr?« fragte die junge Frau.

      »Mein Gott, immer dasselbe. Das kommt, das vergeht ... Sie fühlt wohl, daß es jetzt aus ist. Niemals wird sich das wieder einrenken.«

      Gasparine versetzte mit mitleidsvoller Stimme:

      »Mein armer Freund, zu bedauern bist doch du. Da du aber schließlich auf andere Art und Weise hast zurechtkommen können ... Sag ihr, wie bekümmert ich darüber bin, daß sie stets leidend ist ...«

      Ohne sie ausreden zu lassen, hatte Campardon sie bei den Schultern gepackt und küßte sie in der von der Gasbeleuchtung erwärmten Luft, die unter der niedrigen Decke bereits drückend wurde, ungestüm auf die Lippen.

      Sie erwiderte seinen Kuß und murmelte: »Morgen früh um sechs, wenn du kannst ... ich werde im Bett bleiben. Klopfe dreimal.«

      Octave, der wie benommen war, begann zu verstehen, er hustete und trat vor. Ihn erwartete eine weitere Überraschung: die Cousine Gasparine war vertrocknet, mager, eckig, hatte eine vorspringende Kinnlade und hartes Haar; und in ihrem erdfahl gewordenen Gesicht waren nur ihre großen, prächtigen Augen unverändert geblieben. Mit ihrer mißgünstigen Stirn, ihrem glutvollen und eigensinnigen Mund verwirrte sie ihn ebensosehr, wie ihn Rose mit ihrem späten Erblühen einer lässigen Blondine bezaubert hatte.

      Gasparine war indessen höflich, doch ohne Überschwang. Sie erinnerte sich an Plassans, sie sprach mit dem jungen Mann über die Tage von einst. Als Campardon und er nach unten gingen, drückte sie ihnen die Hand.

      Unten sagte Frau Hédouin zu Octave lediglich: »Bis morgen, Herr Mouret.«

      Auf der Straße, wo ihn das Rollen der Droschken ganz taub machte und ihn die Passanten anrempelten, konnte der junge Mann nicht umhin zu bemerken, jene Dame sei zwar sehr schön, wirke aber nicht liebenswürdig. Auf das schwarze und schmutzbedeckte Pflaster warfen helle Schaufenster frisch dekorierter Geschäfte mit flammender Gasbeleuchtung Vierecke grellen Lichts, während alte Läden mit dunklen Auslagen den Fahrdamm durch Lücken voller Düsternis trübselig machten, Läden, die nur innen von blakenden, wie ferne Sterne brennenden Lampen erleuchtet waren. Kurz bevor die Herren von der Rue Neuve- Saint-Augustin in die Rue de Choiseul einbogen, grüßte der Architekt, als sie an einem dieser Läden vorbeikamen.

      Eine schmächtige und elegante junge Frau, die sich ein Seidenmäntelchen umgehängt hatte, stand auf der Schwelle und zog einen kleinen dreijährigen Jungen an sich, damit er nicht überfahren werde. Sie plauderte mit einer alten Dame ohne Kopfbedeckung, zweifellos mit СКАЧАТЬ