Ein feines Haus. Emile Zola
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Название: Ein feines Haus

Автор: Emile Zola

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Die Rougon-Macquart

isbn: 9783754188521

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СКАЧАТЬ er sie wiedersah, war sie mollig, hatte die helle und ausgeruhte Gesichtsfarbe einer Nonne, zärtliche Augen, Grübchen und sah aus wie eine Naschkatze. Hatte sie auch nicht hübsch werden können, so war sie doch um die Dreißig herum gereift und hatte dabei den süßen Geschmack und den frischen Duft von Herbstobst angenommen. Es fiel Octave nur auf, daß ihr das Gehen Mühe machte und sie dabei in der Hüfte hin und her schwankte, was ihr bei dem langen, resedafarbenen seidenen Morgenrock, den sie trug, etwas Schmachtendes verlieh.

      »Aber Sie sind ja jetzt ein Mann!« sagte sie fröhlich mit ausgestreckten Händen. »Wie Sie seit unserer letzten Reise gewachsen sind!« Und sie betrachtete ihn: er war groß, brünett, ein hübscher Bursche mit gepflegtem Schnurrbart und Kinnbart. Als er sein Alter nannte, zweiundzwanzig Jahre, brach sie in Verwunderung aus: er sehe mindestens wie fünfundzwanzig aus.

      Er, den die Gegenwart einer Frau, selbst die des verworfensten Dienstmädchens, mit Entzücken erfüllte, lachte perlend und liebkoste sie mit dem Blick seiner samtweichen altgoldfarbenen Augen.

      »Ach ja«, sagte er lässig mehrere Male, »ich bin gewachsen, ich bin gewachsen ... Erinnern Sie sich noch, wie Ihre Cousine Gasparine mir Murmeln gekauft hat?« Darauf erzählte er ihr, wie es ihren Eltern ging. Herr und Frau Domergue lebten glücklich in dem Haus, in dem sie sich zur Ruhe gesetzt hatten; sie klagten nur, daß sie recht einsam wären, sie verargten es Campardon, daß er ihnen während eines geschäftlichen Aufenthaltes in Plassans ihre kleine Rose entführt hatte. Dann suchte der junge Mann das Gespräch wieder auf die Cousine Gasparine zu bringen, denn er hatte eine alte Neugier zu befriedigen, die er als frühreifer Schlingel anläßlich eines unaufgeklärt gebliebenen Ereignisses empfunden hatte: der jähe Anfall von Leidenschaft des Architekten für Gasparine, ein schönes, großes, aber mittelloses Mädchen, und dann seine plötzliche Heirat mit der mageren Rose, die dreißigtausend Francs Mitgift bekam; und ein regelrechter Auftritt mit Tränenergüssen und ein Zerwürfnis, die Flucht der Verlassenen nach Paris zu einer Tante, die Schneiderin war.

      Aber Frau Campardon, deren Sinne so abgeklärt waren, daß sie nichts mehr aus der Ruhe bringen konnte, behielt ihre rosige Blässe und schien nicht zu verstehen. Er konnte nichts Näheres aus ihr herausbringen.

      »Und Ihre Eltern?« fragte nun sie. »Wie geht es Herrn und Frau Mouret?«

      »Sehr gut, vielen Dank«, erwiderte er. »Meine Mutter kommt aus ihrem Garten nicht mehr heraus. Sie würden das Haus in der Rue de la Banne so wiederfinden, wie Sie es verlassen haben.«

      Frau Campardon, die anscheinend nicht lange stehen konnte, ohne zu ermüden, hatte sich auf einen hohen Zeichenstuhl gesetzt und die Beine unter ihrem Morgenrock langgestreckt; und einen niedrigen Sessel heranrückend, hob Octave mit der ihm zur Gewohnheit gewordenen anbetungsvollen Miene den Kopf, um mit ihr zu reden. Trotz seiner breiten Schultern wirkte er fraulich, er hatte einen Sinn für Frauen, der ihm sogleich ihre Herzen öffnete. So plauderten sie beide denn auch nach zehn Minuten bereits wie alte Freundinnen.

      »Nun bin ich also bei Ihnen in Kost?« sagte er und strich sich mit seiner schönen Hand, deren Nägel untadelig geschnitten waren, über den Bart. »Wir werden gut miteinander auskommen, das werden Sie sehen ... Es war wirklich reizend von Ihnen, sich des Bengels aus Plassans zu erinnern und sich beim ersten Wort um alles zu kümmern!«

      Aber sie wehrte ab.

      »Nein, mir dürfen Sie nicht danken. Ich bin viel zu träge, ich rühre mich nicht mehr vom Fleck. Achille, der hat alles geregelt ... Und genügte es denn übrigens nicht, daß meine Mutter uns Ihren Wunsch anvertraut hat, bei einer Familie in Kost zu gehen, um uns auf den Gedanken zu bringen, Ihnen unser Haus zu öffnen? Sie schneien ja nicht bei fremden Leuten herein, und wir haben dadurch ein bißchen Gesellschaft.«

      Nun erzählte er von seinen Angelegenheiten. Nachdem er, um seine Familie zufriedenzustellen, endlich das Abiturientenzeugnis erlangt hatte, war er die vergangenen drei Jahre in Marseille bei einer großen Firma gewesen, die mit bedrucktem Kattun handelte und deren Fabrik in der Umgebung von Plassans lag. Der Handel war seine Leidenschaft, der Handel mit Luxusartikeln für die Frau, bei dem etwas Verlockendes mit im Spiel ist, ein langsames Besitzergreifen durch goldene Worte und schmeichlerische Blicke. Und er erzählte mit sieghaftem Lachen, wie er die fünftausend Francs verdient hatte, ohne die er sich – denn unter dem äußeren Schein eines liebenswürdigen Windhunds verbarg sich die Schläue eines Juden – niemals nach Paris gewagt hätte.

      »Stellen Sie sich vor, die da hatten einen Pompadourkattun7, ein veraltetes Muster, etwas Wunderschönes ... Es biß niemand an; seit zwei Jahren lag er in den Kellerräumen ... Da kam mir, als ich gerade die Departements8 Var und Basses-Alpes abgrasen wollte, der Gedanke, den ganzen Posten aufzukaufen und ihn auf eigene Rechnung an den Mann zu bringen. Oh, das war ein Erfolg, ein toller Erfolg! Die Frauen rissen sich um die Reste; da unten gibtʼs heute nicht eine, die nicht etwas von meinem Kattun auf dem Leibe trüge ... Allerdings habe ich sie wirklich hübsch eingewickelt! Alle gehörten sie mir, ich hätte mit ihnen machen können, was ich wollte.«

      Und er lachte, während ihn Frau Campardon hingerissen, verwirrt von dem Gedanken an diesen Pompadourkattun, ausfragte. Sträußchen auf ungebleichtem Grund, nicht wahr? So etwas habe sie überall für einen Sommermorgenrock gesucht.

      »Zwei Jahre bin ich umhergereist, das genügt«, versetzte er. »Außerdem muß ich doch Paris erobern ... Ich werde mir unverzüglich etwas suchen.«

      »Wie?« rief sie aus. »Hat Ihnen Achille nichts erzählt? Er hat doch eine Stelle für Sie, und zwar ganz in der Nähe!«

      Octave bedankte sich, staunte, als wäre er im Schlaraffenland, fragte aus Spaß, ob er abends in seinem Zimmer nicht gar eine Frau und ein Vermögen mit hunderttausend Francs Jahreszinsen vorfinden würde, da stieß ein vierzehnjähriges, lang aufgeschossenes und häßliches Mädchen mit fadem Blondhaar die Tür auf und schrie leise vor Erschrecken auf.

      »Komm herein und hab keine Angst«, sagte Frau Campardon. »Das ist Herr Octave Mouret, von dem du uns schon hast reden hören.« Sich zu Octave umwendend, sagte sie dann: »Meine Tochter Angèle ... Wir hatten sie bei unserer letzten Reise nicht mitgenommen. Sie war so schwächlich! Aber nun wird sie ja ein bißchen voller.«

      Angèle hatte sich mit der mürrischen Befangenheit von Mädchen in diesem ungünstigen Alter hinter ihre Mutter gestellt. Sie ließ ihre Blicke über den lächelnden jungen Mann gleiten.

      Fast gleich darauf kam Campardon ganz aufgekratzt wieder zum Vorschein; und er konnte nicht an sich halten, er erzählte seiner Frau in wenigen abgerissenen Sätzen von dem Glücksfall: Abbé Mauduit, Vikar an der Kirche Saint-Roch, wegen Bauarbeiten; bloß eine Reparatur, die ihn aber weit bringen könne. Er ärgerte sich zwar darüber, daß er in Octaves Gegenwart geplaudert hatte, war aber immer noch so aufgeregt, daß er in die Hände klatschte und sagte: »Hm, hm, was machen wir nun?«

      »Aber Sie wollten doch ausgehen«, sagte Octave. »Ich will Sie nicht abhalten.«

      »Achille«, murmelte Frau Campardon, »diese Stelle da bei den Hédouins ...«

      »Ach ja, richtig!« rief der Architekt aus. »Mein Lieber, eine Stelle als erster Verkäufer in einem Modewarengeschäft. Ich kenne dort jemanden, der sich für Sie verwendet hat ... Man erwartet Sie. Es ist noch nicht vier Uhr, soll ich Sie vorstellen?«

      Octave zögerte, da er wegen des Knotens seiner Krawatte besorgt war und sich bei seiner Leidenschaft für untadelige Kleidung unsicher fühlte. Er entschloß sich jedoch, als Frau Campardon ihm geschworen hatte, er sehe sehr anständig aus. Mit einer schmachtenden Bewegung hatte sie ihrem Mann die Stirn hingehalten, die dieser mit überströmender Zärtlichkeit küßte, wobei er immer wieder sagte: »Leb wohl, mein Kätzchen ... Leb wohl, СКАЧАТЬ