Название: Kompetenzentwicklung im Netz
Автор: Werner Sauter
Издательство: Bookwire
Жанр: Сделай Сам
isbn: 9783737518895
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Auch gruppendynamische und gruppentherapeutische Verfahren zeichnen diese Grundelemente als Prozessstufen nach. [1] Das bestärkt uns in der Annahme, dass die Stufen (a) bis (g) und (A) bis (G) aus allgemeinpsychologischen, vor allem aus unterschiedlichen Emotions‑ und Motivationstheorien gewonnenen Darstellung individueller Wertinteriorisation genau einander entsprechen, so dass die Annahme eines generalisierten „Wirkungsmechanismuses“ nahe liegt.
Gruppenprozesse haben an sich noch nichts mit Wertinteriorisation zutun. Allerdings sind sie fast immer davon begleitet. In der Regel ändern sich die Selbstkonzepte der Teilnehmer, ihre Selbstbewertungen, die Bewertung ihrer eigenen Aktivitäten, der gegenständlichen Bedingungen, unter denen der Gruppenprozess stattfindet sowie der anderen Gruppenmitglieder. Das führt fast zwangsläufig zu einer Änderung der personalen, der aktivitätsbezogenen, der fachlich-methodischen und der sozial-kommunikativen Kompetenzen. Insofern bilden die Aussagen zur Gruppendynamik einen dritten Zugang zur Interiorisationsproblematik. Der Zugang ist besonders attraktiv, weil reale Situationen von Kompetenzentwicklung sich ja nahezu immer in Gruppen vollziehen. Wir werden später darauf eingehen, dass sich auch beim E-Learning, insbesondere im Web 2.0, Gruppendynamiken herausbilden, die der hier im Mittelpunkt stehenden Schrittfolge zu parallelisieren sind.
Unabhängig von den im einzelnen verwendeten Methoden und Techniken - die je nach Stand der aktuellen psychologischen, soziologischen und philosophischen Erkenntnisse, nach der in konkreten Aufgaben gegebenen Zweckmäßigkeiten und nach persönlichen Präferenzen variieren - lassen sich bereits aus einer sehr allgemeinen Sicht auf sachliche Voraussetzungen, Selbstkonzepte, individuelle Werte und Wertveränderungen grundlegende Phasen bestimmen, die in gruppendynamischen Prozessen durchgehend wirksam werden. Die grundlegende Phasenabfolge umfasst Einzelphasen, die für jede Gruppensituation sinngemäß gelten.
Es ist kein Zufall, dass Kurt Lewin, einer der Väter der modernen Motivationspsychologie und gleichzeitig der modernen Willenspsychologie als Begründer der Gruppendynamik gilt. Ihn interessierte, wie emotionale Wertungen, wissensmäßig untermauert und willensmäßig umgesetzt, zu echten Beweggründen, zu Motiven des Menschen werden. Dies untersuchte er zuerst an einzelnen Individuen, dann, nach seiner Emigration in die USA, an und in Gruppen. Deren Dynamik ist getragen von den Werten und Bewertungen der Gruppenmitglieder untereinander, der Situation, der zu erreichenden Ziele sowie von ihren Selbstbewertungen. Insofern war die Interiorisation und Umwertung von Werten von Anfang an ein zentrales Moment seiner Arbeit.
Mit der Entwicklung der so genannten Encountergruppen (Begegnungsgruppen) und der Beschreibung ihrer Dynamik hat Carl Rogers, fußend auf einer tief humanistischen psychologischen Grundanschauung, einen Grundstein für jegliches Stärkenmanagement gelegt. Die Lösung von Gruppenspannungen, die Austragung von Konflikten der Gruppenmitglieder galten ihm als Möglichkeit zur Persönlichkeits- und Freiheitserweiterung jedes einzelnen. Hier knüpft der Gedanke eines dezidierten Stärkenmanagements [2] später an.
Rogers fasste die Phasen des Gruppenprozessen in Stufen zusammen, die bis heute, zuweilen anders systematisiert und benannt, als Modell dienen (Abb. 10).
Abb. 9 Phasen des Gruppenprozesses
Grundlegend untersuchte Roy Lacoursiere die unterschiedlichen Theorien der Entwicklungsphasen (Stufen) von Gruppen durch Vergleich unterschiedlicher, erfolgreicher Theorienansätze der Gruppendynamik, des „Life Cycle of Groups“. Er kommt auf folgende fünf fundamentale Phasen, denen sich alle anderen Phasen subsummieren lassen:
Abb. 10 Entwicklungsphasen nach Roy Lacoursiere
Diese Phasen lösen sich nicht scharf ab, sondern überlappen sich; das Benannte bildet jedoch das Schwergewicht der jeweiligen Phase. Besonders wertvoll ist die Arbeit, weil sie nachweist, dass diese Phasen in allen auf echter Zusammenarbeit beruhenden Gruppen, nämlich Trainingsgruppen (Training Groups), Problemlösungsgruppen (Problem Solving Groups), Therapiegruppen (Therapy Groups), Begegnungsgruppen (Encounter Groups) und Realgruppen (Naturalistic Groups) auftreten. [3]
Wir folgen dieser generalisierten Einteilung und setzen sie mit einer anderen in Bezug, die besonders klar auf die Inhalte, den Interaktionsstil und die Gruppenstruktur der jeweiligen Phasen eingeht, was in Bezug auf Kompetenzlernen und Kompetenzentwicklung besonders interessant ist.
(α) Orientierungsphase 1 Die Teilnehmer zeigen in dieser Kennenlernphase noch große Hemmungen, Einblicke in ihre Gefühlswelt und Interaktionsmuster zu geben. Ihre Persönlichkeitsstruktur und ihre Sichtweise der Dinge soll und darf nicht in Frage gestellt werden. Konflikte werden in dieser Phase kaum wahrgenommen. Inhaltlich wird die Gedanken- und Gefühlslage der Teilnehmer reflektiert und individuell erfasst, eine Rückbesinnung auf bisherige Probleme und biografische Momente findet statt. Der Interaktionsstil ist reaktiv, auf Fragen des Leiters oder der Leiter antwortend. Es gibt noch keine Gruppenstruktur, sondern nur die Zweierbeziehungen zwischen Leiter und Teilnehmer.
(β) Orientierungsphase 2 Es werden in dieser Anwärmphase womöglich aufgetretene und wahrgenommene Konflikte von den Teilnehmern nicht beachtet, sondern schnellstmöglich beiseite gelegt. Die Teilnehmer fühlen sich noch nicht in der Lage, Verantwortung dafür zu übernehmen. Sie werden darauf hingelenkt, ihre Wahrnehmungen zu reflektieren, sie als wertend zu erleben. Die Leiter gewinnen durch Kurz - Checks Informationen über objektive und subjektive Probleme und Widersprüche im Unternehmen aus Sicht der Teilnehmer und der Trainingsgruppe, sowie Informationen über deren emotional – motivationalen Status. Thematisch geht es um die Organisation und die Zusammensetzung der Gruppe, den Ablauf künftiger Zusammenkünfte. Bei betrieblichen Trainings, vor allem in der Arbeitsumwelt, sind Sichten auf Unzulänglichkeiten, Probleme, Konflikte im Arbeitsprozess und in zwischenmenschlichen Beziehungen gefragt. Der Interaktionsstil ist fragend – antwortend, reaktiv und konventionell. Die Struktur ist durch ein Nebeneinander der Gruppenmitglieder ohne Binnengliederung und folgerichtig durch einen Starken Leiterbezug gekennzeichnet.
(ζ) Unzufriedenheitsphase Die Gruppenmitglieder zeigen in dieser manifest werdenden Abhängigkeitsphase bereits ihre durch den Konflikt hervorgerufene Unzufriedensheitsgefühle. Die Akzeptanz hierfür liegt aber noch nicht vor. Den, als „negativ“ beschriebenen Emotionen, soll keine weitere Beachtung geschenkt werden. Stattdessen können, wo gegeben, einige der vielfältige Methoden von Persönlichkeitsinventaren, Einstellungsmessungen, analytischen Fragetechniken u.a. in den Gruppenprozess eingespeist werden. Gespräche über Einschätzungen von Selbstzuschreibungen und deren Darstellungen verdeutlichen den Teilnehmern ihre emotionale Lage. Thematisch geht es um die Unsicherheiten und Beängstigungen, die durch das Fehlen einer festen Struktur hervorgerufen werden, und die zunächst passiv verarbeitet werden durch Ausweichen auf Themen allgemeinen Interesses oder durch Besprechen allgemeiner Gruppenprobleme oder ganz vereinzelter individueller Probleme. Der Interaktionsstil ist konventionell – abwartend, von Ratlosigkeit und Unsicherheit geprägt, der Leiter steht unangefochten im Mittelpunkt. Strukturell zeigen sich stark wechselnde Gruppierungen, einseitig auf den Leiter oder eine Ersatzfigur konzentriert.
(δ) Lösungsphase 1 Die Unbeweglichkeit der Persönlichkeitsstruktur beginnt in dieser Aufschmelzphase leicht aufzuweichen. Vorhandene Gefühle werden allmählich als existent akzeptiert. Inhaltlich beginnen die Teilnehmer zu akzeptieren, dass Missstimmungen aus der Gruppe selbst hervorgehen und dass von den Leitern keine aktive Hilfe zu erwarten ist. Die Gruppe beginnt, sich auf sich selbst zu konzentrieren. СКАЧАТЬ