Название: Für ein Leben unter den Flügeln der Seele - Die heillose Kultur - Band 1
Автор: Dr. Phil. Monika Eichenauer
Издательство: Bookwire
Жанр: Зарубежная психология
isbn: 9783844217711
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Haarfeine, individuelle Einzelheiten, die Lebenszusammenhänge und deren psychische Reaktion auf Angriffe der Seele spiegeln, mit denen ich tagtäglich rund um die Uhr durch meine Arbeit mit Menschen beschäftigt bin, lehrte mich die Wiederholung und die Gleichheit von Auslösern für Probleme, Leid, seelische Nöte, Existenzangst und die krankmachende Wirkung verleugneter Gefühle, die Dynamik des Einzelschicksals zu einem Beispiel in einer Vielheit von Menschen in der Gegenwart werden lassen.
Gründe und Auslöser für seelische Symptome sind differenziert in der Psychopathologielehre der International Classification of Diseases (ICD), der praktischen und alltäglichen Arbeitsgrundlage aller der WHO angehörenden Mitgliederstaaten, dargelegt. Auffällig wurde für mich in meiner praktischen Arbeit – neben den üblichen Themen, die sich aus dem massiven Leid durch Trennungen und Beziehungsprobleme und allem, was sich für Kinder daraus ergibt – ab ca. 1994 die Häufung von Menschen mit Diskriminierungen am Arbeitplatz, die völlig unterschiedliche Symptome in Menschen hervorbrachten: Ohrgeräusche, Magen-Darmprobleme, Schilddrüsenerkrankungen, Schlafstörungen, Angst- und Panikattacken, Herzrhythmusstörungen und gehäuft Rückenprobleme aller Art, Migräne- und Kopfschmerzen und alle Symptome, die ich jetzt hier nicht aufzähle und wo mit alleiniger medizinischer Behandlung hartnäckigen Symptomen nicht erfolgreich beizukommen war und ist. Es wurde von Vorgesetztenverhalten berichtet, von Änderungen in Firmenstrukturen, von Arbeitszeitkürzungen, Einkommenskürzungen, den Sorgen, wie die laufenden Kosten beglichen werden soll(t)en, Verhalten von Sachbearbeitern auf Ämtern, Verfahrensvorschriften zum Ausfüllen von Formularen, Irrwegen in Krankenkassenangelegenheiten und welche Kasse welche Kosten übernimmt, Schulversagen von Kindern und so weiter und so fort.
Erst dachte ich, es handele sich um Einzelfälle. Da ich aber eine große Praxis leitete, hörte ich diese Gründe, Beschwerden, Klagen und Symptome auch von meinen in der Praxis tätigen Kollegen. Vereinzelt sprach man deshalb von Mobbing und Stresserkrankungen und Burnout-Syndromen. Kinder und Jugendliche berichteten aus Schulen und von dem Verhalten von Schülern und Lehrern, das ähnliche Symptome wie bei Erwachsenen in ihnen hervorrief. Inzwischen wird mit Begriffen, die Diagnosen sind, wie Mobbing, Panikattacken, Burnout, Trauma und Traumatisierung mit größter Selbstverständlichkeit quer durch die Gesellschaft begrifflich hantiert, als gehörten sie wie selbstverständlich zum Leben. Parallel hierzu wurde von Verhaltensmustern seitens Firmen, Verkäufern und Anbietern von irgendwelchen Leistungen und Verträgen einerseits ebenso berichtet, wie andererseits von Struktur- und Projektleitern und Geschäftsführern großer Firmen, die sich nicht mehr mit dem Vorgehen der Firmenleitung oder Firmenideologie identifizieren konnten und davon sprachen, dem steigenden Druck nicht mehr gewachsen zu sein, potenzielle Kunden mehr oder weniger bewusst in die Irre führen zu müssen, um selbst leben zu können, indem sie Verträge unterzeichnet bekamen, die den eigenen wie den Firmenumsatz erhöhten, und damit die Provision sichergestellt wurde. Den Mut, die Arbeitsstelle an den Nagel zu hängen, hatten sie oftmals nicht, weil keine berufliche Alternative in Sicht war. Im Gegenzug hatten Firmenleitungen in den letzten zehn Jahren kein Problem damit, tausende von Menschen aus ihren Arbeitsverhältnissen hinaus in die Arbeitslosigkeit oder in mindere und einkommensschwache Jobs hinein zuführen, wenn man sie nicht sofort in die generelle Arbeitslosigkeit schickte. Ähnliches gilt strukturell bei staatlichen und städtischen Ämtern, wenn Buß- und Verwarnungsgelder geschrieben werden müssen, um Kassen zu füllen. Rankinglisten werden geführt, um den Druck zu erhöhen, die gewünschten Einkünfte zu erzielen. Firmenmitarbeiter hatten an Coachings, Seminaren zur Optimierung von Persönlichkeit und Verkaufsverhalten und nicht selten NLP-Seminaren teilzunehmen, in denen sie lernten, mit Kundschaft gewinnbringend Personen bezogen umzugehen, also Gewinn bringende Kommunikation zu pflegen, um die Geschäftsinteressen zu wahren und Profit zu erhöhen. Einer von ihnen, ein ehemaliger Bankdirektor, bekam einen Schlaganfall und alles, was zu seinem Leben gehörte, drohte zusammenzubrechen: Arbeit, Familie, Beziehung und Gesundheit. Wir haben mit Erfolg daran gearbeitet. Er fährt wieder sein geliebtes Motorrad in der Saison, hat eine reizende neue Frau, die ursprüngliche eheliche Beziehung ist sauber geklärt und insgesamt erfreut er sich eines neuen Lebens. Aber oftmals geht es nicht so gut aus. Er kam rechtzeitig genug. Diese Arbeit ist ca. 12 Jahre her. Damals, und noch mehr und nicht mehr übersehbar heute, spielt der finanzielle Hintergrund eine maßgebliche Rolle, ob Menschen sich von wirtschaftlichen Veränderungen wieder finanziell und gesundheitlich, sprich psychisch und physisch, erholen oder nicht. Seit ca. 5 Jahren ist es äußerst schwierig geworden, Menschen, die in existenziell bedrohliche Situationen durch die Wirtschaft geraten sind, wieder auf die Beine zu stellen. Inzwischen ist umgekehrt generell zu fragen, wer hat keine finanziellen und existenziellen Probleme?
Eine Studie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz (BAuA) in Dorstfeld (Dortmund) lässt verlautbaren, Dauerstress im Job kann psychisch krank machen, sprich, Depressionen nach sich ziehen. Dabei ergibt sich der funktionelle Zusammenhang über die Höhe der Arbeitsbelastung: „Je höher die Arbeitsbelastung, umso eher erkranken beschäftigte an der Seele.“ (Ruhr Nachrichten: „Dauerstress bei der Arbeit macht depressiv.“ 16.7. 2010) Untersucht wurden in dieser Studie 517 Beschäftigte von Banken und Versicherungen, Gesundheitswesen und Öffentlichen Dienst. Beurteilt wurde dieses Mal mittels objektiver arbeitswissenschaftlicher Kriterien, und nicht die Aussagen der Betroffenen. „Psychische Probleme und vor allem Depressionen führen laut anderer Studien immer häufiger zu Krankschreibungen. Wie berichtet, waren nach dem jüngsten DAK-Gesundheitsreport im letzten Jahr fast 17 Prozent mehr psychische Erkrankungen als 2008 die Folge des zunehmenden wirtschaftlichen Drucks.“ (Ebda.) Neben dem Offenbaren dieses funktionellen Zusammenhanges der untersuchten Variablen, ist doch eines schmunzelnd zu erfragen: Wie sieht es denn dann in den Etagen der Manager aus, die ja nicht zuletzt so extrem gut honoriert werden aufgrund des unterstellten Gefüges von Fachwissen und Arbeitsbelastung, sprich Stress... oder bei Ministern, die ja ständig unterwegs sind und sich gleichfalls ständig öffentlich äußern und regieren müssen... Nun gut, ich denke, es gehören weitere Merkmale zu einer depressiven Erkrankung, die als Variablen für Untersuchungen zugrunde gelegt werden müssen – dennoch ist das obige Untersuchungsergebnis bedenklich... Denn, so teilt Thorsten Schenk, ein Experte für berufliche Rehabilitation, mit, sprechen Studien „von ca. 8 Millionen Deutschen mit behandlungsbedürftigen psychischen Störungen“ und „mittlerweile gehörten diese zu der vierthäufigsten Ursache für Arbeitsunfähigkeitbescheinigungen.“ Und weiter: „Die meisten Rehabilitanden haben inzwischen eine psychische Erkrankung, die allerdings häufig erst durch eine weitere gesundheitliche Einschränkung ausgelöst wird. Die psychische Erkrankung ist dann das vorrangige Hemmnis bei der Integration in Arbeit.“ (Quelle: .zweite-chance.info 210/2, S. 5)
Wenn man als Mensch jeden Tag zwischen 7 bis 10 und manchmal mehr Stunden mit dem Schicksal von Menschen in klinischer Praxis so nah und intim mit Psyche, Seele, Körper und Leben von Menschen beschäftigt ist, wie es für Psychologische Psychotherapeuten üblich ist, dann fällt es nicht nur schwer über die gesellschaftlichen und wirtschaftspolitischen Hintergründe und Einflüsse dieser Entwicklungen hinwegzusehen. Sondern es scheint zur kulturellen Verpflichtung wie Aufforderung zu werden, über die übliche Krankheitslehre und Berufsidentität hinaus die Bedingungen, die zu solchen Symptomen, wie sie einschlägig als krankmachend beschrieben werden, als Phänomene für Ursachen zu benennen und Einfluss bezüglich einer menschenwürdigen Änderung durch deren Benennung zu werden. Wird dies nicht getan, wird denjenigen Menschen zum Symptom und Leid auch noch die Verursachung gesellschaftlich zugeschoben. Dies käme einem Verhalten gleich, wie es ohnehin quer durch die Gesellschaft hinsichtlich der Schuld- und Ursachenverschiebung Gang und Gäbe ist. Damit wären Menschen und Menschsein völlig dem ausgeliefert, was Kern und primäre Intention – und jetzt kommt es – des Kapitalismus ist: Funktion ausführen, Geld machen. Zum Geldmachen wird einfach alles benutzt und in erster Linie der Mensch – so, wie der Mensch sich selbst dann für das Geldmachen selbst benutzt und eben nicht mehr den Abstand oder die Freiheit hat, zu sagen: So nicht! Aber meistens geht es nicht anders als СКАЧАТЬ