Marx und Nietzsche mischen sich ein - Die heillose Kultur - Band 1.1. Dr. Phil. Monika Eichenauer
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Marx und Nietzsche mischen sich ein - Die heillose Kultur - Band 1.1 - Dr. Phil. Monika Eichenauer страница 18

СКАЧАТЬ arbeiten lässt.

      Aus der Gestalttherapie ist der Gedanke, wenn man einen Teil verändert, verändert sich das Ganze, hier zutreffend, wie ich mich im vorliegenden Buch bemühe, darzulegen: Kapitalismus verändert „das Ganze“ durch Zerstörung dessen, was da ist, vorhanden ist, gerade produziert und/oder lebendig ist. Opferung ist eine Folge von Abhängigkeit.

      Jetzt ist es der ganze Mensch – der bereits durch ökonomische Prozesse in sich zerstückelt ist – der gesetzlich festgelegt in Reformen und ökonomisierten Abrechnungsziffern der Gesundheitswirtschaft, nochmals seiner Ganzheit, Achtung und Würde beraubt wird – auch wenn diese Entwicklung bereits vor Jahrzehnten einsetzte, war es dennoch bisher nicht so, dass Wettbewerbsstrukturen im Gesundheitswesen in der Art, wie sie jetzt ersonnen und eingesetzt werden, existiert hätten. Auch hier gäbe es einen Gedanken aus der Gestalttherapie, der da heißt: Das Ganze ist mehr als seine Teile. Dieser Grundsatz, bezogen auf den Menschen, zielt auf die Seele. Die Seele ist das letzte, worauf Menschen zurückgreifen können, wenn sie sich in Notlagen befinden. Sie gilt es zu schützen. Diese Freiheit sollte jeder Mensche haben – aber selbst diese Freiheit ist äußerst schwierig zu verwirklichen. Weil Menschen bereits im Kern, in ihrer Seele, getroffen sind. So weit zur Freiheit oder besser Unfreiheit, von dem das vorliegende Buch gleichfalls generell handelt.

      Noch einmal zurück zu dem von Christoph Keese zitierten Beispiel aus dem Erleben Sen’s, das geradezu als Beleg für das Gegenteil zu verstehen ist: Der Mann ging zur Arbeit, weil er das Geld zum Leben, für seine Existenz brauchte – und nicht, weil er die Freiheit zur Wahl hatte, wie er den Tag verbringen möchte! (Das ist im Übrigen in Deutschland nicht anders, als in Indien.) Denn das Gegenteil von Unabhängigkeit ist Abhängigkeit. Unabhängigkeit geht nämlich nicht unmittelbar mit ökonomischer Freiheit einher. Die Demokratie in Deutschland zeigt: Noch sind die Bürger durchaus als „frei“ zu bezeichnen, aber sie sind abhängig von der Erwirtschaftung ihrer existenziellen Grundlagen und von den politischen Entscheidungen im Sinne der Wirtschaft in der Demokratie. Bürger werden an zig Stellen gezwungen, sich selbst offen zu legen, alles zu zeigen und mitzuteilen, was sie haben und was sie nicht haben, damit auch noch ein vermeintlicher Rest, der bisher nicht „offiziell“ benannt und mitgeteilt war, entweder dazu dienen kann, Profit zu machen (Zusatz-Versicherungen bei den Krankenkassen) und/oder Steuern einzuziehen. Darüber hinaus werden Bürger durchleuchtet und abgehört (Anti-Terror-Gesetze).

      Auch insofern benennt Sen die Zusammenhänge genau, wenn man einen kurzen Blick in das Buch wirft, was hier nun aber nicht ausgeweitet und zitiert werden soll. Sen scheint bewusster zu sein, was Kapitalismus ist, als Christoph Keese, der im Spätkapitalismus lebt. Aber das ist kein Wunder: Es entspricht dem Spruch, den Wald vor lauter Bäumen nicht zu sehen. Der Kern des Kapitalismus ist durch Spaltung in Besitzende und Besitzlose zu beschreiben – dieses Verhältnis der Spaltung nistet sich mit weit reichenden Konsequenzen in die menschliche Psyche ein und entfremdet den Menschen von sich selbst wie von anderen Menschen, wie Marx es in seinen Analysen darlegte. In anderen Worten: Die Notwendigkeit des Verkaufs der Arbeitskraft wird gefolgt von tief greifenden Entfremdungsprozessen. Derjenige, der Geld besitzt, kann sich Freiheiten kaufen, besitzt diese Freiheit, besitzt diese Unabhängigkeit in Form von Geld. Aber selbst er, der Kapitalist, ist nicht wirklich frei. Noch weniger frei im umfassenden Sinne sind Arbeiter, Angestellte oder kurz Besitzlose.

      Der Unterschied liegt im Ausmaß der bestehenden Abhängigkeit! Dennoch ist der Preis für beide hoch: Der Geldbesitzer hat seine Seele bereits verkauft, und der abhängig Arbeitende soll sie immer weiter verkaufen (müssen), indem er den gleichen Prinzipien frönt – obgleich er keine wirkliche Wahl hat, sie abzulehnen. Auf glamourösen Spendenpartys bemüht sich der seelenlose Geldbesitzer, gesellschaftlich eine gute Figur zu machen und so zu bezeugen, dass auch er eine Seele hat.

      An dieser Stelle sollte endlich Karl Marx zu Wort kommen, um die Keese’sche Interpretation von Freiheit gerade zu rücken:

      „Das Reich der Freiheit beginnt in der Tat erst da, wo das Arbeiten, das durch Not und äußere Zweckmäßigkeit bestimmt ist, aufhört, es liegt also in der Natur der Sache nach jenseits der Sphäre der eigentlichen materiellen Produktion. Wie der Wilde mit der Natur ringen muß, um seine Bedürfnisse zu befriedigen, um sein Leben zu erhalten und zu reproduzieren, so muß es der Zivilisierte, und er muß es in allen Gesellschaftsformen und unter allen möglichen Produktionsweisen.“ (Marx, Karl, 1959, S. 873)

      Marx zeigt die Gründe auf, weshalb das Individuum nicht frei ist. Er bezeichnet dies als Entfremdung und in der Konsequenz aus dem Privateigentum resultierend:

      „Der einzige Zusammenhang, in dem sie [die Arbeiter] noch mit den Produktivkräften und mit ihrer eigenen Existenz stehen, die Arbeit, hat bei ihnen allen Schein der Selbstbestätigung verloren und erhält ihr Leben nur, indem sie es verkümmert.“ (MEW, I.5., 1972, S. 5)

      Diese Marx’sche Aussage besitzt in unserer gesellschaftlichen Gegenwart eine nie geahnte Aktualität und Brisanz durch die Zweiklassengesellschaft und die für sie notwendig einzuführenden Armuts- und Verarmungsprogramme. Wie ausgeführt, führt der Kapitalismus der Gegenwart nicht mehr ins Reich der Freiheit, die, wie Marx schreibt, jenseits des notwendig zu erarbeitenden liegt, sondern geradezu in die Unfreiheit, in die Armut hinein!

      Während früher galt: Je mehr Arbeiter und Angestellte ein Produktionszweig hat, desto mehr kann produziert werden, desto größer wird der Mehrwert und – nach Abzug aller Kosten – der Gewinn des Unternehmers. Heute hingegen wird der Gewinn größer, je weniger Arbeiter und Angestellte notwendig und desto billiger sie sind. Sind weitere Entlassungen nicht möglich, wird als nächstes über die Verlagerung der Standorte in so genannte Billigländer nachgedacht. Stich- und Codewort: Globalisierung. Damit verrät die Wirtschaft die eigene Kultur, das eigene Land. Der Staat, also die sinkende Zahl der heimischen Steuerzahler, also wir, müssen die abgewanderten Steuergelder und die für die Armen und Verarmten notwendigen Unterhaltszahlen mittels Steuern leisten und ausgleichen.

      Konsequenterweise mutiert nun der Staat selbst zum Unternehmer. Sein Plan ist, einen kompletten, bislang selbstständig tätigen Berufszweig, den Ärzte- und Psychotherapeutenstand, ebenfalls in die demokratisch-kapitalistische Politik der Abhängigkeiten einzupflegen: Allerdings nicht, damit Kranke gesünder werden und Gesunde gesund bleiben, sondern um – als guter Unternehmer – Gewinne gemeinsam mit der privaten Wirtschaft im Gesundheitsmarkt zu erwirtschaften. Ärzte/Psychotherapeuten und Patienten sind ebenso Mittel zum Zweck wie generell der Bürger im Kapitalismus. Alle sollen sie hinsichtlich ihrer Existenz, ob nun materiell oder gesundheitlich – vom Staat und der (Gesundheits-)Wirtschaft abhängig sein, werden und bleiben.

      Karl Marx definiert Arbeit generell „als Bildnerin von Gebrauchswerten“. Als nützliche Arbeit sei die Arbeit „eine von allen Gesellschaftsformen unabhängige Existenzbedingung des Menschen, ewige Naturnotwendigkeit, um den Stoffwechsel zwischen Mensch und Natur, also das menschliche Leben zu vermitteln“. (Karl Marx: MEW 23, S. 58; Block M.E.)

      Menschen werden also immer auf die eine oder andere Art arbeiten – je nach Technologiestand und moralisch-ethischer Haltung. Wird die Art und Weise der Produktion einfacher und werden nicht mehr so viele Menschen im Produktionsprozess gebraucht, folgt daraus, dass Menschen weniger Zeit im Reich der Notwendigkeit verbringen müssen:

      „Die Freiheit in diesem Gebiet“, so Karl Marx, „kann nur darin bestehen, dass der vergesellschaftete Mensch, die assoziierten Produzenten, diesen ihren Stoffwechsel mit der Natur rationell regeln, unter ihre gemeinschaftliche Kontrolle bringen, statt von ihm als von einer blinden Macht beherrscht zu werden; ihn mit dem geringsten Kraftaufwand und unter den, ihrer menschlichen Natur würdigsten und adäquatesten Bedingungen vollziehen. Aber es bleibt dies immer ein Reich der Notwendigkeit. Jenseits desselben beginnt die menschliche Kraftentwicklung, die sich СКАЧАТЬ