Marx und Nietzsche mischen sich ein - Die heillose Kultur - Band 1.1. Dr. Phil. Monika Eichenauer
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Marx und Nietzsche mischen sich ein - Die heillose Kultur - Band 1.1 - Dr. Phil. Monika Eichenauer страница 17

СКАЧАТЬ auf die Frage, „was sollen wir arbeiten?“ Aber selbst der 1-Euro-Jober besitzt nicht die Freiheit, zu entscheiden, ob Menschen tätig werden wollen oder nicht. Die Jobs werden eingesetzt, um zu prüfen, ob Arbeitsmotivation bei Menschen vorhanden ist. Wenn nicht, gibt es keine Angebote für weitergehende Arbeitsmaßnahmen. Diese Freiheit ist also auch zu streichen. Dann folgt die Freiheit, die eigene Kraft und Lebenszeit irgendwo, wo sie gebraucht wird, einzusetzen, weil Menschen Geld brauchen, um in diesem System leben zu können. Also müssen sie abwägen, auf welche Freiheit sie verzichten. Am Ende verzichten die so aus dem freien Markt Ausgekehrten auf jeglichen Job, weil die Stundenlöhne dermaßen gesunken sind, dass es sich in unserem Sozialsystem nicht lohnt, arbeiten zu gehen.{1} Wollen sich Hartz-IV-Empfänger dennoch Geld hinzuverdienen, um ihre Familien nicht völlig absacken zu lassen, wird ihnen das Hinzuverdiente angerechnet und abgezogen. Gehen sie schwarzarbeiten, bekommen sie moralisch die rote Karte. Was, so lässt sich fragen, können Menschen tun, um aus dieser Situation heraus zu arbeiten? Menschen werden gleich dem Vorbild von Oben (ob in der Realität oder in Filmen) immer trickreicher versuchen, Vorteile zu ihren Gunsten auszuspähen. Sie fangen nicht selten in mies bezahlten oder durch Verkaufserfolg definierten Jobs an, andere Menschen über den Tisch zu ziehen und verzichten ihrerseits auf Moral und Ethik. Warum auch nicht – so tief wie sie im Leben bereits gefallen sind, lassen sich auch noch Reste von Anstand und Würde ruckzug ausmerzen. Hauptsache, auch bei ihnen, ebenso wie Oben, stimmt die Kasse, wenn auch in völlig anderen Dimensionen. Vorbilder von Menschen in führenden Positionen gibt es für diesen Verfall genügend. Zusätzlich gibt es noch genügend Menschen, die noch nicht mit allen Wassern gewaschen wurden und die kann man sich ja mal für gewisse Geschäftsabschlüsse zur Brust nehmen. Wen juckt in solchen Existenzkämpfen schon Moral und Ethik, wenn es um das tägliche Leben geht? In Kairo sind bereits acht Menschen beim Kampf um das tägliche, durch den Staat subventionierte Brot ums Leben gekommen. Existenzielle Not bringt zum Vorschein, womit man sich nicht gern beschäftigen möchte. Bei hungrigen und armen Menschen kommt Gleichgültigkeit, lieber das eigene Leben (Manager das fremde Leben) einzusetzen und möglicherweise in Kämpfen zu sterben, aber erst an dem Punkt zum Vorschein, wo sie drohen, zu verhungern: Jahre später, 2011 im Februar, ist das alte System gestürzt. Bei Managern ist dieser Grad an Gleichgültigkeit und moralisch-ethischer Verfehlung Menschen gegenüber Voraussetzung, um einen solchen Posten überhaupt zu bekommen. Sie gehen mit ihrem Blick und ihrer Haltung ebenso an Menschen vorbei, wie hungrige Menschen, die Brot sehen und haben wollen, ohne zu schauen, wer sonst noch links und rechts steht und das gleiche will, wie sie selbst.

      Trotz oder besser wegen der vielen „Gutschreibungen“ von Kapitalismus und Kapitalisten, Geldbesitzern und ihren freiwilligen, selbst gezimmerten Lobbyisten – werfen Sie doch mal einen Blick in die Promiwelt – sei hier nochmals klargestellt: Der Kern des Kapitalismus ist nicht Freiheit, sondern Profit und bedeutet für besitzlose Menschen lebenslange existenzielle Abhängigkeit. Insofern ist nicht zu philosophieren, was Kapitalismus ist: er ist ablesbar in Stadtvierteln, an Menschen und an ihren medizinischen Werten und dem, was sie an Bildung bekommen und was sie seelisch zu erleben haben und psychisch abzuwehren. Denn Geld in den Händen von Kapitalisten schafft kapitalistische Voraussetzungen, um kapitalistische Freiheiten zu bekommen und zu erhalten – unter dieser Voraussetzung kann man sich Freiheiten gönnen und sich politische Freiheiten einer öffentlichen Meinung einräumen – ohne direkt Angst haben zu müssen, man könnte reglementiert werden. Weder beinhaltet der Kern des Kapitalismus allgemein und für alle Menschen Freiheit, noch kann Freiheit als futuristisches Emblem für eine hehre Zukunft, in der alle Menschen Freiheit genießen, dem Kapitalismus aufgedrückt werden. Niemand ist frei im Kapitalismus. Freiheit hieße, Menschen könnten unter Berücksichtigung und im Sinne ihres menschlichen Wesens leben, ihre Fähigkeit erschöpfend, und dabei gesund bleibend, ausbilden. Kommunikation stünde im Dienst des Selbsterhaltes und nicht im Dienste fremder Interessen. Es würde zu weit führen, den Keese’schen Gedanken philosophisch auszuleuchten und in sozialpolitisch aussagekräftige Rahmen zu setzen. Christoph Keese bezeichnet mit „Freiheit“, was vielmehr mit Unabhängigkeit, also dem von Sen verwendeten Begriff für diesen wirtschaftlichen Umstand, zu bezeichnen ist. Sen differenziert politische Systeme und Wirtschaftssysteme im Sinne von Entwicklungsmöglichkeiten, größere Freiheiten für viele Menschen in einem Land zu verwirklichen – Menschen werden in der Folge in unterschiedlichem Ausmaß Freiheiten für sich verwirklichen oder nicht. Sen spricht in diesem Zusammenhang von „Verwirklichungschancen“ (capabilities). Als politisches System hebt er die Demokratie hervor, da sie die größten Verwirklichungschancen seiner Meinung nach bieten. Aber er differenziert: „Demokratie ist kein automatisch wirkendes Heilmittel, wie Chinin das angezeigte Medikament bei Malaria ist. Die von ihr gebotenen Chancen müssen ergriffen werden, um die gewünschte Wirkung hervorzubringen. Selbstverständlich gilt das für alle Grundrechte, vieles hängt davon ab, wie sie wahrgenommen werden.“ Ohne nun den Sen’schen Standpunkt weiter auszubreiten, sei dennoch gesagt, dass Herr Sen den freien Zugang zum Markt, um Arbeitskraft anzubieten und „Waren“ (seien es Geschenke oder Arbeitskraft) auszutauschen, als eine Voraussetzung zur Entwicklung von mehr Freiheit versteht – er kämpft gegen feudalistische Strukturen, die diesen freien und selbstverständlichen Zugang verhindern. In der Demokratie sieht Sen größere Entwicklungen für Freiheit, aufgrund der Ausweitung von Entwicklungschancen. Armut bietet keine, oder nur geringe, Verwirklichungschancen und fördert Ungleichheit. Auch die unterschiedlichen Modelle von Mikrokrediten bieten nicht die Chancen auf Freiheit und Unabhängigkeit, wie anfänglich geglaubt. Im Januar 2011 wurde über die Medien mitgeteilt, dass Menschen sich umbrachten, weil sie keine Möglichkeiten sahen, die Rückzahlung der Kredite zu bewerkstelligen.

      Soweit Sen 200 Jahre an Erfahrung hinter der kapitalistischen Entwicklung in Europa hinsichtlich der gesellschaftspolitischen Entwicklung zurückliegt – sage ich mit allem mir zur Verfügung stehendem fachlichem Nichtwissen, aber mit Gefühlswissen – ergeben sich in der Reflexion des Entwicklungskonzeptes Sen’s für arme Länder und des heutigen Spätkapitalismus in Form der Globalisierung Parallelen:

      Armut – Ungleichheit – Unfreiheit.

      Damit ergeben sich auf dem Strang der Existenz betrachtet, gleiche Inhalte für die Menschen in Deutschland/Europa wie in Indien oder China. Armut wird zum politisch lukrativen Wirtschaftsfaktor und Machtmittel.

      Hier schließt sich dann der Kreis aller humanistischen und politischen Bemühungen, Menschen sich entwickeln zu lassen, Freiheiten zu geben, mehr Unabhängigkeit einzuräumen – diese Freiheiten können auch schnell wieder genommen werden, wie wir in Deutschland erleben: Auch wenn im Grundgesetz das Recht auf Arbeit festgeschrieben ist. Wenn die Basis der Wirtschaft und damit die Existenz eines Landes auf Ungleichheit aufgebaut sind – und Ungleichheit bildet durch Besitzende und Besitzlose die Voraussetzung im Kapitalismus – werden diejenigen, die Macht in Händen haben, auch die Armut als Quelle für Profit nutzen. Armut ist für die Wirtschaft schon seit langem als Profitfaktor einkalkuliert, um nicht zu sagen: Sie kennzeichnet den Beginn, die Wurzel des Kapitalismus. Damit wäre der Kapitalismus wieder an seinen Anfang zurückgekehrt und kann nun aber nicht mehr aussteigen, sondern nur noch absteigen: Denn er kann die Ausgangsbedingung der Ungleichheit der Besitz- und Kapitalverhältnisse weiterhin nicht mehr steigern, und muss, um dennoch Gewinnzuwachs verzeichnen zu können, Menschen in dieser Spirale in die existenzielle Tiefe führen. Die Höhe ist ab- und ausgeschöpft. Die Besitzverhältnisse werden durch den Kapitalismus konserviert – der Kapitalismus hat kein Interesse an existenziellem Wohlergehen und Freiheit der Einzelnen und Vielen: Damit würde letztendlich das kapitalistische System bedroht. (Natürlich gibt es in diesem Bereich Schamprozesse, die entsprechend ihrer Natur zu verheimlichen sind und demgemäß verformt in ihrer Erscheinung im öffentlichen Leben mittels Verkehrung auf Menschen einwirken: immerhin leben in der Bundesrepublik Deutschland 82 Millionen Menschen! Insofern ist einmal mehr dokumentiert, wie mächtig Psychologie, Geist und Ideologie sind.) Denn Erhalt dessen, was an Produkten bereits bei den Menschen, die sie kauften, also da sind, interessiert den Kapitalismus nicht: Er will ständig das gerade Geborene, Produzierte und Verkaufte wieder zerstören, um Neues auf den Markt zu bringen. Erhalt dessen, was da ist, ist langweilig, СКАЧАТЬ