Der Traum: mehrbuch-Weltliteratur. Herbert George Wells
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Название: Der Traum: mehrbuch-Weltliteratur

Автор: Herbert George Wells

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783753199054

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СКАЧАТЬ sah die französische Küste besonders deutlich an jenem Tage.

      ›Manchmal sieht man Frankreich und manchmal sieht man es nicht‹, sagte mein Vater. ›Daraus kann man auch etwas lernen, mein Junge, wenn man nur will.‹

      Mein Vater hatte die Gewohnheit, jeden Sonntag, im Sommer wie im Winter, nach dem Tee über die Downs nach Chessing Hanger zu marschieren, einem Ort, der neun oder zehn Kilometer entfernt war. Er besuchte dort Onkel John, Onkel John Julip, den Bruder meiner Mutter, der bei Lord Bramble of Chessing Hanger Park Gärtner war. Ich wußte das schon als kleines Kind, aber erst später, als Vater mich mitzunehmen begann, wurde mir klar, daß weder schwägerliche Zuneigung den Hauptanlaß zu diesen Ausflügen bildete, noch das Bedürfnis nach Bewegung im Freien, wie es ein Mann, der die ganze Woche in seinem Laden verbringt, wohl haben mochte. Das Wesentliche an diesen Expeditionen waren die Bündel, mit denen beladen wir nach Cherry Gardens zurückkehrten. Wir aßen jedesmal Abendbrot in dem gemütlichen kleinen Gärtnerhäuschen, und wenn wir dann aufbrachen, bepackten wir uns stets mit einer nicht allzu auffälligen Menge von Blumen, Obst oder Gemüse, Sellerie, Erbsen, Pilzen und dergleichen mehr, und marschierten durch die Dämmerung, im Mondschein, durch völlige Dunkelheit oder im Regen, je nach der Jahreszeit und dem Wetter, nach unserem kleinen Laden zurück. Der Vater schwieg oder pfiff leise vor sich hin, manchmal verkürzte er den Weg durch einen Vortrag über die Wunder der Natur und die Güte der Vorsehung gegen den Menschen.

      Einmal, an einem mondhellen Abend, sprach er vom Mond. ›Schau ihn dir an, Harry,‹ sagte er – ›er ist eine tote Welt, wie ein Totenschädel hängt er da droben, seiner Seele beraubt, die sozusagen sein Fleisch war, und aller seiner Bäume, die man, wenn du mich recht verstehst, als seine Haupt- und Barthaare hätte bezeichnen können – kahl und tot für alle Zeit. Ein ausgetrockneter Knochen. Und alle, die da lebten, sind auch dahin, sind Staub und Asche.‹

      ›Wo sind sie denn hingekommen, Vater?‹ fragte ich.

      ›Sie sind gerichtet worden‹, erklärte er mit Wohlbehagen. ›Könige und Krämer, Harry, alle, alle sind gerichtet, und die Guten sind in die ewige Seligkeit, die Bösen zu ewigem Leiden eingegangen. Zu ewigem Leiden infolge ihrer Gottlosigkeit. Sie sind gewogen und zu leicht befunden worden.‹

      Lange Pause.

      ›Schade‹, sagte er.

      ›Wie, Vater?‹

      ›Schade, daß es vorbei ist. Es wär' hübsch, ihnen zuzuschauen, wenn sie da oben noch herumliefen. Gemütlich wär' es. Aber man darf an der Weisheit der Vorsehung nicht zweifeln. Am Ende würden wir immerfort hinaufgucken und dann stolpern ... Weißt du, Harry, wenn du was in der Welt anschaust und meinst, es ist verkehrt, dann mußt du eine Weile darüber nachdenken und du wirst finden, daß es viel weiser ist, als du zuerst geglaubt hast. Man kann die Vorsehung nicht immer ergründen, aber sie ist immer weise. Du, laß nicht die Birnen an dein Knie bammeln, mein Junge, das tut ihnen nicht gut.‹

      Auch über verschiedene merkwürdige Gepflogenheiten der Tiere, besonders der Zugvögel, sprach mein Vater gern.

      ›Du und ich, Harry, wir haben die Vernunft, die uns leitet. Die Tiere aber, Vögel, Würmer und alle, die haben den Instinkt. Sie spüren einfach, daß sie dieses oder jenes tun müssen, und tun es. Der Instinkt hält den Walfisch im Wasser und läßt den Vogel durch die Luft fliegen. Wir dagegen gehen dorthin, wo die Vernunft uns hinführt. Ein Tier kannst du nicht fragen, warum hast du das oder jenes getan, du mußt es hauen. Einen Menschen aber kannst du fragen, und er muß antworten, weil er eben ein vernünftiges Wesen ist. Und darum, Harry, haben wir Gefängnisse und andere Strafen und sind für unsere Sünden verantwortlich. Für jede Sünde, ob sie groß ist oder klein, müssen wir uns verantworten. Ein Tier jedoch ist nicht verantwortlich. Es ist unschuldig. Man haut es, oder man läßt es eben sein, wie es ist ...‹

      Er dachte eine Weile nach. ›Bei Hunden und manchen alten Katzen ist es anders‹, sagte er dann. ›Ich hab' einige sündige Katzen gekannt, Harry.‹

       Über die Wunder des Instinktes ließ er sich weitläufig aus.

      Er erklärte mir, wie Schwalben, Stare, Störche und andere Zugvögel durch den Instinkt Tausende von Meilen weit getrieben werden, und wie unterwegs viele von ihnen ertrinken oder sich an Leuchttürmen zu Tode stoßen. ›Wenn sie hier blieben, würden sie erfrieren oder verhungern‹, sagte er. Und jeder Vogel wisse instinktmäßig, welche Art von Nest er bauen müsse, niemand zeige es ihm. Das Känguruh werde vom Instinkt angewiesen, seine Jungen in seiner Beuteltasche mit sich herumzutragen, der Mensch hingegen mache sich als vernünftiges Geschöpf einen Kinderwagen. Die Küchlein liefen vom Instinkt geführt herum, sobald sie aus dem Ei gekrochen sind; wohingegen Menschenkinder getragen und versorgt werden müßten, bis ihnen die Vernunft kommt. Und es sei ein Glück für die Küchlein, daß sie gleich liefen, denn die Henne könne sie ja unmöglich herumtragen.

      Ich erinnere mich, daß ich den Vater in Verlegenheit setzte, indem ich fragte, warum der Instinkt die Zugvögel nicht davor behüte, sich an Leuchttürmen die Köpfe einzustoßen, oder die Motten daran hindere, in Gas- oder Kerzenflammen zu fliegen. Es war nämlich sehr unangenehm, an einem Sommerabend in dem Zimmer über dem Laden zu lesen, denn es fielen einem immer wieder halb verbrannte Schnaken und Nachtfalter auf das Buch. ›Wahrscheinlich soll ihnen eine Lehre gegeben werden‹, sagte Vater schließlich. ›Aber was für eine, weiß ich eigentlich nicht recht, Harry.‹

      Manchmal erklärte er mir an Beispielen, daß unrecht Gut nicht gedeihe. Oder er erzählte mir von Mordtaten – es geschahen damals noch ziemlich viele Morde auf der Welt – und wie sie immer entdeckt würden, so schlau der Mörder auch zu Werke gehe. Und immer wieder wies er mit bewunderndem Ernst auf die Güte, die Weisheit, die Umsicht und den Scharfsinn der Vorsehung hin.

      Mit solchen Gesprächen verkürzten wir unsere langen und mühseligen Märsche zwischen Cherry Gardens und Chessing Hanger. Aus den Worten meines Vaters klang dabei stets so viel Begeisterung, daß ich mir nur mit wahrem Entsetzen schließlich eingestand, was wir eigentlich jeden Sonntagabend taten: Wir stahlen oder empfingen gestohlenes Gut aus den Gärten des Lord Bramble. Ich wüßte wahrhaftig nicht, wie wir ohne diesen allwöchentlichen Beutezug uns hätten durchschlagen sollen. Die Familie lebte hauptsächlich von dem Anteil meines Vaters am Gewinn aus diesen Geschäften. Wenn die Waren für Cherry Gardens zu gut oder zu teuer waren, brachte er sie nach Cliffstone und verkaufte sie dort einem Freund, der ein feineres Geschäft hatte.«

      Sarnac machte eine Pause.

      »Fahr' fort«, sagte Beryll. »Wir beginnen deine Geschichte zu glauben. Sie klingt immer mehr so, als hättest du sie wirklich erlebt. Sie ist eine so eingehende Schilderung. Wer war dieser Lord Bramble? Seit langem möchte ich mehr über die ehemaligen Lords erfahren.«

      »Ihr müßt mich meine Geschichte auf meine Weise erzählen lassen«, sagte Sarnac. »Wenn ich auf eure Fragen eingehe, so verliere ich den Faden. Jeder von euch möchte hundert Fragen an mich stellen, über Dinge, die ich erwähnt habe, und Einzelheiten, die mir vertraut, euch aber unverständlich sind, weil unsere Welt sie vergessen hat. Wenn ich euch nachgebe, so werdet ihr mich immer weiter weglocken von meinem Vater und meinem Onkel Julip, und wir werden dann bei einem Gespräch über Sitten und Gebräuche und über Philosophie und historische Ereignisse enden. Ich aber will euch meine Geschichte erzählen.«

      »Fahr' fort mit deiner Geschichte«, sagte Heliane.

      »Dieser Onkel John Julip, der Bruder meiner Mutter, war ein zynischer und eigensinniger Mann. Er war recht klein und dicker, als Gärtner damals zu sein pflegten. Er hatte СКАЧАТЬ