Les Misérables / Die Elenden. Victor Hugo
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Читать онлайн книгу Les Misérables / Die Elenden - Victor Hugo страница 18

Название: Les Misérables / Die Elenden

Автор: Victor Hugo

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783754173206

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СКАЧАТЬ ein Wolf sein Leben für einen andern Wolf hingiebt. Halten wir uns doch an die Natur. Wir gehören zu den höheren Ständen, befleißigen wir uns also einer höhern Philosophie. Wozu steht man oben, wenn man nicht weiter sehen will, als es den unten Stehenden genehm ist? Genießen wir das Leben. Dieses Leben ist alles, was wir zu gewärtigen haben. Denn daß der Mensch eine andere Zukunft habe, anderswo, oben, unten, sei es wo es will, davon glaube ich kein Sterbenswörtchen. Also man empfiehlt mir Selbstverleugnung und Entsagung, ich soll immer hübsch darauf achten, daß ich richtig handle, soll mir den Kopf zerbrechen über das Gute und das Böse, das Gerechte und das Ungerechte, das fas und nefas! Warum? Weil ich über mein Thun Rechenschaft ablegen muß? Wann? Nach meinem Tode. Wer das glaubt, dem träumt. Den möchte ich sehen, der mich nach meinem Tode zu fassen kriegt. Ein Schatten soll es bleiben lassen ein Häufchen Asche zu packen. Sagen wir es offen heraus, was das Wahre ist: Wir gehören zu den Eingeweihten, die den Schleier der Isis gelüftet haben: Es giebt weder Gutes noch Böses; was existirt, ist das Werden. Halten wir es mit dem Reellen. Gehen wir den Sachen vollständig auf den Grund, Teufel auch! Man muß nach der Wahrheit wittern, sie aus der Tiefe herauswühlen und sie festhalten. Dann macht sie Einem Freude! Dann wird man schlau und kann lachen. Einem gescheidten Kerl wie mir macht man nichts vor. Herr Bischof, der Glaube an die Unsterblichkeit der Seele ist eine unsolide Spekulation, ein fauler Wechsel. Auf das Versprechen fall' ich nicht rein. Wir sind jetzt Seelen und dermaleinst werden wir Engel sein, mit blauen Flügeln an den Schulterblättern und – so behauptet ja wohl Tertullian – von Stern zu Stern wandern. Gut. Wir werden einst die Sprengsel des Sternenhimmels sein. Außerdem werden wir Gott schauen. Larifari! Laß mich doch Einer zufrieden mit dem läppischen Geschwätz vom Paradiese und vom lieben Gott! Selbstredend werde ich dergleichen Ansichten nicht mit meinem Namen in den Zeitungen abdrucken lassen. Man flüstert so was nur seinem guten Freunde inter pocula ins Ohr. Die Erde für den Himmel hingeben heißt einen guten Braten fallen lassen, um dem Schatten desselben nachzujagen. Mit dem Unendlichen imponirt man mir nicht. Ich bin ein Nichts. Ich heiße der Graf und Senator Nichts. War ich vor meiner Geburt? Nein. Werde ich nach meinem Tode sein? Nein. Was soll ich auf dieser Erde thun? Ich habe die Wahl. Leiden oder Genießen. Ich habe mich für das Genießen entschieden. Man muß fressen oder gefressen werden. Ich ziehe vor zu fressen. Lieber Hammer als Ambos. So lautet mein Wahlspruch. Nachher ist's vorbei. Das Loch, in das uns der Totengräber legt, ist das Ende. Darüber hinaus liegt nur die Nacht, in der ein Nichts dem andern Nichts gleicht. Ob Einer ein Sardanapal oder ein St. Vincenz von Paula gewesen, Nichtse sind sie dann alle Beide. Dies ist die Wahrheit. Vor allen Dingen also soll man leben. Genieße dein Ich, so lange Du es hast. Ja ja, ich verstehe mich auf Philosophie; ich lasse mich nicht mit Alfanzereien an der Nase herumführen. Allerdings müssen die unten herumkriechen, die Hungerleider, die Unglücklichen, auch etwas haben. Denen tischt man Märchen auf, Phantastereien über die Seele, die Unsterblichkeit, den Himmel, die Sterne. Das schmieren sie auf ihr trockenes Brod. Wer nichts hat, der hat den lieben Gott. Den muß man ihm schon lassen. Damit bin ich auch einverstanden, aber Naigeon's Philosophie ist mehr nach meinem Geschmack. Der liebe Gott ist gut genug für das Volk.«

      »Das nenne ich reden«, antwortete der Bischof und klatschte in die Hände. »Das ist ja ganz etwas Ausgezeichnetes, solch ein Materialismus. Solche Ansichten kann nicht Jeder haben. Ja, wer diese Weisheit besitzt, der läßt sich nicht mehr täuschen, der ist nicht so dumm, sich in die Verbannung schicken zu lassen wie Cato; der wird nicht gesteinigt wie der heilige Stephanus, nicht lebendig verbrannt wie Johanna d'Arc. Die das Glück gehabt haben, sich zu einem so herrlichen Materialismus emporzuschwingen, haben die Freude, jeder lästigen Verantwortlichkeit los und ledig zu sein. Sie dürfen ohne Gewissensbisse zugreifen; Alles in die Tasche stecken; Aemter, Sinekuren, Titel, Macht, ob mit guten oder bösen Mitteln erworbene. Sie dürfen ihr Wort brechen und Verrath üben, wenn es ihnen Nutzen bringt, und nachher, wenn sie sich am Tisch des Lebens recht voll gegessen, ruhig in das Grab steigen. Wie angenehm das sein muß! Ich beziehe dies nicht speziell auf Sie, Herr Senator, kann aber nicht umhin, Ihnen zu gratuliren, Ihr großen Herren habt, wie ihr sagt, Eure eigne und eigens für Euch ausgedachte Philosophie, eine besonders ausgesuchte, feine, nur den Reichen zugängliche, die alle Lüste des Lebens vorzüglich würzt. Diese Philosophie ist von besonderen Forschern aus den Tiefen des wahren Seins hervorgeholt worden. Aber Ihr seid gemüthlich und habt nichts dagegen, daß der Glaube an den lieben Gott die Philosophie des Volkes sei, ungefähr so wie bei den Armen Gänsebraten mit Kastanien den Truthahn mit Trüffeln vertritt, der nur auf den Tisch der Reichen kommt.«

      IX. Was die Schwester über den Bruder erzählt

      Um eine Vorstellung von der Häuslichkeit des Bischofs zu geben und zu zeigen, wie vollständig die beiden frommen Frauen ihre Handlungen und Gedanken, ja sogar ihre natürliche Furchtsamkeit, den Gewohnheiten und Wünschen des Bischofs unterordneten, ohne daß er sich auch nur die Mühe zu nehmen brauchte, ihnen Ausdruck zu verleihen, können wir nichts Besseres thun, als hier einen Brief Fräulein Baptistines an ihre Jugendfreundin die Frau Vicomtesse von Boischevron, wiederzugeben. Diesen Brief besitzen wir im Original.

      Digne, den 16. Dec. 18 ..

      Theuerste Freundin!

      Es vergeht kein Tag, ohne daß wir von Ihnen sprächen. Es ist das unsere Gewohnheit, aber wir haben noch einen anderen Grund. Denken Sie Sich: Frau Magloire hat beim Waschen und Abstäuben der Wände Entdeckungen gemacht; unsre beiden Schlafzimmer mit ihren alten, weiß getünchten Tapeten würden jetzt ein Schloß wie das Ihrige nicht verunzieren. Frau Magloire hat die ganzen Tapeten heruntergerissen. Es war etwas dahinter. Mein Salon, in dem keine Möbel stehen, und der uns den Trockenboden für die Wäsche ersetzt, ist fünfzehn Fuß hoch, achtzehn im Geviert und hat eine bemalte und vergoldete Decke mit Balken, wie bei Ihnen. Als das Haus noch als Hospital diente, war ein Ueberzug aus Leinwand darüber. Dazu Holzwerk aus der Zeit unsrer Großmütter. Und mein Zimmer sollten Sie erst sehen! Frau Magloire hat unter wenigstens zehn darüber geklebten Tapeten Gemälde entdeckt, die ganz leidlich sind: Telemach, wie er von Minerva zum Ritter erhoben wird; derselbe in den Gärten, – ich kann mich nicht mehr besinnen, welchen; der Ort, wohin die Römerinnen sich einmal des Jahres begaben. Kurz, ich habe Römer, Römerinnen, (hier stand ein unleserliches Wort), und so weiter. Frau Magloire hat alles sauber abgewaschen und diesen Sommer wird sie einige unbedeutende Beschädigungen repariren, das Ganze überfirnissen, so daß mein Zimmer einem Museum gleichen wird. Außerdem hat sie auf dem Boden in einem Winkel zwei Consolen alten Stils gefunden. Sie sollten sechs Franken wieder zu vergolden kosten; aber es ist doch besser, wir geben das Geld den Armen. Auch sind sie nicht hübsch, und ich würde einen Mahagonitisch vorziehn.

      Ich fühle mich recht glücklich, wie immer. Mein Bruder ist so gut! Er giebt alles, was er hat, den Bedürftigen und Kranken. Bei uns geht es auch infolge dessen sehr knapp zu. Das Klima ist hier im Winter sehr rauh, und man muß für Diejenigen, denen es am Notwendigen fehlt, doch etwas thun. Mit Licht und Heizung ist es in unserm Hause ziemlich gut bestellt, was doch gewiß große Annehmlichkeiten sind.

      Mein Bruder hat so seine eignen Gewohnheiten. Er behauptet im vertraulichen Gespräch, ein Bischof müsse so sein. Denken Sie Sich: die Hausthür ist nie verschlossen. Jeder, der will, kann herein, und ist dann gleich in der Wohnung meines Bruders. Er fürchtet sich nicht, selbst des Nachts nicht. Das ist die Art Tapferkeit, die er haben muß, behauptet er.

      Er will nicht, daß ich und Frau Magloire uns um ihn ängstigen. Er setzt sich allen Gefahren aus und duldet nicht einmal, daß wir thun, als bemerkten wir das. Man muß ihn eben verstehen.

      Er geht bei Regenwetter aus, watet durch Wasser, reist zur Winterzeit. Er fürchtet sich nicht des Nachts, nicht vor gefährlichen Wegen und schlechten Menschen.

      Verflossenes Jahr reiste er allein nach einer Gegend, wo sich Räuber herumtrieben. Uns nahm er nicht mit und blieb vierzehn Tage weg. Es widerfuhr ihm nichts, man hielt ihn für tot, aber er war gesund und munter. Er sagte: »Seht mal, wie die Räuber mich ausgeplündert haben«, und zeigte uns eine Kiste mit lauter Wertsachen, die in dem Dom von СКАЧАТЬ