Les Misérables / Die Elenden. Victor Hugo
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Название: Les Misérables / Die Elenden

Автор: Victor Hugo

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783754173206

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СКАЧАТЬ harmlosen alten Priester, der seine Gebete murmelt? Was hätten sie davon?«

      »Mein Gott, wenn Bischöfliche Gnaden den Kerlen begegneten!«

      »Dann würde ich sie um eine milde Gabe für meine Armen ansprechen.«

      »Um des Himmels Willen, Bischöfliche Gnaden, reisen Sie nicht! Sie setzen Ihr Leben aufs Spiel!«

      »Weiter nichts? Ich bin nicht auf der Welt um mein Leben, sondern um die Seelen meiner Nebenmenschen zu behüten.«

      Man mußte ihn also gewähren lassen. Er brach auf ohne andre Begleitung als einen Knaben, der sich erboten hatte, ihn zu führen. Seine Hartnäckigkeit machte großes Aufsehen und erregte große Besorgnisse.

      Seine Schwester und Frau Magloire nahm er nicht mit. Er ritt auf einem Maulthier über das Gebirge, begegnete Niemandem und kam wohlbehalten bei seinen guten Freunden, den Hirten an. Er blieb vierzehn Tage bei ihnen, reichlich beschäftigt mit der Vollziehung seiner Amtspflichten. Kurz vor seiner Abreise beschloß er noch ein Tedeum abzuhalten und sprach mit dem Dorfpfarrer davon. Aber ach! Es war kein bischöflicher Ornat aufzutreiben. Ein paar alte verschossene Damastgewänder mit falschen Tressen war alles, was die ärmliche Dorfsakristei ihm zur Verfügung stellen konnte.

      »Gleichviel! sagte der Bischof. Herr Pfarrer, wir kündigen unser Tedeum trotzdem an. Die Sache wird sich schon machen.«

      Man hielt Umschau in allen benachbarten Kirchen, aber alle Herrlichkeiten, welche diese dürftigen Gemeinden hätten aufbringen können, würden nicht zur angemessenen Bekleidung eines Domkantors ausgereicht haben.

      Während man sich noch in vollster Verlegenheit befand, wurde von zwei unbekannten Reitern, die sich sofort wieder aus dem Staube machten, in der Pfarrwohnung eine Kiste für den Herrn Bischof abgegeben. Dieselbe enthielt einen Chorrock aus Goldstoff, eine mit Diamanten besetzte Bischofsmütze, ein Erzbischofskreuz, einen kostbaren Krummstab, Pontifikalkleider, überhaupt sämtliche Gegenstände, die vier Wochen vorher in der Notredamekirche zu Embrun gestohlen worden waren. In der Kiste lag noch ein Zettel, auf dem geschrieben stand: »Von Cravatte an den Herrn Bischof Bienvenu.«

      »Sagte ich's nicht, daß die Sache sich machen würde? triumphirte der Bischof. Wer sich mit einem Pfarrerrock bescheidet, dem sendet Gott ein Erzbischofsgewand.«

      »Gott – oder der Teufel«, entgegnete scherzend der Pfarrer, und schüttelte den Kopf.

      Der Bischof sah den Pfarrer fest an und wiederholte mit Nachdruck: »Gott.«

      Dieses Abenteuer hatte die Wirkung, daß er auf dem Rückwege und in Le Chastelar der Gegenstand der allgemeinen Neugierde war. Im Pfarrhause zu Le Chastelar traf er Fräulein Baptistine und Frau Magloire, die auf seine Rückkehr dort warteten, und sagte zu seiner Schwester: »Nun, hatte ich nicht Recht? Mit leeren Händen ist der arme Priester zu den armen Gebirglern gegangen und mit vollen Händen kommt er zurück. Ich nahm nur mein Gottvertrauen auf die Reise mit und bringe einen Domschatz nach Hause.«

      Am Abend, ehe sie sich zur Ruhe begaben, sagte er noch:

      »Fürchten wir nie die Räuber und Mörder. Die Gefahren, die uns von der Seite drohen, sind äußere, geringfügige. Fürchten wir uns vielmehr vor uns selber. Die Vorurtheile sind die wahrhaft gefährlichen Räuber, die Laster sind die Mörder. Die großen Gefahren lauern in uns. Gleichviel, wer unsre Habe und unser Leben bedroht! Denken wir nur an das, was unsre Seele gefährdet.«

      Dann, zu seiner Schwester gewandt, fuhr er fort: »Liebe Schwester, der Geistliche darf nie Vorsicht gegen seinen Nebenmenschen gebrauchen. Was unser Nebenmensch thut, läßt Gott zu. Beschränken wir uns darauf zu Gott zu beten, wenn wir glauben, daß eine Gefahr uns naht. Beten wir nicht für uns, sondern, daß wir nicht unserm Bruder Veranlassung geben in eine Sünde zu verfallen.«

      Im Ganzen war jedoch sein Leben arm an Ereignissen. Wir erzählen diejenigen, die zu unsrer Kenntnis gelangt sind; aber für gewöhnlich that er immer dieselben Dinge zu derselben Zeit.

      Was wurde aber aus dem Schatz des Domes zu Embrun? Wir gestehen, daß diese Frage uns in arge Verlegenheit setzt. Diese verführerischen Kostbarkeiten legten nur allzu leicht den Gedanken nahe, sie zu stehlen und zum Vortheil der Armen in bares Geld umzumünzen. Gestohlen war sie ja schon so wie so. Zur Hälfte war die Sache schon gethan; das gestohlene Gut brauchte blos noch eine andre Richtung einschlagen und nur die kleine Strecke zu den Häusern der Armen zu wandern. Etwas Positives können wir darüber freilich nicht behaupten. Es hat sich nur unter den Papieren des Bischofs eine kurze Notiz vorgefunden, die sich vielleicht auf diese Angelegenheit bezieht. Sie lautet: »Die Frage ist, ob es dem Dom oder dem Krankenhaus zukommt.«

      VIII. Philosophie bei Tische

      Der Senator, von dem oben die Rede gewesen ist, war ein kluger Mann, der unbekümmert um gewisse Hindernisse, wie Gewissen, Treu und Glauben, Gerechtigkeit und Pflicht, sein Schifflein aufs Trockne gebracht hatte. Nie war er von dem richtigen Wege abgewichen, der ihn zu seinem Ziele, der Förderung seiner Interessen, führte. Dieser ehemalige Staatsanwalt, den der Erfolg gemächlich gemacht hatte, war kein schlechter Mensch, denn er erwies seinen Kindern, seinen Schwiegersöhnen, seinen Verwandten, ja sogar seinen Freunden alle nur möglichen Gefälligkeiten. Er hatte nur das, was das Leben Angenehmes bietet, Vergnügungen, Glücksgüter, Gelegenheiten sich emporzubringen, seiner Beachtung werth gefunden. Alles Uebrige kam ihm dumm vor. Er besaß Geist und war gerade belesen genug, um sich für einen Schüler Epikurs zu halten, während er seine Philosophie doch höchstens einem Pigault-Lebrun verdankte. Er spaßte oft und mit Behagen über alles Unendliche und Ewige, selbstverständlich auch über die »Grillen« des Herrn Bischofs. Und so sicher war er seiner Sache, daß er sich nicht scheute, seine Witze in Gegenwart des geduldigen Myriel selber zum Besten zu geben.

      Bei einer halboffiziellen Festlichkeit mußte einst dieser Senator und der Bischof bei dem Präfekten diniren. Bei dem Dessert platzte der Senator, angeheitert wie er war, aber noch fähig eines gewissen Grades von Selbstbeherrschung, wieder einmal los:

      »Seien wir gemüthlich, Herr Bischof, und plaudern wir frisch von der Leber weg. Ein Bischof und ein Senator können einander nicht leicht ansehen, ohne mit den Augen zu zwinkern. Wir sind zwei Augurn, und da, dächte ich, könnte ich Ihnen ja mal ein ausführliches Geständniß ablegen, wie ich als Philosoph die Welt betrachte. Ich philosophire nämlich auf meine eigene Weise.«

      »Daran thun Sie recht, Herr Graf. Wie man philosophirt, so schläft man. Sie schlafen auf einem Purpurbett, Herr Senator.«

      »Ich behaupte also, Herr Bischof, daß der Marquis d'Argens, Pyrrho, Hobbes und Naigeon keine Schafsköpfe sind. Ich halte ihre Werke in Ehren und besitze sie in meiner Bibliothek, in Gold gebunden. Diderot dagegen verabscheue ich. Der Kerl ist ein Ideologe, ein Phrasenmacher, ein Revolutionär, der im Grunde doch an Gott glaubt und bigotter ist wie Voltaire. Voltaire hat sich über Needham lustig gemacht, aber sehr mit Unrecht; denn Needhams Aale beweisen doch, daß Gott überflüssig ist. Ein Tröpfchen Essig in einen Löffel voll Mehl gegossen thut dieselben Dienste wie das fiat lux, das ›Es werde Licht‹ der Bibel. Denken Sie sich einen größern Tropfen und einen größern Löffel, so haben Sie die Welt. Der Mensch ist der Aal. Was brauchen wir also einen »ewigen Vater?« Mir ist Jehowa lästig. Wer sein Gehirn mit dergleichen Hypothesen zermartert, wird mager. Sonst kommt nichts dabei heraus. Nieder mit dem »All«, das mir meine Ruhe nimmt! Es lebe das Nichts, das mich leben läßt, wie es mir gefällt! Unter uns gesagt, und um mein Herz auszuschütten, meinem Seelenhirten pflichtgemäß zu beichten, gestehe ich, daß ich es mit dem gesunden Menschenverstand halte. Ich bin nicht in Ihren Jesus vernarrt, der ewig und immer Entsagung und Selbstaufopferung predigt. СКАЧАТЬ