Название: Multisystem-Erkrankungen erkennen und verstehen
Автор: Sibylle Reith
Издательство: Bookwire
Жанр: Медицина
isbn: 9783754949412
isbn:
Umweltschadstoffe und Multisystemische Erkrankungen
Aus Sicht der Systemischen Epimedizin können Umweltschadstoffe die Suszeptibilität erhöhen, Betroffene reagieren in der Folge empfindlicher auf Risikofaktoren, wie z. B. eine virale Infektion. Entwickelt sich z. B. eine postvirale ME/CFS-Erkrankung, bleibt eine potenziell vorausgegangene Schwächung durch Umweltschadstoffe üblicherweise unentdeckt. Ohne die Schadstoffbelastung hätte der Organismus jedoch möglicherweise über die notwendige Immunkompetenz verfügt, die Virenlast zu bewältigen.
Schadstoffe können also direkt oder indirekt ein Puzzleteil sein, das zur Entstehung einer multisystemischen Erkrankung beiträgt.
Bei ungünstiger genetischer Disposition der Entgiftungsenzyme kann die oben beschriebene kollektive Grundlast an Schadstoffen bei Individuen toxischer wirken, als wenn die Entgiftung voll funktionsfähig ist. Das kann z. B. ein wichtiges Puzzleteil bei der multifaktoriellen Entstehung der Multiplen Chemikalien-Sensitivität /MCS sein.
Die Wirkung von Umweltbelastungen wird zunehmend in Bezug auf die klassischen Zivilisations-Erkrankungen untersucht und als Gesundheits-Gefahr bestätigt.
Umweltbedingte Krankheitslasten
Umweltbedingte Todesfälle in Europa
„Ein Fünftel aller Todesfälle in der Europäischen Region, insbesondere infolge von Herz-Kreislauf-, Atemwegs- und Krebserkrankungen, ist auf Umwelteinflüsse wie Luftverschmutzung oder chemische und physikalische Agenzien zurückzuführen.“ 3.2.5/1 WHO
Dies ist dem Aktionsplan zur Prävention und Bekämpfung nichtübertragbarer Krankheiten in der Europäischen Region der WHO, 2016 zu entnehmen. Seit den 90er Jahren untersucht die Weltgesundheitsorganisation WHO, wie sich schädliche Umwelteinflüsse auf das Krankheitsgeschehen in verschiedenen Ländern auswirken. Dazu entwickelte die WHO in Zusammenarbeit mit anderen Institutionen das Konzept der „Umweltbedingten Krankheitslasten“ (engl. Environmental Burden of Disease, kurz: EBD). Im Rahmen von EBD-Studien werden Umwelt- und Gesundheitsdaten verknüpft und statistisch ausgewertet.
Eine 2014 veröffentlichte EBD-Studie untersuchte, wie sich neun verschiedene schädliche Umwelteinflüsse (Benzol, Dioxin einschließlich Furane und Dioxin-ähnliche PCBs, Passivrauchen, Formaldehyd, Blei, Lärm, Ozon, Feinstaub und Radon) auf die öffentliche Gesundheit in sechs Ländern (Belgien, Finnland, Frankreich, Deutschland, Italien und die Niederlande) auswirken.
Diese neun schädlichen Umwelteinflüsse waren für 3 % bis 7 % der jährlichen Krankheitslast in den sechs europäischen Ländern verantwortlich. 3.2.5/2 Hanninen et al. |
Am 14.04.2016 gab das Umweltbundesamt bekannt:
„Nach Berechnungen des Umweltbundesamtes können in Deutschland jährlich im Durchschnitt ca. 40.000 vorzeitige Todesfälle aufgrund akuter Atemwegserkrankungen, kardiopulmonaler Erkrankungen und Lungenkrebs auf die Feinstaubbelastung der Bevölkerung zurückgeführt werden. Dies entspricht einem Verlust von acht Lebensjahren pro 1.000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Im Rahmen weiterer Studien werden derzeit EBD-Analysen für die Umwelteinflüsse Feinstaub, Ozon und Benzol in der Atemluft, Lärm, Tabakrauch in der Raumluft sowie Cadmium durchgeführt.“ 3.2.5/3 UBA
Feinstaub und Diabetes
„Feinstaub kann offenbar den Stoffwechsel aus dem Gleichgewicht bringen, er kann den Appetit erhöhen, zu Fettleibigkeit führen und das blutzuckersenkende Hormon Insulin unwirksam werden lassen. ,Es gibt weltweit mehr und mehr Daten, die den Zusammenhang erhärten‘, sagt Gerad Hoek, Umweltepidemiologe an der Universität Utrecht. Auch die führende deutsche Feinstaubforscherin Annette Peters am Helmholtz Zentrum München bekräftigt: ,Es sieht ganz danach aus, dass insbesondere Feinstaub und verkehrsbedingte Schadstoffe Diabetes begünstigen können.‘“ 3.2.5/4 Welt.de
Macht die Luft in der Großstadt tatsächlich dick? war der Artikel von Susanne Donner auf Welt.de überschrieben, dem dieses Zitat entnommen wurde.
Aus Sicht der Systemischen Epimedizin gibt es keine rationale Begründung, warum einerseits zunehmend wissenschaftlich anerkannt wird, dass Umweltschadstoffe bei Krebs- und bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder bei Diabetes mellitus als Teil eines multifaktoriellen pathologischen Geschehens eine wichtige Rolle spielen – diese Anerkennung aber andererseits als Teil der Gemengelage für die Krankheitsentstehung der EmKE meist in Frage gestellt wird.
3.2.6 Die Europäische Initiative für Humanes Biomonitoring/HBM4EU
European Human Biomonitoring Initiative/HBM4EU ist ein auf fünf Jahre angelegtes europäisches Forschungsprojekt, das vom deutschen Umweltbundesamt koordiniert wird. Es ist 2017 gestartet und wird bis Ende 2021 laufen. Um die Datenlage zum Human-Biomonitoring in den Mitgliedstaaten der EU zu erfassen und die gesundheitlichen Folgen der Schadstoffbelastung besser zu verstehen fördert die EU-Kommission das Projekt mit über 74 Millionen Euro im Rahmen des Förderprogramms Horizon 2020. Ziel ist es, ein EU-weites Exzellenzzentrum für Forschung und Innovation zu schaffen und die europäischen Kapazitäten für die Risikobewertung von Chemikalien zu stärken. Das Umweltbundesamt informiert:
„Auf europäischer Ebene fehlen harmonisierte Informationen über die Schadstoffbelastung von Bürgern durch Umweltchemikalien und deren Zusammenwirken mit anderen gleichzeitig auftretenden Umweltbelastungen sowie den Auswirkungen auf die Gesundheit. Dies erschwert eine zuverlässige Risikobewertung und -steuerung von Umweltchemikalien. Jeder von uns ist im Alltag einem komplexen Mix von Chemikalien ausgesetzt – durch Umwelteinflüsse, Produkte, Kosmetika, Lebensmittel, Trinkwasser und am Arbeitsplatz. Für viele Umweltchemikalien sind die gesundheitlichen Auswirkungen, die mit einer lebenslangen Exposition einhergehen, unbekannt. Zudem ist das Wissen über gesundheitliche Auswirkungen von Chemikalienmixturen begrenzt.“ 3.2.6/1 UBA
Mit Hilfe von Human-Biomonitoring werden die Belastung der Menschen in Europa durch Schadstoffe untersucht und deren Auswirkungen auf die Gesundheit erforscht, um die politische Entscheidungsfindung zu unterstützen. Unter anderem sollen Referenzwerte für die Belastung der Bevölkerung erarbeitet werden. Gemessen werden Umweltchemikalien, deren Stoffwechselprodukte und Wirkungs-Marker in Blut und Urin. Ziel ist die Verbesserung der Risikobewertung von Chemikalien. Die HBM4EU-Partner arbeiten mit politischen Entscheidungsträgern zusammen, um z. B. Maßnahmen zur Risikominderung zu entwickeln und bestehende Regulierungen und Richtlinien zu prüfen. 30 Partnerländer sind an dem Projekt beteiligt. 3.2.6/2 HBM4EU Für erste Substanzen liegen bereits wissenschaftliche Monografien vor. Fact-sheets mit Informationen für die Bevölkerung werden derzeit vorbereitet. 3.2.6/3 HBM4EU
Was ist Human-Biomonitoring?
Messung der Konzentration von Schadstoffen bzw. deren Stoffwechselprodukte in humanbiologischem Material (Blut, Serum, Muttermilch, Harn, Haare, Zähne, Ausatmungsluft, Sektionsmaterial etc.). Die Bewertung der Messergebnisse geschieht auf Basis von Referenzwerten sowie umweltmedizinisch-toxikologisch abgeleiteten, so genannten Human-Biomonitoring-Werten (HBM-Werte).
Was ist Effektmonitoring?
Messung von biologischen Parametern, die auf Belastungen durch chemische, physikalische oder biologische Faktoren reagieren bzw. deren Wirkungen anzeigen (Wirkungsparameter). Die Bewertung der Messergebnisse geschieht anhand von Referenzwertvergleichen bzw. vergleichbarer Untersuchungen an einem Kontrollkollektiv.
Europaweit Chemikalien im Blut
Der World-Wide-Fund WWF und The Co-operative Bank nahmen im Dezember 2003 47 Personen aus ganz Europa, darunter 39 Mitgliedern des Europäischen СКАЧАТЬ