Название: Multisystem-Erkrankungen erkennen und verstehen
Автор: Sibylle Reith
Издательство: Bookwire
Жанр: Медицина
isbn: 9783754949412
isbn:
3.3.3 Luftschadstoffe/Feinstaub
Gemäß der Definition des Vereins Deutscher Ingenieure ist ein Luftschadstoff
„eine Beimengung der Luft, die sowohl die menschliche Gesundheit als auch die Biosphäre gefährden kann. Die Herkunft eines Luftschadstoffes kann sowohl natürlich (z. B. Schwefeldioxid, SO2, aus Vulkanen) als auch anthropogen (vom Menschen verursacht) bedingt sein.“ 3.3.3/1 VDI
Zu den wichtigsten vom Menschen verursachten Schadstoffen in der Luft zählen: Stickoxide (NOx), Kohlenstoffdioxide (CO2), Feinstaub und Rauch.
Zum Beispiel: Feinstaub
Feinstaub besteht aus Partikeln mit einem Durchmesser von maximal 100 Nanometern. Zum Vergleich: Ein menschliches Haar ist 100.000 bis 200.000 Nanometer dick. Das Bundesumweltamt/UBA informiert:
„Feinstaub ist ein Teil des Schwebstaubs. Als Schwebstaub oder englisch „Particulate Matter“ (PM) bezeichnet man Teilchen in der Luft, die nicht sofort zu Boden sinken, sondern eine gewisse Zeit in der Atmosphäre verweilen. Je nach Korngröße der Staubpartikel wird der Schwebstaub in verschiedene Fraktionen unterteilt. […] Die kleinsten von ihnen, mit einem aerodynamischen Durchmesser von weniger als 0,1 Mikrometer (das sind 100 Milliardstel Meter), sind die ultrafeinen Partikel. Feinstaub ist mit bloßem Auge nicht wahrzunehmen. Lediglich während bestimmter Wetterlagen kann man Feinstaub in Form einer „Dunstglocke“ sehen.“ 3.3.3/2 UBA
Weiter informiert das UBA, dass der Feinstaub in der Außenluft sowohl global als auch in Deutschland der Risikofaktor sei, dem nach heutigem Kenntnisstand die höchste Krankheitslast zugeschrieben werden könne.
„Bereits vorhandene Berechnungen des Umweltbundesamtes zeigen zum Beispiel für das Jahr 2015 eine Krankheitslast von circa 41.500 attributablen Todesfällen und etwa 406.500 verlorenen Lebensjahren.“ 3.3.3/3 UMID
Europäische Grenzwerte oder WHO-Richtwerte?
2013 wurde eine Studie internationaler Autoren (Frankreich, Italien, Irland, Schweden, Österreich, Spanien) zu gesundheitlichen Auswirkungen der städtischen Luftverschmutzung in Europa veröffentlicht. In den 25 untersuchten Städten war die größte gesundheitliche Belastung auf die Auswirkungen der chronischen Belastung mit Feinstaub-PM 2,5 (PM = „Particulate Matter“) zurückzuführen.
Die Autoren errechneten, dass eine Absenkung des Feinstaub-PM 2,5-EU-Jahresmittelwertes auf 10 μg/m3 (das ist der WHO-Richtwert) bei der Hälfte der Städte die Lebenserwartung der damals 30jährigen Personen um durchschnittlich mehr als 6 Monate erhöhen würde, bzw. je nach Stadt bis zu 22 Monate. Das entspricht insgesamt 19.000 verzögerten Todesfällen. |
Der damit verbundene monetäre Gewinn würde sich auf etwa 31 Mrd. € jährlich belaufen, einschließlich Einsparungen bei den Gesundheitsausgaben, Fehlzeiten und immateriellen Kosten wie Wohlbefinden, Lebenserwartung und Lebensqualität. 3.3.3/4 Pascala et al.
Die Zahl der Menschen, die aufgrund der Feinstaubbelastung nicht versterben, sondern über Jahre- oder Jahrzehnte chronisch krank sind, übertrifft vermutlich mehrfach die Zahl der Verstorbenen. |
Im Vergleich: WHO-Richtwerte und EU-Grenzwerte
WHO | EU: Air Quality Directive | |
PM 2,5 Feinstaubpartikel (aerodynamischer Durchmesser kleiner als 2,5 μm) | 10 μg/m3 Jahresmittelwert.25 μg/m3 24-h-Maximum (max. 3 Überschreitungen) | 25 μg/m3 Jahresmittelwert |
PM 10 Feinstaubpartikel (aerodynamischer Durchmesser kleiner als 10 μm) | 20 μg/m3 Jahresmittelwert.50 μg/m3 Tagesmittelwert(max. 3 Überschreitungen) | 40 μg/m3 Jahresmittelwert50 μg/m3 Tagesmittelwert(max. 35 Überschreitungen) |
Durch das Abbrennen von Feuerwerkskörpern während der Silvesterfeiern entstehen ca. 15 Prozent der Menge an Feinstaub, die vom Verkehr und der Industrie während des gesamten Jahres ausgestoßen werden.
Das Positionspapier der DGP
Atmen: Luftschadstoffe und Gesundheit war das Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V./DGP überschrieben, das im November 2018 veröffentlicht wurde. 3.3.3/5 DGP Experten vom Helmholtz Zentrum München, von der Charité – Universitätsmedizin Berlin, der Universität Bielefeld und der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf fassten, unter der Federführung des Helmholtz Zentrums München, den aktuellen Stand der epidemiologischen Studien zu den Gesundheitseffekten von Luftschadstoffen zusammen – unter Berücksichtigung der Evidenz } Siehe Kapitel 30.1 aus experimentellen bzw. kontrollierten Studien.
Das Dokument informiert über folgende Luftschadstoffe: Stickoxide (NOX, NO2), Ozon (O3), Feinstaub (unter besonderer Berücksichtigung der Größenfraktionen PM10 und PM2.5), Kohlenstoffmonoxid (CO) und Schwefeldioxid (SO2).
Anhand einer Vielzahl von Studien zeigen die Autoren, dass durch chronische Mikroentzündungen auf den Oberflächen, die sie durchlässiger machen für schädliche Umweltfaktoren, nicht nur die Lunge geschädigt wird – auch Herzinfarkt und Schlaganfall, Diabetes Typ-2 und Schwangerschafts-Diabetes, Demenz und weitere Erkrankungen gehen auf dieses Konto. Besonders betroffen sind vulnerable Gruppen: Ältere oder chronisch/multisystemisch erkrankte Menschen sowie kleine Kinder.
Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO ist Luftverschmutzung der wichtigste umweltbedingte Risikofaktor für Erkrankungen – und das, obwohl der Schadstoffausstoß in den letzten Jahrzehnten bereits stark gesenkt wurde. Die gesundheitlichen Auswirkungen sind jedoch nach wie vor hoch, so dass das Positionspapier sich vor allem mit der Fragestellung der Gesundheitsgefährdung bei geringerer Schadstoffbelastung befasste. Das Autorenteam betonte (auf Seite 9 des Dokuments):
„Negative Gesundheitseffekte treten auch unterhalb der derzeit in Deutschland gültigen europäischen Grenzwerte auf. Bisher konnte für die wissenschaftlich gut untersuchten Schadstoffe keine Wirkungsschwelle identifiziert werden, unterhalb derer die Gefährdung der Gesundheit ausgeschlossen ist.“
Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin forderte von der Politik, der Industrie und der Bevölkerung ein Umdenken und stellte vier Forderungen zu Maßnahmen zur Luftreinhaltung auf (auf Seite 7 des Dokumentes), von denen viele, so die Autoren, zu erheblichen Co-Benefits durch die gleichzeitige Reduktion von Klimagasen, Lärm, Landverbrauch und innerstädtischer Aufheizung führen würden. Der Schirmherr der Veranstaltung, bei der das Positionspapier vorgestellt wurde, Michael Hennrich (MdB), betonte in seiner Eröffnung die Bedeutung der DGP-Initiative für Deutschland und Europa:
„Umweltschadstoffe verursachten allein in Europa jährlich Kosten von 280 Milliarden Euro, 5,2 Millionen Lebensjahre gingen verloren. Gesunde Luft für alle sei ein zentrales Ziel. Hierfür gelte es, vom isolierten Betrachten einzelner Luftschadstoffe und Maßnahmen wegzukommen und stattdessen die Zusammenhänge in den Fokus zu nehmen.
Professor Klaus Rabe, Präsident der DGP, kritisierte die bislang eher schwache Lobby für Umweltmedizin und wies auf die vielfältigen gesundheitlichen Folgen von erhöhter Luftschadstoffbelastung hin. In der Diskussion käme zudem der Aspekt der Prävention bislang zu kurz.“ 3.3.3/6 Helmholtz
Pollen, Klima und Luftschadstoffe
Unter der Überschrift Klimawandel beeinflusst Pollenflugzeit verwies Prof. Traidl-Hoffmann, die Direktorin der Hochschulambulanz für Umweltmedizin am Universitätsklinikum Augsburg, in einem Interview auf weitere Zusammenhänge zwischen Umweltschadstoffen, Klimawandel und steigender Allergiehäufigkeit.
„Erstens СКАЧАТЬ