Unter der Sonne geboren - 2. Teil. Walter Brendel
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Название: Unter der Sonne geboren - 2. Teil

Автор: Walter Brendel

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783966511872

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СКАЧАТЬ Dann Kardinal Mazarin, stärker noch als sonst geschminkt, parfümiert und gelockt; er verbirgt seine Schmerzen unter seinem Hermelinkragen und seinem wallenden Purpurgewand.

      Ganz allein, der König. Wie ist er gekleidet? Die Grande Mademoiselle hat plötzlich ihr Gedächtnis verloren. Sie sagt in ihren Memoiren nichts darüber. In Fontarabia hat sie genau gesehen, wie Philipp IV. angezogen war.

      Wahrscheinlich erinnert sie sich nicht mehr, weil sie Ludwig XIV. hatte heiraten wollen und weil diese Hochzeit den Zusammenbruch ihrer Träume bedeutet. „Ich erinnere mich nicht mehr genau, wie er gekleidet war. Ich glaube, dass er sehr mit Gold bestickt war, und Monsieur ebenfalls. Dass ihre Hutbänder mit Diamanten besetzt waren. Ich glaube, dass Monsieur die Königin führte.“ Augenzeugen, die ein besseres Erinnerungsvermögen haben, bezeugen, dass der König ein Habit aus Goldstoff mit schwarzen Verzierungen trug.

      Maria Theresia hat zu ihrer Rechten den Herzog von Orleans, den Bruder des Königs, zu ihrer Linken ihren Ehren-Chevalier, Herrn von Bernaville. Über ihrer Silberbrokatrobe trägt sie einen lilafarbenen Samtumhang, der mit goldenen Lilien bestickt und zehn Ellen (zwölf Meter) lang ist. Diese samtene Flut wird seitlich von den Damen von Valois und Alencon gehalten, und das Ende der Schleppe von der Prinzessin von Carignan. Zwei Damen halten die Krone über dem Haupt der neuen Königin.

      Schwarze, mit Silber durchwirkte Schleier mildern die Spuren, die die Zeit bei der Königinmutter hinterlassen hat; sie bewahrt die Schönheit einer prächtigen Rose, die langsam verwelkt.

      Am Ende des Zuges geht die Grande Mademoiselle, in Schwarz, um den Hals eine aus zwanzig Reihen bestehender Perlenkette. Sie trägt Trauer um ihren Vater und um ihre dahingeschwundenen Illusionen. Als der Festzug die Kirche erreichte, hatte die Hochzeitsgesellschaft drinnen bereits ihre Plätze eingenommen. Als wären sie nicht Gäste, sondern nur Zuschauer, versuchten alle, die Neuvermählten zu sehen, als sie sich unter ihren Thronhimmel begaben, der mit den Lilien der Bourbonen bestickt und mit Helmbüschen geschmückt war. Für Königin Anna war ein separater Platz auf ei-ner mit schwarzem Samt ausgeschlagenen Estrade vorbereitet, überwölbt von einem Baldachin aus dem gleichen Stoff.

      Der Bischof von Bayonne vollzog die Trauung. Maria Theresia, die sonst so leicht in Tränen ausbrach, blieb gefasst. Sie hatte erreicht, was sie immer ersehnt hatte. Doch es war nicht die Krone von Frankreich, um die es ihr ging. Viel lieber wäre sie Königin von Spanien gewesen. Nein, es war dieser junge Mann an ihrer Seite, der Einzige auf der Welt, der ihr ebenbürtig war.

      Wie allen Infantinnen war auch Maria Theresia von ihrem Beichtvater erzählt worden, dass Könige nur Königinnen lieben könnten, und Umgekehrt sei es genauso. Maria Theresia hatte es geglaubt, wie die spanischen Prinzessinnen vor ihr. Kein einziges Mal hatte sie einem anderen Mann absichtlich in die Augen geblickt. Immer hatte es nur Ludwig für sie gegeben, obwohl sie ihn noch nicht mal gekannt hatte. Als ihr ihre Zwergin zuflüsterte, Ludwig poussiere mit einer Italienerin, hatte Maria Theresia nur gleichgültig die Achseln gezuckt.

      Nach der Trauung erhoben sie sich von ihren Samtkissen. Die Damen ordneten Maria Theresias Mantel und Schleppe. Dabei blickte die junge Königin verstohlen zur Seite. Sie hatte Glück. Ihre und Ludwigs Augen begegneten einander. Maria Theresias erster Impuls war, sich schnell wieder wegzudrehen. Dann aber fasste sie sich ein Herz und schaute ihrem Gemahl geradewegs in die Augen. Auch er blickte sie an. Dann lächelte er plötzlich und neigte kaum merklich den Kopf. Maria Theresia wurde blutrot. Sie wagte nicht, Ludwigs Lächeln zu erwidern, doch während sie sich wieder abwandte, dachte sie in Dankbarkeit an ihren Beichtvater, als hätte er das wunderbare Gesetz königlicher Liebe erwirkt.

      Wolken von Weihrauch erfüllten das Gotteshaus, und die Glocken läuteten noch kräftiger als zuvor, als der Bischof mit seiner Begleitung den Neuvermählten voranschritt. Die königliche Familie und die Hochzeitsgäste schlössen sich an. Unter dem Jubel der Zuschauer traten sie durch das Hauptportal hinaus auf den sonnigen Vorplatz.

      Als sich die Kirche geleert hatte, löschten Ministranten die Kerzen, und ein Priester verschloss unter dem Beifall der Bevölkerung das Hauptportal. Bis in alle Ewigkeit, so hatte Königin Anna verfügt, sollte dieses Tor nicht mehr geöffnet werden, um die nachfolgenden Generationen daran zu erinnern, welch erhabenes und glückliches Ereignis hier stattgefunden hatte.

      Nach der Zeremonie Festmahl des Königs, der beiden Königinnen und Monsieurs. Vom Balkon herunter bedanken sich die Neuvermählten für die Zurufe des Volkes und werfen Geldstücke in die Menge.

      Es war noch Nachmittag und ganz hell, als Ludwig plötzlich erklärte, es sei nun an der Zeit, schlafen zu gehen. Niemand antwortete, nur Maria Theresia rief entsetzt: „Aber es ist doch noch viel zu früh!“

      Dann schlug sie, erschrocken über ihre eigene Auflehnung, die Hände vor den Mund, erhob sich schnell und lief in ihr Schlafgemach. Dort befahl sie ihren Kammerfrauen, die Vorhänge ganz dicht zuzuziehen und ihr danach gleich beim Auskleiden zu helfen. Auch sie schien es auf einmal eilig zu haben. „Rasch!“, trieb sie ihre Hofdamen an. „Beeilt euch! Der König erwartet mich!“

      Sie war aufgeregt wie ein Kind, als Ludwig ins Zimmer trat. Auch Anna, Mazarin und die Mitglieder der königlichen Familie erschienen nun sowie mehrere ausgewählte Vertreter der Hofgesellschaft. Sie alle stellten sich an der Wand gegenüber dem königlichen Alkoven auf und sahen zu, wie Ludwig und Maria Theresia in ihr Bett stiegen.

      Seit Jahrhunderten war es üblich, dass die Zeugen der königlichen Hochzeitsnacht bis nach dem Vollzug der Ehe anwesend blieben. Doch Anna sorgte dafür, dass es diesmal anders war. Zu quälend war die Erinnerung an den Beginn ihrer eigenen Ehe, als sie die neugierigen Augen der Höflinge hinter dem angestrengten Gesicht ihres Ehemannes gesehen und nicht gewusst hatte, wer ihr Schlimmeres antat: ihr Gemahl, der ihren Körper verletzte, obwohl er es eigentlich nicht wollte, oder diese Fremden, denen sie jeden Tag begegnen würde und die sie mit ihren Blicken demütigten.

      Ihrem Sohn und seiner Gemahlin wollte Anna diese Erfahrungen ersparen. So wartete sie, bis sie sich unter die Decke gelegt hatten. Dann küsste sie die beiden auf die Stirn, segnete sie und Ihren Bund und zog dann eigenhändig die Vorhänge zu. Danach wandte sie sich an die enttäuschten Zeugen. „Unsere Aufgabe ist erfüllt!“, entschied sie mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldete. „Wir wollen uns nun zurückziehen.“

      Erst am nächsten Morgen kehrten die Zeugen zurück. Man öffnete die Vorhänge wieder und blickte auf das junge Paar, das an die vielen Kissen gelehnt in seinem Bett saß. Ludwig verzog keine Miene, doch Maria Theresia erstaunte alle, weil sie, viel weniger schüchtern als erwartet, ihre kleinen, weißen Hände aneinander rieb und dann liebevoll lächelnd auf ihren Gemahl blickte. Alle wunderten sich noch über die Veränderung, die mit der scheuen Infantin vorgegangen war, da fing sie plötzlich, wie nach einer gelungenen Theateraufführung, an zu klatschen. Die Zeugen tauschten betretene Blicke und entschlossen sich dann einer nach dem anderen, ebenfalls Bei-fall zu spenden.

      Nur Anna beteiligte sich nicht. Stattdessen nahm sie sich vor, mit ihrer Schwiegertochter behutsam über das Verhalten einer Königin zu sprechen.

      Maria Theresia legte ihre Händchen auf die Bettdecke. „Ich möchte gerne die Heilige Kommunion empfangen, liebe Mutter“, erklärte sie, zu Anna gewandt. „Man muss dafür beten, dass der Himmel nach der gegebenen Frist Frankreich ein Kind schenkt.“

      Einige Schriftsteller und Historiker halten Maria Theresia für eine Haremssultanin, weil sie gern Stofftiere um sich hat und Zwerge, und weil sie morgens beim Lever in die Hände klatscht, um den Hof darüber zu unterrichten, dass der König sie in der Nacht mit seinem Besuch beehrt hat. Aber Maria Theresia ist auch eine ihren Mann abgöttisch liebende Frau, eine Kindfrau, die in ihrer Naivität und ihrer Unkenntnis des Französischen inmitten dieses grausamen Hofs wie eingemauert lebt. Einige bedauern СКАЧАТЬ