Название: Unter der Sonne geboren - 2. Teil
Автор: Walter Brendel
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783966511872
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Dennoch entzieht sich Ludwig XIV. diesem Paradezug unter Triumphbogen, mit denen Frankreich ihn als Symbol des Friedens feiert. Am 27. in Bllintes verkündet er gebieterisch, die Königinnen und der Hof sollten den Weg bis Saint-Jean-d'Angely fortsetzen, während er sich zur Inspektion mich La Rochelle begeben würde. Anna von Österreich und Mazarin sind entsetzt, sie ahnen, dass er an Marie Mancini denkt und dass die Wunde noch nicht geheilt ist. Der Kardinal versucht sich einzuschalten; er führt den Titel eines Statthalters der Saintonge. Ihm käme die Ehre zu, Seine Majestät durch seine Provinz zu geleiten. Doch der König lehnt dieses zu fadenscheinige Angebot ab. Er nimmt nur Philippe Mancini und zwei andere Edelleute mit.
In La Rochelle besichtigt der König einige Schiffe. Am 28. Juni verbringt er die Nacht in Brouage, in dem Bett, in dem Marie so viel und so oft an ihn gedacht hat. Ludwig liegt lange schlaflos, er ist nicht mehr der König, sondern ein von Tränen überwältigter junger Mann, der seiner Verzweiflung nachgibt.
Ein endloser Tränenstrom, der tief aus der Jugend kommt und seine Pflichten überflutet, die letzten Tränen reiner Liebe eines Mannes, der nur sich selbst gehört und die gleichen Freuden und Schmerzen wie der bescheidenste der Menschen empfindet. Hier am Meeresufer erlebt er seinen Ölberg, die verzweiflungsvolle Nachtwache, während der die letzten Schwächen von ihm abfallen. Am folgenden Tag, als er in Saint-Jean-d'Angely wieder mit dem Hof zusammentrifft, ist er der König, hart geworden, gepanzert, bereit, sein Kreuz zu tragen.
Am 25. August 1660 ziehen der König und die Königin feierlich in Paris ein. Gott steigt auf die Erde herab, um den Menschen die Ordnung und den Frieden zu bringen. Es ist der Triumphzug des Sonnenkönigs, der die in vierundzwanzig Unglücksjahren zusammengeballten Wolken teilt und die Menschheit mit Licht überflutet. Dem Volk von Paris, bis zum letzten Lastenträger, scheinen alle diese Bilder aus dem Musenhimmel zu kommen und durch die Straßen zu ziehen. Die abstrakten Bilder verschwinden, der König erscheint „so wie die Dichter uns jene Menschen schildern, die sie vergöttlicht haben“.
An der Porte Saint Antoine, wo Conde und Turenne ihr brudermörderisches Duell ausgefochten haben, erhebt sich, um dieses erinnerungsschwere Ereignis zu überdecken, ein monumentaler Triumphbogen. Der König und die Königin sitzen auf zwei Thronsesseln und nehmen aus den Händen des Vorstehers der Kaufleute die Schlüssel der Stadt in Empfang. Dann besteigt Seine Majestät einen spanischen Falben, der unter einem Brokatbaldachin tänzelt. Die Königin steigt in ihre offene, ebenfalls von einem Baldachin überdeckte, dem Prachtwagen der Göttinnen gleichende Karosse. Unter unbeschreiblichen Begeisterungsausbrüchen setzt sich der Zug nach Paris hinein in Bewegung. Als sollte das während der Fronde vergossene Blut unsichtbar gemacht werden, haben die Pariser die Pflastersteine, die einst zur Errichtung der Barrikaden dienten, mit einem so dicken Teppich von Blüten und Blättern bedeckt, dass von den Rädern der Kutschen Wohlgerüche aufgewirbelt werden.
Der Zug braucht am Nachmittag vier Stunden, um von der Place du Trone, über die Ile de la Cite zum Louvre zu gelangen.
Der Hofstaat Mazarins, der Hofstaat des Königs und der beiden Königinnen, die Kanzlei, die Chevaulegers, die Beamten der Krone, der König selber, von Gold und Edelsteinen funkelnd, sein Bruder, Monsieur, die Prinzen von Geblüt, die lächelnde Königin, deren Karosse von einem Schwärm weißgekleideter Pagen umgeben ist, diese ganze Märchenpracht zieht durch Paris, das sich in einen Garten betäubender Düfte verwandelt hat. Der prächtigste Triumphbogen steht auf der Place Dauphine, Le Brun, der spätere Hofmaler und Hofdekorateur, hat ihn errichtet, anscheinend mehr zum Ruhm Mazarins als zum Ruhm des Königs. Die Allegorien stellen den Eifer dar, mit dem der Kardinal die Staatsgeschäfte und Friedensverhandlungen geführt hat. Verherrlichung des Königs, Triumph des Ministers. Neben dem König und der Königin ist der dritte Anziehungspunkt dieser Kavalkade „der Aufzug Seiner Eminenz“.
Mazarin entfaltet bei dieser Inszenierung die Kunst der klugen Steigerung. Zuerst zweiundsiebzig Maultiere, von fünfundzwanzig grünlivrierten Männer geführt. Vierundzwanzig dieser Maultiere tragen einfache rote Decken sowie „Federn und gewöhnlichen Kopfschmuck“. Die nächsten vierundzwanzig tragen Schabracken „aus feinstem Seidengewebe mit eingewirkten goldenen Figuren“, Glöckchen, Kopfgeschirre und Zaumzeug aus massivem Silber. Die letzten vierundzwanzig sind geschmückt mit „großen karminroten Samtdecken, auf denen Wappen und Wappensprüche eingestickt sind, daneben Füllhörner, aus denen Früchte und Blumen quellen“, Auf dem Kopf tragen sie „prächtige weiße und rote Straußenfedern“, aus denen wiederum Reiherfedern sprießen. „Dann kamen“, erzählt der venezianische Gesandte, „der Stallmeister Seiner Eminenz mit vierundzwanzig reichgekleideten und wohlberittenen Pagen, dann zwölf prächtige, mit karminrotem, gold- und silberbe-sticktem Samt bedeckte Pferde, die von zwölf Männern an der Hand geführt wurden; danach andere Pferde und Reiter in der Livree des Kardinals.“ Dann eine weitere Steigerung in der Reihe der Herrlichkeiten: elf sechsspännige Karossen, „die Pferde jeweils in gleicher Größe und Farbe ausgesucht, und nach ihrem Geburtsort“, welch Raffinement!
Zum Schluss, wie bei den Raketen eines Feuerwerks, das große Bukett, das sich in Sterne auflöst, aus denen wiederum Sterne fallen und dann, nach einer winzigen Pause, die schönste Himmelsperle.
Fünfzig Reiter, alle von hohem Rang, in reicher Kleidung auf unglaublich wertvollen Pferden“. Nun aber, als letzter und endgültiger Höhepunkt, auf den alle Welt während des ganzen Aufzugs wartet: die Karosse Seiner Eminenz. Von acht und nicht von sechs „herrlichen Pferden“ gezogen. Doch ist diese Prachtkarosse - eine phantastische Koketterie dieses „unnachahmlichen Lebens“ - nicht etwa die größte, sondern die kleinste. Wie ein Schrein, der den Diamanten der Diamanten enthält, der für sich allein unermesslich viel teurer ist als alle anderen Glanzstücke.
Und nun der Theatercoup. Der Zauberer führt sein letztes Kunststück vor: diese Karosse ist leer. Der Illusionist entzieht sich den Schmerzen, dem Tod. Er lässt sich selbst verschwinden. Wo ist er? Sucht ihn! Ein wahres Bilderrätsel Der Künstler hat sich das unendlich lange Rollen im Wagen über das holprige Pflaster ersparen wol-len, er hat die Fähigkeit zu fliegen. Den Qualen des Körpers, den Verheerungen, die die Zeit ihm zugefügt hat, entrinnend, schwebt er oben in den Lüften, wie in der Oper der „deus tx machina“ in seiner Luftgondel. Er ist auf einem der Balkone des Hauses der Frau von Beauvais in der Rue Samt-Antoine gelandet, von wo aus er dem Schauspiel zusieht. Lächelt er selber, oder ist es seine geschminkte Mumie? Man vermag es nicht mehr zu unterscheiden. Auf welchem der drei Balkone sitzt er? Er hat den Historikern eine solche Wolke von Puder ins Gesicht gestreut, dass sie nicht mehr klar sehen können. Einige behaupten, ihn auf dem Balkon der Königinmutter zu erblicken: die beiden Liebenden, auf dem Höhepunkt ihres gemeinsamen Werks vereint, nehmen unter Tränen die jubelnden Zurufe der Bevölkerung entgegen. Andere sagen, auf dem mittleren Balkon, dem größten und am weitesten vorspringenden, habe unter einem Baldachin die Königinmutter gesessen, zu ihrer Rechten die Königin von England und deren Tochter, die spätere Herzogin von Orleans.
Auf dem zweiten Balkon befinden sich die Hofdamen der Königinnen. Unter ihnen Marie Mancini, von innerer Erregung geschüttelt, und Madame Scarron, die dann Madame de Maintenon wird: das Gestern und das Morden, die Schauspielerinnen des Stückes, denen das Schicksal den Augenblick ihres Auftritts und Abgangs von der Bühne bezeichnet.
Auf dem dritten Balkon „der Herr Kardinal von Mazarin, der fast die ganze Zeit Herrn von Turenne im schwarzen Habit bei sich hatte . . .“
Als der König unter dem Balkon ankommt, lässt er sein Pferd schwenken. Mit der ihm eigenen, unnachahmlichen Würde zieht er den mit weißen Federn geschmückten Hut und grüßt lange und ehrerbietig seine Mutter und den Kardinal. Seine Mutter, die er verehrt und in der vielleicht schon die Krebsgeschwulst schwärt, an der sie fünf Jahre später stirbt. Den Kardinal, der ihn geformt und der ihm seinen Thron bewahrt, der ihm die Wege zu einer СКАЧАТЬ