Название: Textlinguistik
Автор: Группа авторов
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: narr studienbücher
isbn: 9783823301066
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Das Substituendum Heckenrosenstrauch wird durch das Substituens Hagebutten wiederaufgenommen, Hagebutten durch glänzendes Rot. Neben den Teil-Ganzes-Relationen gehören SEMANTISCHE KONTIGUITÄTENKontiguität zu den impliziten WiederaufnahmenWiederaufnahme. Durch eine Relation zwischen Wörtern, die der gleichen logischen (Niederlage : Sieg), ontologischen (naturgesetzliche Verknüpfungsverhältnisse wie Blitz : Donner), kulturellen (eine kleine Stadt : der Bahnhof) oder situationellen (der langhaarige Knabe : das englische Matrosenkostüm) Sphäre angehören, wird semantische Kontiguität bewirkt. Derartige Beziehungen zwischen Substituendum und Substituens nennt Harweg (21979: 192ff.) „Text-Kontiguitäts-Substitutionen“. Den Begriff Kontiguität übernimmt er aus der Semantikforschung und bestimmt ihn als „syntagmatisch semantische Affinität“ (Harweg 21979: 192). Zur semantischen KontiguitätKontiguität siehe ausführlich auch 4.2.2.
Während Harweg eine Typologie der verschiedenen Fälle von Pronominalisierungen und eine darauf aufbauende Textklassifikation verfolgt, geraten mit der Diskussion der Verfahren der WiederaufnahmeWiederaufnahme die Termini KohäsionKohäsion und KohärenzKohärenz als TextualitätskriterienTextualitätskriterium/-kriterien in den Blick (vgl. 1.3). Beide Termini spielen bei Harweg gar keine oder kaum eine Rolle. Dennoch lassen sich seine Pronominalisierungsfälle als kohäsive und kohärente Mittel der Konstituierung des Objekts ‚Text‘ interpretieren. KOHÄSION signalisiert die Beziehungen zwischen Oberflächenelementen. Vater (1992) präzisiert Substitutionen (z.B. durch Pronomen) und Ellipsen als kohäsive Mittel zur Bezeichnung inhaltlicher Beziehungen (KoreferenzKoreferenz). KOHÄRENZ nimmt auf die Textwelt Bezug, in der Relationen (lokale, temporale, kausale usw.) zwischen Konzepten (Objekte, Ereignisse) gemeinsam auftreten. Damit ist Kohärenz zunächst ein strukturelles Merkmal des Textes, das in „Klang und Druck“ (Beaugrande/Dressler 1981: 7) im Text manifest geworden ist. Andererseits sehen Beaugrande/Dressler Kohärenz als „Ergebnis kognitiver Prozesse der Textverwender“ (ebd.: 7). Für Vater bedeutet Kohärenz „Sinnkontinuität“, die auf der „Textwelt als Gesamtheit der einem Text zugrundeliegenden Sinnbeziehungen“ (Vater 1992: 43) beruht. Die Differenzierung von Kohäsion und Kohärenz sieht Brinker (62005: 18) als völlig unnötig an. Er vertritt ein komplexes Konzept von Kohärenz, das grammatisch, thematisch, pragmatisch oder kognitiv differenziert werden kann.
Zur Rolle der Wiederaufnahme sei mit Brinker (62005: 41f.) festgehalten, dass diese zwar äußerst bedeutsam für die Textkonstituierung ist, denn die Wiederaufnahme eines Gegenstandes ist in aller Regel Träger für den thematischen Zusammenhang eines Textes. Sie ist aber keine notwendige und auch keine hinreichende Bedingung für Kohärenz, denn diese kann unter Umständen tiefer liegen und muss nicht in einer 1:1-Entsprechung aus der Textoberfläche zu erschließen sein. Dies zeigt das folgende Beispiel:
(3–3) Die Gaststätte ist geschlossen. Es ist ein Trauerfall zu beklagen.
Trotz des Fehlens jeglicher syntaktisch-semantischer Verknüpfungsmittel liegt zweifellos eine kohärente Satzfolge vor. Die KONNEXIONKonnexion, also die Verknüpfung, zwischen den in den beiden Sätzen ausgesagten Sachverhalten ist kausaler Natur (siehe auch 4.3.2). Diese inhaltliche Beziehung lässt sich wie im Beispiel (3–3) nicht nur asyndetisch realisieren, sondern auch syndetisch beispielsweise durch den KONNEKTORKonnektor denn. Werden beide Sätze durch PRO-FORMENPro-Form miteinander verflochten, kann dies rückwärtsweisend (anaphorischanaphorisch: 3–3a) oder vorwärtsweisend (kataphorischkataphorisch: 3–3b) erfolgen, wie in den folgenden Beispielen:
(3–3a) Es ist ein Trauerfall zu beklagen. ← Deshalb ist die Gaststätte geschlossen.
(3–3b) Die Gaststätte ist geschlossen. Das bedeutet Folgendes: → Wir bleiben heute zu Hause.
Dass auch ohne KonnektorenKonnektor oder Pro-FormenPro-Form z.B. kausale, temporale oder explizierende Relationen von PropositionenProposition erschlossen werden, liegt in der von syntaktischer KonnexionKonnexion zu semantischer und pragmatischer Kohärenz voranschreitenden Entwicklung im Sprach- und Schreiberwerb begründet. Konnexion ist also ein wichtiges Mittel zur Herstellung von Kohäsion und KohärenzKohärenz von Texten. Sie kann syndetisch oder asyndetisch erfolgen und dient zur Herstellung „interpropositionaler Relationen“ (Heinemann/Viehweger 1991: 43), wie sie in semantischen Ansätzen der Textlinguistik untersucht wurden (siehe ausführlich Kap. 4).
3.2 Textgrammatik als pragmatische Grammatik – ein neuer Beschreibungsansatz
Die in 3.1 umrissene frühe textgrammatische Beschreibung gilt seit der kommunikativen Wende in der Textlinguistik aber zu Recht als überwunden, denn Texte sind nicht irgendwie vorfindbare Objekte, die es bloß strukturell zu erfassen gilt, sondern sie sind zu bestimmten Zwecken und in bestimmten Situationen wissensbasiert produzierte Äußerungen, deren Sinn und Struktur mitbestimmt sind durch diese Zwecke und Situationen. Deshalb muss eine moderne Textgrammatik die in Texten verwendeten sprachlichen Strukturen mit Blick auf die kommunikativen Gegebenheiten der Äußerung beschreiben (zu pragmatischen und kommunikativ-kognitiven Ansätzen in der Textlinguistik vgl. ausführlich auch Kap. 5).
3.2.1 Kommunikativ-kognitive Textauffassung und textgrammatische Beschreibung
Gegenstand von Systemgrammatiken mit ihren Regeln der Wohlgeformtheit sind die Normen der Standardsprache – bei Coseriu (1988: 52f.) auch „exemplarische Sprache“. Diese Normen stellen eine Abstraktion bzw. Idealisierung einer „üblichen“ oder „normalen“ Realisierung dar. Sie sind weitgehend habitualisiert und konventionalisiert und können daher als Grundlage für den breiten öffentlichen Sprachverkehr betrachtet werden.
Traditionell steht die Beschäftigung mit der paroleparole mehr oder minder neben der so genannten Systemlinguistik. Diese zwei Seiten der sprachwissenschaftlichen Forschung gehen zurück auf Saussure (vgl. 1967: 20ff.), nach dessen Auffassung die rein gesellschaftliche und vom Individuum unabhängige Sprache (die languelangue) von der individuellen Seite des Sprechens (der parole) zu trennen ist. Nach dem Modell von Saussure liegt alles Regelhafte und Soziale allein in der langue, während es in der parole nichts Kollektives bzw. Soziales gibt. Die parole sei rein individuell und überdies nebensächlich und mehr oder weniger zufällig. In der Grammatiktheorie ist daher die Ansicht verbreitet, dass mit der Untersuchung des Sprachgebrauchs nur deformierende Performanzphänomene in die linguistische Forschung „eingeschleppt“ werden. Eine sprachliche Ordnung außerhalb der Systemgrammatik wird quasi ausgeschlossen.
Die strukturellen Gesetzmäßigkeiten einer Sprache ungeprüft an den präskriptiven Normen des schriftsprachlichen Standards festzumachen bedeutet aber, dass die Möglichkeit strukturell signifikanter Daten außerhalb der kodifizierten Norm von vornherein ausgeschlossen wird. Dies scheint nach mehreren Jahrzehnten variationslinguistischer Forschung nicht haltbar. Deshalb muss es auch auf der grammatischen Beschreibungsebene künftig darum gehen, Regelhaftigkeiten des Sprachgebrauchs herauszuarbeiten. Erst auf dieser Grundlage wird es möglich sein zu ermessen, ob und inwieweit der faktische Sprachgebrauch den strukturellen Gesetzmäßigkeiten einer Sprache entspricht.
Die Auswahl der sprachlichen Mittel in einer beliebigen Textsorte (= Sprachgebrauch) wird zu einem bestimmten Anteil immer der Standardnorm entsprechen. Daneben können für die Textsorten-Norm aber auch Abweichungen vom „Üblichen“, von der Standardnorm, durchaus ganz charakteristisch sein. Dies ist überall dort möglich, wo das System eine Reihe von fakultativen Realisierungsvarianten СКАЧАТЬ