Название: Textlinguistik
Автор: Группа авторов
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: narr studienbücher
isbn: 9783823301066
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Notwendig ist eine systematische Methodik, auf deren Grundlage Entscheidungen für spezifische Fragestellungen möglich sind. Erforderlich ist die Einhaltung der wissenschaftlichen Grundprinzipien Validität und Reliabilität (vgl. Busch 2007). Unter Validität versteht man die Gültigkeit einer Analyse aufgrund ihres argumentativen Gewichts, unter Reliabilität die formale Genauigkeit einer Untersuchung. Bevor ich ein diskurslinguistisches Methodensystem vorstelle, das sowohl Validität als auch Reliabilität sichert, ist es sinnvoll, Foucaults methodische Prinzipien selbst kennenzulernen. Wenngleich sehr abstrakt, machen diese deutlich, was die Diskurslinguistik nach Foucault von einer einfachen Erweiterung der Textlinguistik unterscheidet. Foucault (1974) nennt vier methodische Prinzipien der Diskursanalyse:
1 UMKEHRUNG als Frage nach den Bedingungen, unter denen eine Aussage zustande kommt. Während sprachliche Äußerungen herkömmlich als intendierte Produkte von Sprechern oder Schreibern angesehen werden, versteht Foucault die Aussagen nicht als Ergebnis von individuellen Absichten. Aussagen werden nicht vor dem Hintergrund ihrer Bindung an Subjekte analysiert – sie werden nicht als Schöpfung verstanden, sondern als Ereignis in einem Feld von Diskursbedingungen.
2 DISKONTINUITÄT als Frage nach den Brüchen in Diskursen. Foucault lehnt die Annahme kontinuierlicher Entwicklungen des Sprechens über die Welt ab. Sprache ist demnach keine evolutionäre Einheit, sondern ein System von SerienSerie. Aussagen werden in ihren Widersprüchen zueinander in den Blick genommen.
3 SPEZIFITÄT als Absage an die Annahme von konstantem Sinn jenseits diskursiver Aushandlung. Gegen die Vorstellung ursprünglichen Sinns stellt Foucault das Prinzip der Regelhaftigkeit von Diskursstrukturen.
4 ÄUSSERLICHKEIT als Frage nach den Möglichkeitsbedingungen von Aussagen. Weil im Diskurs ausgehandelt wird, was überhaupt zu wissen ist, wird die Suche nach den Bedingungen von Aussagen relevant. Untersucht werden sprachliche Oberflächenstrukturen.
Diese Prinzipien sind in der Diskurslinguistik methodologischer Ausgangspunkt für ein Analysemodell, das die Mehrschichtigkeit von Diskursen erfasst. Warnke/Spitzmüller (2008b) sprechen von einer DISKURSLINGUISTISCHEN MEHR-EBENEN-ANALYSE, kurz DIMEAN.1 Mit DIMEANDIMEAN wird der Komplexität von Diskursen entsprochen, Unterspezifiziertheit von Ergebnissen vermieden und Übergeneriertheit von Analysen ausgeschlossen. Darüber hinaus erläutert DIMEAN das konkrete Vorgehen bei der linguistischen Untersuchung von Diskursen.
Empirische Analysen der Diskurslinguistik sollten sinnvollerweise einem Stufenmodell folgen. Vor jeder Beschäftigung mit Aussagen im Diskurs ist zu klären, mit welchem Textkorpus gearbeitet werden kann und sollte. Man wird in der Regel für das eigene Untersuchungsziel zunächst relevante Texte oder Textteile sammeln und diese Sammlung als Datenbasis, als Korpus einer Untersuchung definieren. Diesen ersten Schritt nennt man Korpusgenerierung. Auf der Basis der im Korpus gesammelten Sprachdaten erfolgt dann die Erstlektüre. Dabei werden alle Auffälligkeiten zunächst unsystematisch gesammelt, interessante Wörter, Bedeutungsdimensionen, Formulierungen, Aussagen, Textstrukturen usw. können erfasst werden. Dieses nicht-automatisierte Verfahren der Textanalyse bzw. diese Sammlung von Auffälligkeiten weist der muttersprachlichen Kompetenz hohe Bedeutung zu. Es ist sinnvoll, die Erstlektüre durch mindestens zwei Leser unabhängig voneinander durchführen zu lassen. Das Ergebnis der Erstlektüre ist nicht mehr und nicht weniger als eine Sammlung von sprachlichen Phänomenen. Diese Daten beziehen sich zunächst noch auf einen einzelnen, singulären Text bzw. eine Quelle.
2.4.1 Intratextuelle Ebene nach DIMEAN
Nach der Erstlektüre erfolgt die Zuordnung der Daten zu einem intratextuellen System. Darunter verstehen wir die strukturierte Darstellung aller diskurslinguistisch wichtigen Elemente innerhalb von (Teil-)Texten. Das intratextuelle System nach DIMEANDIMEAN umfasst die Ebene der Wörter, der Propositionen und der Textstrukturen. Wir sprechen daher auch von einer wortorientierten, propositionsorientierten und textorientierten Analyse:
Intratextuelle Ebene | Textorientierte Analyse |
Propositionsorientierte Analyse | |
Wortorientierte Analyse |
Abb. 2.1:
Ebenen der intratextuellen Analyse nach DIMEAN (Warnke/Spitzmüller 2008b)
Die wortorientierte Analyse berücksichtigt EIN- und MEHRWORT-EINHEITEN, also Elemente wie Freiheit und Stunde der Freiheit. Gerade Wortverbindungen sind Ausdruck von sprachlichen Routinen und damit Hinweis auf gesellschaftliche Haltungen. Als Klassen von Ein- und Mehrworteinheiten sind Schlüsselwörter, Stigmawörter, Namen und Ad-hoc-Bildungen zu nennen. In Warnke/Spitzmüller (2008b) findet sich eine ausführliche Darstellung zu diesen und weiteren Klassen in DIMEANDIMEAN.
Neben der wortorientierten Analyse untersucht man Texte nach PROPOSITIONENPropositionHyperpropositionPropositionen und TEXTARCHITEKTURENTextarchitektur. Unter einer PROPOSITION verstehen wir die Verbindung eines referierenden Elementes mit einer PrädikationPrädikation. So referiert Freiheit als Nomen auf ein Handlungskonzept. Eine Einheit wie ist ein hohes Gut hingegen spricht Gegenständen oder Sachverhalten eine Eigenschaft zu. Verbindet man das referierende Element (Freiheit) mit der Prädikation (ist ein hohes Gut), so erhält man eine Proposition: Freiheit ist ein hohes Gut. Bei der propositionsorientierten Analyse bezieht man sich mithin auf die Inhalte von Sätzen oder Teilsätzen. Als empirische Klassen von Propositionsdaten unterscheiden wir: Satzsyntax, rhetorische Figuren, Metaphernlexeme, soziale/expressive/deontische Bedeutung, PräsuppositionenPräsupposition und ImplikaturenImplikatur sowie SprechakteSprechakt.
Schließlich nimmt man bei der intratextuellen Analyse die TEXTARCHITEKTUR selbst in den Blick. Diskurslinguistisch relevante Phänomene finden sich nicht nur auf der Ebene des Wortschatzes und der Propositionen. Die Propositionen als Einzelaussagen sind bereits auch Bausteine der Textarchitektur, wir verstehen sie als MIKROEBENE von Texten. Hinzu kommen die TEXTUELLE MESOSTRUKTUR, also die Gliederung von Textteilen, und die TEXTUELLE MAKROSTRUKTURMakrostrukturStrukturMakrostruktur als thematische Gesamtgliederung eines Textes. Auf der Ebene des Textes ergeben sich als Phänomenklassen lexikalische Felder, Metaphernfelder, lexikalische Oppositionslinien, ThemenentfaltungThemenentfaltung, Textstrategien/TextfunktionenTextfunktion und die Zugehörigkeit zu einer Textsorte. Hinzu kommt die visuelle Textstruktur, bei der Besonderheiten von Layout/Design, Typographie, Text-Bild-BeziehungenText-Bild-Beziehung und der Materialität des Textträgers beschreibbar sind.
Sofern also bei der Erstlektüre Auffälligkeiten für Wortschatz, Propositionen oder Textstruktur notiert werden, können diese bei der intratextuellen Ebenenzuordnung spezifischen Klassen von Diskursphänomenen zugeordnet werden. Damit ist eine erneute Prüfung und detaillierte Sichtung eines Belegtextes möglich, also die wiederholte Lektüre und Präzisierung von Beobachtungen. Die Zuordnung von Daten der Erstlektüre zu einem intratextuellen System geschieht also nach folgender Systematik:
Intratextuelle Ebene | Textorientierte Analyse |
Visuelle Textstruktur
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