Название: Textlinguistik
Автор: Группа авторов
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: narr studienbücher
isbn: 9783823301066
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Der transphrastischetransphrastisch (satzübergreifende) Ansatz geht davon aus, dass „Texte strukturelle Einheiten vom gleichen Typ wie Sätze sind, nur umfangreicher“ (Vater 1992: 20). Deshalb könne man Texte im Wesentlichen mit dem in der strukturalistischen und später auch mit dem in der generativ-transformationellen Linguistik bewährten Instrumentarium beschreiben.
Kennzeichnend für diese erste Phase der Textlinguistik war – und zwar in Ost- und Westdeutschland gleichermaßen –, dass die Hierarchie der bis dahin angenommenen Einheiten des sprachlichen Systems (Phonem, Morphem, Wort, Satzglied, Satz) um die Einheit ‚Text‘ erweitert wurde. Verändert wurde also nicht das theoretische Grundkonzept, sondern lediglich die „Domäne“ der Grammatik (vgl. Heinemann/Viehweger 1991: 26). Darin drückt sich die Auffassung aus, dass die Textbildung (wie die Satzbildung) durch das Regelsystem der Sprache gesteuert wird und auf allgemeinen, sprachsystematisch zu erklärenden Gesetzmäßigkeiten beruht.
Ziel der Textgrammatik müsse es daher sein herauszufinden, nach welchen strukturellen Prinzipien Texte konstituiert werden. Dabei ging man von der Grundannahme aus, dass das Problem der Verknüpfung von Sätzen als Grundlage und Voraussetzung für die Erklärung von Texterzeugungsprozessen anzusehen sei. Deshalb musste es vor allem darum gehen, Regeln für die Verknüpfung von Sätzen herzuleiten. Eine entscheidende Rolle spielt dabei die Pronominalisierung.
3.1.2 Textkonstitution und PronominalisierungPronominalisierung
Mit seiner 1962–64 entstandenen und 1968 (21979) publizierten Habilitationsschrift „Pronomina und Textkonstitution“ hat Roland Harweg eine erste groß angelegte Untersuchung über die Organisation von Texten und damit die erste wichtige Monographie vorgelegt, die die Entwicklung der Textlinguistik nachhaltig beeinflusst hat. Seine eigene Position in Bezug auf den Text sieht Harweg als strukturalistisch mit Merkmalen einer generativistischen Grundhaltung, die in der Unterscheidung von zwei Textbegriffen – des ETISCHENetisch (performanzorientiert) und des EMISCHENemisch (kompetenzorientiert) – zum Ausdruck kommt. Für die Erstellung wohlgeformter Texte bilde das Verfahren der Pronominalisierung eine entscheidende Rolle. Kompetente Sprecher/Schreiber sind danach in der Lage, das Verfahren der Pronominalisierung zur Textkonstituierung anzuwenden (vgl. Harweg 21979: V). Von daher definiert er Text als „ein durch ununterbrochene pronominale Verkettung konstituiertes Nacheinander sprachlicher Einheiten“ (Harweg 1968: 148).
Harweg verdeutlicht, dass er die pronominale Verkettung als textkonstitutiv ansieht, sie ist für eine Textdefinition unabdingbar:
Unser Textdefiniens verlangt ununterbrochene pronominale Verkettung. Eine Unterbrechung dieser Verkettung würde folglich die Grenzen, d.h. Anfang und Ende eines spezifischen Textes markieren. (Harweg 1968: 148)
Harweg zeigt in seiner Arbeit, in welcher Weise die Ersetzung eines sprachlichen Ausdrucks durch einen anderen sprachlichen Ausdruck erfolgt. Ersetzende Elemente (Substituentia) und zu ersetzende Elemente (Substituenda) wirken in der Textkonstitution zusammen. Als „reinste und prägnanteste Repräsentanten der Pronominalität“ sieht er die Pronomen er/sie/es (Harweg 21979: 25). Die Besonderheiten von Pronomen liegen im „Phänomen der Substitution“ (ebd.: 17). Pronomen ermöglichen in prototypischer Weise eine zweidimensionale Substitution – sie können einen Ausdruck an einem Punkt der Redekette ersetzen (PARADIGMATISCHE SUBSTITUTION), und sie vermögen es, in der Ersetzung sprachlicher Mittel von einem Satz zum nächsten Beziehungen herzustellen (SYNTAGMATISCHE SUBSTITUTION).
Es werden dann jedoch alle ersetzenden Elemente als Pronominalisierungen definiert, also z.B. auch Synonyme, Hyperonyme, Metaphern, Metonymien und andere Ersetzungen (vgl. Sowinski 1983: 24).
Harweg räumt aber zu Recht ein, dass mit bestimmten Texten zu rechnen ist, „die das Konstitutionsprinzip pronominaler Verkettung nicht erfüllen. Es sind dies in jedem Fall Texte, die zu kurz sind, um das genannte Prinzip erfüllen zu können, so z.B. gewisse aus einem Satz bestehende Aphorismen“ (Harweg 1968: 149).
Pronominalisierung im Sinne Harwegs zeigt sich im Prinzip der WIEDERAUFNAHMEWiederaufnahme, das im Folgenden in seinen Verfahren an Textbeispielen illustriert werden soll.
(3–1) Gänseblumen
Manchmal wünsch ich mir die Kraft einer Gänseblume. Im Garten raschelt das Apfelbaumlaub; in den Nächten hat es schon Fröste gegeben. Wiesen- und Wegblumen sind erfroren. Im dürren Fallaub blühn Gänseblumen, winzige Sonnen mit Blütenblatt-Strahlen.
Der Schnee fällt, und er bleibt lange liegen. Die Ponys scharren im Apfelgarten: Im erfrorenen Gras blühn die Gänseblumen.
Der Frühling, es taut, und der Schnee verschmilzt. Am feuchten Wegrand blühn Gänseblumen. Schneeglocken sprießen an warmer Hauswand. Sie mühn sich, weiße Blüten zu treiben. Die Gänseblumen blühn schon lang. Sie blühten im Herbst, und sie blühten im Winter, sie blühten bei Frost und unter dem Schnee.
Manchmal wünsch ich mir die Kraft einer Gänseblume.
(Erwin Strittmatter [1967]: Gänseblumen. In: Schulzenhofer Kramkalender. Berlin/Weimar, S. 143)
Der Text beginnt (hier bereits in der Überschrift, sonst häufig im ersten Satz, manchmal auch später) mit dem Setzen eines Kommunikationsgegenstandes/Substituendum (Gänseblumen), der im Verlaufe des Textes mehrfach wieder aufgenommen wird (Substituens, z.B. sie), um eine Substitutionssequenz herzustellen und damit Aussagen über diesen Gegenstand zu treffen.
Harweg (1968, 21979: 179ff.) erstellt in seinem Buch eine umfassende Typologie pronominaler Verkettungen, die hier nicht annähernd wiedergegeben werden kann. Pronominalisierungen als Formen der Wiederaufnahme, die den Text konstituieren, werden in unterschiedlichen Phänomenen im Text sichtbar. Brinker (62005: 27ff.) hat diese Formen vereinfacht dargestellt und in den Verfahren der EXPLIZITEN und der IMPLIZITEN WIEDERAUFNAHME zusammengefasst. Das Substituendum wird dabei ersetzt durch „Bezugsausdruck“ und das Substituens durch „wiederaufnehmenden Ausdruck“. Die EXPLIZITE WIEDERAUFNAHME basiert auf der ReferenzidentitätReferenzidentität (Bezugnahme auf dasselbe Objekt = KOREFERENZKoreferenz) bestimmter sprachlicher Ausdrücke in aufeinanderfolgenden Sätzen eines Textes. Bedingung für die Wiederaufnahme ist die Bedeutungsgleichheit oder -ähnlichkeit der sprachlichen Mittel. In Frage kommen vor allem folgende Formen:
REKURRENZRekurrenz (wörtliche Wiederholung): Gänseblumen – Gänseblumen,
SYNONYME (ein bedeutungsgleicher oder -ähnlicher Ausdruck): Gänseblumen – winzige Sonnen mit Blütenblatt-Strahlen,
PRO-FORMENPro-Form (z.B. Pronomen, Pronominaladverbien): Gänseblumen – sie,
HYPERONYME/HYPONYME (Ober- bzw. Unterbegriffe): Heckenrosenstrauch – Strauch.
Bei der IMPLIZITEN WIEDERAUFNAHME handelt es sich nicht um Referenzidentität, sondern lediglich um PARTIELLE KOREFERENZ. Dies wird bewirkt durch Ausdrücke, die in einer bestimmten Relation (z.B. TEIL-GANZES-RELATION/pars pro toto) zu dem ersterwähnten Referenzträger stehen:
(3–2) […] Der Winter kam, und eines Tages entdeckte ich in der Nähe der Brücke einen Heckenrosenstrauch. Der Strauch war voller Hagebutten, deren glänzendes СКАЧАТЬ