Название: Textlinguistik
Автор: Группа авторов
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: narr studienbücher
isbn: 9783823301066
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1 Es wird niemand auf die Idee kommen, etwa Lexikoneinträgen wegen des Fehlens wohlgeformter Sätze ihre Standardsprachlichkeit abzusprechen:(3–4) Oldenburger, eine Pferderasse in Dtld.; früher starkes, schweres, leistungsfähiges Zug- und Arbeitspferd; durch Einkreuzung von Englischem Vollblut und Trakehner Hengsten in den letzten Jahrzehnten Umzüchtung zu einem erfolgreichen, ausdauernden, athletischen Sportpferd. (Der Knaur. Universallexikon. Band 10. München 1991 [21993], S. 3732)
2 Insofern ist der Terminus Standardnorm irreführend. Es handelt sich vielmehr um die in Grammatiken kodifizierte Norm, die idealisiert und zur so genannten Standardnorm erhoben wurde.Es ist erkennbar, dass die standardsprachliche Norm keineswegs mit der schriftsprachlichen Norm gleichzusetzen ist, sondern lediglich mit der Norm bestimmter, nicht explizit genannter Textsorten.
3 Zuzustimmen ist auch Henn-Memmesheimer (1986: 7), dass die Auswahl der Muster, die als Standard gelten und infolgedessen Eingang in Standardgrammatiken finden, vom Standpunkt des Systems her betrachtet eher „zufällig“ ist: „Als zusammenfassende Bezeichnung der Menge der standardisierten Muster wird der Terminus Standardvarietät gewählt, um Standard zu kennzeichnen als eine – wie auch immer, unter welchen Einflüssen entstandene – Norm innerhalb des Systems deutsche Sprache.“ (Henn-Memmesheimer 1986: 7; Hervorhebungen Ch. G./F. J.)
Insofern wird immer nur ein Ausschnitt aus dem Sprachsystem dargestellt, weshalb auch die Bezeichnung Systemgrammatik im Grunde nicht korrekt ist. Voraussetzung für eine wirkliche Systemgrammatik wäre eine Analyse des Sprachgebrauchs, die auch unorthodoxe Phänomene nicht von vornherein als reine Performanzerscheinungen abtut.
Quintin schlägt deshalb vor, solche Phänomene nicht mehr nur als halbwegs tolerierbare Extensionen eines strikt gefassten Einheitsprinzips zu betrachten, „sondern als Ausdruck eines an sich offenen Systems, dessen Potenzial von den Sprechern meistens nur partiell ausgenutzt wird“ (Quintin 1993: 94). Deshalb ist es nachdrücklich zu unterstützen, wenn Coseriu eine radikale Änderung des linguistischen Untersuchungsansatzes vorschlägt, indem das Sprechen zum Maßstab für alle Manifestationen der Sprache gemacht wird:
Das Sprechen ist nicht von der Sprache her zu erklären, sondern umgekehrt die Sprache nur vom Sprechen. Das deswegen, weil Sprache konkret nur Sprechen, Tätigkeit ist und weil das Sprechen weiter als die Sprache reicht […] Daher muß unserer Meinung nach Saussures bekannte Forderung umgekehrt werden: statt auf den Boden der Sprache muß man sich von Anfang an auf den des Sprechens stellen und dieses zur Norm aller anderen sprachlichen Dinge nehmen (einschließlich der Sprache). (Coseriu 1988: 58)
Ausgangspunkt aller Überlegungen sollten also die Normen des realen Sprachgebrauchs sein, wie sie z.B. in schriftlichen wie mündlichen Textsorten gegeben sind. Die Norm einer Textsorte zeichnet sich dadurch aus, dass von den Möglichkeiten des Sprachsystems regelhaft auf eine ganz spezifische Weise Gebrauch gemacht wird.
Mit der Orientierung auf den Sprachgebrauch erhält die Grammatik nun eine pragmatische Dimension. Der Terminus PragmatikPragmatik geht zurück auf das semiotische ZeichenmodellZeichenmodell, semiotisches von Charles W. Morris (1938, dt. 1972), in dem das Verhältnis vom Zeichen zum Zeichenbenutzer thematisiert wird (siehe 5.2.1).
Thema der Pragmatik ist das, was im Sprachgebrauch die Form und/oder die Interpretation sprachlicher Äusserungen regelhaft beeinflusst kraft der Tatsache, dass Sprache in einer Situation und zur Kommunikation, zum sprachlichen Handeln mit anderen, gebraucht wird. Pragmatik hat es demgemäss immer mit dem Verhältnis sprachlicher Äusserungen zu ihrem situativen und kommunikativen Kontext zu tun. (Linke u.a. 52004: 201)
Primärer Gegenstand der Pragmatik im engeren Sinne sind die Regularitäten des kommunikativen Handelns, weshalb SprechakteSprechakt, PräsuppositionenPräsupposition, ImplikaturenImplikatur, KonversationsmaximenKonversationsmaximeKommunikationsmaximeKonversationsmaxime u.Ä. zentrale pragmalinguistische Kategorien sind (siehe 5.2.2).
Pragmatik in einem weiteren Sinne betrachtet als ihren Gegenstand übergreifend die Sprache im Gebrauch. Allerdings ist eine so verstandene Pragmatik – bedingt durch die Fixierung auf die geschriebene Sprache und damit im Zusammenhang stehende normierende Grammatikkonzeptionen – erst sehr spät als Arbeitsbereich der Linguistik akzeptiert worden. Dies hat sich in den letzten Jahren im Zusammenhang mit dem verstärkten Interesse an der gesprochenen Sprache ganz grundlegend geändert. Ein weiter Pragmatikbegriff gilt inzwischen als Grundlage für eine an der natürlichen Sprache orientierte deskriptive Grammatik. Mehr noch: Es scheint der Weg geebnet für eine „radikale Pragmatisierung der Syntaxschreibung“ (Schlobinski 1997a: 11).
Dieser Ansatz wurde durch die so genannte modulare Auffassung maßgeblich befördert und im Rahmen des Lunder Forschungsprogramms „Sprache und Pragmatik“ entwickelt (vgl. u.a. Rosengren 1988, Fries 1988 und Motsch/Reis/Rosengren 1989). Die modulare Auffassung besagt, dass Grammatik und PragmatikPragmatik verschiedene Module (möglicherweise auch Mengen von Modulen) sind, wobei „die für das jeweilige Modul (bzw. dessen Submodule) konstitutiven Prinzipien, Einheiten und Regeln […] sich nicht auf konstitutive Prinzipien, Einheiten und Regeln des anderen Moduls reduzieren lassen“ (Motsch/Reis/Rosengren 1989: 2).
Betont wird also zunächst die Autonomie und Eigengesetzlichkeit der Module ‚Grammatik‘ und ‚Pragmatik‘:
Zugleich gibt es aber eine systematische Interdependenz zwischen ihnen, insofern einerseits die pragmatischen Funktionen mit Hilfe von grammatischen Strukturen realisiert, andererseits die grammatischen Strukturen nur als pragmatische Einheiten aktualisiert werden können. Pragmatik ohne Grammatik kann es also nicht geben. Die Grammatik ihrerseits muß kommunikativ verwendbar sein, d.h. die kommunikativen Erfordernisse erfüllen können. Untersuchung des Grammatik-Pragmatik-Verhältnisses heißt dann, die Gesetzmäßigkeiten dieser Interdependenz zu untersuchen […]. (Motsch/Reis/Rosengren 1989: 2)
Mit Oller kann davon ausgegangen werden, dass jede Theorie, die Sprache unabhängig von ihrem Gebrauch zu erklären versucht, zirkulär bleiben muss und dass also jede Betrachtung von Sprache als Kommunikationsmedium eine integrierte Theorie von Syntax, Semantik und Pragmatik erfordert, nicht bloß ein additives Hinzufügen einer pragmatischen Komponente, denn selbst bei einfachen Sätzen (Der Junge schlägt gerade den Ball.) sei ein Bezugnehmen auf die Situation unverzichtbar:
Unabhängig von der Weltkenntnis, über die der Sprecher/Hörer etwas mitteilt, existiert keine Sprachstruktur. Weder Bedeutung noch Syntax existieren in einem Vakuum, und beide zusammen existieren nicht unabhängig von Situationen. (Oller 1974: 132ff.)
In diesem Verständnis wäre Pragmatik als eher ganzheitliche Theorie zu begreifen, „welche die systemlinguistischen Fragestellungen einschliesst und sogar das Fundament für die systemlinguistischen Theorien liefert“ (Linke u.a. 52004: 206).
Eine solche Auffassung geht im Grunde zurück auf Karl Bühler (1934). Dessen pragmatische Ansätze sind, obgleich sie lange Zeit weitgehend unbeachtet blieben, bis heute richtungweisend (siehe 5.2.2). Der Vorteil einer solchen integrativen Sicht auf Grammatik, Semantik und Pragmatik ist darin zu sehen, dass somit auch die Form selbst in den Fokus gerückt und als pragmatisch determinierte Größe beschrieben werden kann.
Zusammenfassend kann festgehalten werden:
1 Textgrammatik muss empirisch fundiert sein. Ziel ist es, eine realistische Grammatik des Deutschen in geschrieben und gesprochen realisierten Textsorten vorzulegen, eine Grammatik, die den realen Sprecher/Hörer und Schreiber/Leser in den Mittelpunkt stellt und die Regelhaftigkeiten des Sprachgebrauchs СКАЧАТЬ